Die instabile Entwicklung des Öl-Preises wird seit Wochen von der Geopolitik bestimmt. Autofahrer kriegen das täglich zu spüren.
Geopolitik beeinflusst MarktEntwicklung des Ölpreises gleicht einer Achterbahnfahrt
Die Analysten haben sich auf die Metapher von der „Achterbahnfahrt“ geeinigt. Was Autofahrer aktuell erfreut zur Kenntnis nehmen dürften. Denn im Lauf der Woche werden Benzin und Diesel mit großer Wahrscheinlichkeit deutlich billiger.
Das rasante Auf und Ab wird seit Wochen von der Geopolitik bestimmt. Rückblick: Vor gut einem Monat rutsche die Notierung für die maßgebliche Rohölsorte Brent unter 70 Dollar pro Fass (159 Liter). In der Folge sanken die Preise für Kraftstoffe auf den niedrigsten Stand seit mehr als anderthalb Jahren. Ein Liter Super-Benzin kostete im Bundesdurchschnitt zeitweise weniger als 1,60 Euro.
Private Anleger steigen bei Wetten um Öl-Preis ein
Doch dann eskalierten die kriegerischen Auseinandersetzungen im Nahen Osten. Die israelische Regierung kündigte harte Vergeltung für einen Raketenangriff des Iran an. US-Präsident Joe Biden machte Israels Premier Benjamin Nathanjahu klar, dass es keine Attacken gegen iranische Atomanlagen geben darf. Dafür erteilte er aber quasi eine Genehmigung für einen Angriff auf Ölanlagen.
Der Eindruck entstand, der Beschuss des Ölterminals auf der Insel Charg - die einst weltweit größten Anlage ihrer Art - sei beschlossene Sache. Ein weiterer Dominoeffekt wurde befürchtet: Dass mit dem Iran befreundete Milizen die Ölanlagen anderer Förderstaaten unter Feuer nehmen. Das hätte nicht nur eine massive Verschärfung der Lage im Nahen Osten, sondern auch eine Ölkrise auslösen können. Die Brent-Notierungen, die für Europa maßgeblich sind, schossen beinahe senkrecht in die Höhe - auf knapp 81 Dollar pro Fass Anfang voriger Woche. Laut Finanzdienst Bloomberg stiegen sogar auch private Anleger in die Wetten mit den vermeintlich massiven Verteuerungen ein. Und ein Liter Super kam hierzulande ganz nah an die Marke von 1,75 Euro.
Nach Telefonat mit Biden: Keine Angriffe auf Ölanlagen
Doch es kam ganz anders. Biden und Nethanjahu haben noch mal telefoniert, und laut Washington Post hat der israelische Regierungschef eingelenkt und versprochen zwar militärische Ziele, aber keine Öl- und Atomanlagen anzugreifen. Prompt ging es zunächst am Montag mit den Notierungen nach unten. Und noch viel stärker am Dienstag: Brent verlor zeitweise fast 5 Prozent, was innerhalb eines Tages nicht alle Tage passiert.
Aber derartige Turbulenzen haben selten nur eine Ursache. So auch dieses Mal. Denn gleichzeitig hat die Internationale Energieagentur (IEA) in ihrem aktuellen Monatsbericht die Prognose für das Wachstum der Nachfrage nach dem sogenannten schwarzen Gold gesenkt. Und auch die Organisation der erdölexportierenden Länder hat ihre Projektionen nun schon im dritten Monat in Folge nach unten geschraubt.
Konflikte um Produktionsmengen im Iran
Jetzt ist das Narrativ zurückgekehrt, das schon im September die Ölmärkte beherrschte: Die lahmende Konjunktur in China, wodurch die Rohöleinfuhren schrumpften. Auch für September wurde dieser Trend von der dortigen Zollbehörde gerade bestätigt - die Volksrepublik hat als weltgrößter Importeur massiven Einfluss auf die Ölpreise. In den ersten neun Monaten lagen laut Carsten Fritsch, Rohstoffexperte bei der Commerzbank, die Einfuhren gut 3 Prozent niedriger als im Vorjahreszeitraum.
Und dann kommen noch Undiszipliniertheiten im Lager der Ölförderer hinzu. „Der Irak hat seine Ölproduktion im September zwar reduziert, aber nicht deutlich genug, um das vereinbarte Produktionsziel zu erreichen“, erläutert Fritsch.
Offenbar bröckelt es im Kartell
Offizielle irakische Stellen behaupten aber, dass man sich an die Vorgaben halte. „Somit droht ein Konflikt zwischen dem Irak und den anderen Mitgliedern der OPEC+“, betont Fritsch. Ähnlich sehe es bei Kasachstan aus. Und Laut Bloomberg soll auch Russland über der vereinbarten Schwelle von etwa 9 Millionen Fass pro Tag geblieben sein.
Offenbar bröckelt es im Kartell, da einige Staaten sehr dringend mehr Geld aus dem Ölgeschäft brauchen. Wohl auch aus diesem Grund beharrt die Opec auf einer schon lange geplanten und mehrfach verschobenen schrittweisen Ausweitung der Förderung um insgesamt 2,2 Millionen Fass pro Tag. Dieses Manöver soll nun im Dezember starten. Was nicht nur nach Einschätzung der IEA in eine Ausweitung eines Öl-Überangebots münden dürfte. So betont auch die Analysten Priyanka Sachdeva, dass der Brentpreis ohne den „Kriegs-Aufschlag“ ohnehin schon wieder deutlich unter 70 Dollar liegen würde. Eine gute Nachricht für Autofahrer. Denn dies würde weiter sinkende Spritpreise bedeuten.