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Fans als Konsum-BoosterKann Taylor Swift wirklich die Wirtschaft ankurbeln?

Lesezeit 5 Minuten
ARCHIV - 07.06.2024, Großbritannien, Edinburgh: Taylor Swift tritt während ihrer Eras Tour im Murrayfield Stadium in Edinburgh auf. Foto: Jane Barlow/PA Wire/dpa +++ dpa-Bildfunk +++

Taylor Swift während ihrer Eras Tour im Murrayfield Stadium in Edinburgh: Die Künstlerin kommt am 17. Juli nach Gelsenkirchen. Können Städte von Star-Auftritten profitieren?

Die Konzertstandorte versprechen sich durch Taylor Swifts Auftritte kräftige Impulse für die Wirtschaft. Doch machen sie sich damit falsche Hoffnungen?

An die Fußball-Europameisterschaft wird in Gelsenkirchen schon bald kaum noch etwas erinnern. Harry Kane, Cristiano Ronaldo und Thomas Müller – die Fußballstars spielen wenige Tage nach dem Ende des Heimturniers keine Rolle mehr. Es kommt in dieser Woche nur noch auf einen Star an: Taylor Swift. Vor den drei Konzerten der Sängerin in der Veltins-Arena erhielt Gelsenkirchen sogar zu Ehren des Megastars neue Ortsschilder mit der Aufschrift „Swiftkirchen“. Die Euphorie ist groß – schließlich finden hier die ersten Deutschland-Konzerte ihrer „The Eras Tour“ statt.

Die Stadt ist also weiterhin im Ausnahmezustand: Selten kommen so viele Touristinnen und Touristen nach Gelsenkirchen wie in diesem Sommer. Erst lockte die Fußball-EM Gäste an – und jetzt Taylor Swift. „Die Auslastung der Übernachtungsplätze liegt im hohen 90-Prozent-Bereich, nur mit etwas Glück kommt man noch an eine freie Übernachtungsmöglichkeit“, sagte ein Sprecher der Stadt- und Touristinfo im Vorfeld von Swifts Welttournee.

Ökonomischer Fußabdruck von Swift-Konzerten

Um die enorme Nachfrage aufgrund der Fußball-EM und der Swift-Konzerte bedienen zu können, bietet die Stadt zusätzliche Campingplätze an zwei Standorten in Gelsenkirchen und der Nachbarstadt Herten an. Es werden schließlich insgesamt Hunderttausende Zuschauerinnen und Zuschauer erwartet. Hotels, Gaststätten und andere Unterkunftsanbieter können sich in Gelsenkirchen zurzeit nicht beklagen. Und auch Gastronominnen und Gastronomen und andere lokale Unternehmen hoffen, dass vor allem Taylor Swift und ihre Fans nun einen ökonomischen Fußabdruck in der Stadt hinterlassen werden.

Wenn Fans zum Beispiel aus Berlin nach Gelsenkirchen für das Konzert von Taylor Swift reisen, kann das für lokale Gastronomen und Hotels in Gelsenkirchen kurzfristig Vorteile haben
Wolfgang Maennig, Professor für Volkswirtschaftslehre an der Uni Hamburg

In Medienberichten wird bereits über das Phänomen „Swiftonomics“ diskutiert: Dahinter steckt die große Hoffnung, dass Taylor Swift in den Orten einen Wirtschaftsboom auslöst, in denen sie auftritt. Ihre „The Eras Tour“ gilt jetzt schon als kommerziell erfolgreichste Welttournee der Geschichte. Mehr als eine Milliarde US-Dollar werden ihr zugeschrieben, womit sie Elton Johns Tournee „Farewell Yellow Brick Road“ überholt hat. Und nicht nur Swift selbst soll davon profitieren: Einzelne Orte berichten von wirtschaftlichen Vorteilen im Zuge der Konzerte.

Einnahmen in Millionenhöhe – aber nur lokal

Das Arbeitsamt von Los Angeles teilte etwa im August vergangenen Jahres mit, dass das Bruttoinlandsprodukt nach den sechs Konzerten in der Stadt um 320 Millionen US-Dollar gestiegen sei. Die Barclays-Bank im Vereinigten Königreich prognostizierte im Mai, dass Swifties für die „Eras Tour“-Konzerte im Land mehr als eine Milliarde Pfund ausgeben werden. Und auch eine Studie von 2021 im Auftrag der Ticketmaster-Mutter Live Nation deutet auf hohe Ausgaben der Swifties hin: Fans geben demnach an lokale Unternehmen geschätzt weitere 334 US-Dollar für jede 100 Dollar aus, die für das Ticket verlangt wurden. Bei Ticketpreisen von teilweise mehr als 200 Euro in Deutschland wäre das für Gelsenkirchen eine gute Nachricht.

„Wenn Fans zum Beispiel aus Berlin nach Gelsenkirchen für das Konzert von Taylor Swift reisen, kann das für lokale Gastronomen und Hotels in Gelsenkirchen kurzfristig Vorteile haben“, sagt Wolfgang Maennig, Professor für Volkswirtschaftslehre an der Uni Hamburg. Wie einige andere Ökonominnen und Ökonomen ist allerdings auch er skeptisch, ob ganze Länder von den Konzerten profitieren können. Die wirtschaftlichen Effekte seien eher lokal. „Fans, die aus Berlin anreisen, hinterlassen eben auch eine Lücke in Berlin – volkswirtschaftlich gesehen tut sich also nichts“, sagt er.

Maennig forscht unter anderem zu den wirtschaftlichen Auswirkungen von großen Sportveranstaltungen. Immer wieder erhoffen sich Städte und Länder durch große Events positive Auswirkungen auf die Wirtschaft – doch seine Auswertungen zeigen im Nachhinein, dass der Effekt nur minimal ist. Oftmals gleichen sich die Einnahmen durch große Events an anderer Stelle wieder aus. „Große Events locken zwar Touristen an, können aber auch eine andere Nachfrage verdrängen. Zum Beispiel, wenn der Messebesucher aufgrund mangelnder Hotelplätze in der Stadt wegfällt und somit sein Firmenbudget in der Stadt nicht ausgeben kann“, sagt Maennig. Zudem sparten Zuschauerinnen und Zuschauer auch individuell an anderer Stelle, wenn sie viel Geld für die Konzerte ausgegeben haben.

Große Konzerte können Inflation kurzfristig  erhöhen

Etwas deutlicher weisen Analysen auf einen anderen wirtschaftlichen Effekt großer Konzerte hin: Die Inflation könnte kurzfristig steigen, weil Hotels ihre Preise oftmals spürbar für die Konzerte erhöhen. In Schweden führte der Ökonom Michael Grahn von der Danske Bank den Anstieg um 0,3 Prozent im Mai 2023 unter anderem auf die Konzerte der Sängerin Beyoncé in Stockholm zurück. Wie groß die Auswirkungen der Konzerte waren, sei unklar – und obendrein sei dieses Szenario sehr selten, wie er im Juni 2023 dem „Wall Street Journal“ erklärte.

Es schien sich jedoch auch in Portugal zu wiederholen: Dort stieg die Inflationsrate im Mai leicht nach den Konzerten von Taylor Swift in Lissabon. Medienberichten zufolge führte das nationale Statistikinstitut in Portugal dies unter anderem auf gestiegene Hotelpreise zurück, die wiederum durch ein „großes kulturelles Event in Lissabon“ ausgelöst worden seien.

Unterschiedliche Effekte auch international

Die mutmaßlichen Effekte auf die Inflation verhalten sich aber offenbar nicht in allen Ländern gleich. In Frankreich hätten Swifts Konzerte nicht zu großartig gestiegenen Hotelpreisen geführt – unter anderem aufgrund der größeren Hotelkapazitäten und der größeren Bevölkerung, berichtet „Business Insider“ unter Berufung auf eine Analyse. Und die Hotelpreise sind laut dem Deutschen Hotel- und Gaststättenverband (Dehoga) zumindest in Hamburg nicht stark in die Höhe geschossen. Die Preise seien nicht so hoch wie etwa beim Hafengeburtstag, dem touristisch größten Event der Stadt, sagte eine Sprecherin der Deutschen Presse-Agentur. Es gebe auch immer noch freie Zimmer in der Zeit. Für das Gastgewerbe sei es natürlich gut, wenn ein Star mit solcher Strahlkraft in die Stadt komme.

Darin sieht auch Wolgang Maennig einen großen Vorteil für das Land. Auch wenn der gesamtwirtschaftliche Effekt der Swift-Konzerte in Deutschland nur minimal sein dürfte, ist die Bedeutung solcher Events nicht zu unterschätzen, meint er. Erstens, weil große Events für die Wahrnehmung Deutschlands gut sind. Und zweitens, weil sie die Zufriedenheit der Menschen erhöhen können. „Der Effekt hält zwar nur eine kurze Zeit lang an, aber nach der Forschung ist der Zufriedenheitseffekt genauso groß wie bei einer temporären Verringerung der Arbeitslosigkeit um ein Prozent“, sagt Maennig.