Betriebsrat spricht von „Manipulation“Ford benennt Standort für Bau von neuem E-Auto
Köln – Der Autobauer Ford hat nach zähem Ringen seine vorläufige Entscheidung für die Produktion des nächsten Elektroautos bekannt gegeben. „Das Ford-Werk in Valencia, Spanien, wurde für die Elektro-Fahrzeugarchitektur der nächsten Generation ausgewählt“, sagte Stuart Rowley, Europachef von Ford, dem „Kölner Stadt-Anzeiger“. Für den nach Köln drittgrößten Standort von Ford in Europa, Saarlouis, ist das eine ausgesprochen schlechte Nachricht. Dort wird aktuell der Kompaktwagen Ford Focus gebaut – allerdings nur noch drei Jahre. Dann endet voraussichtlich die Produktion.
Verkauf vom Ford-Werk in Saarlouis nicht ausgeschlossen
Ford will voll auf E-Autos setzen. Rowley wollte aber nicht sagen, dass es in Saarlouis eine Schließung geben wird. Auf die Frage, ob in drei Jahren ein Verkauf des saarländischen Autowerkes infrage kommt, sagte der Europachef: „Wir prüfen alle Optionen“. Heißt konkret: Ein Verkauf ist nicht ausgeschlossen. Aber auch eine Umnutzung des Werks in Saarlouis zum Bau von Komponenten oder Batterien könnte eine Option sein.
Jobabbau in Valencia?
Unklar ist aber auch, ob die Entscheidung für Valencia eine gute Nachricht für alle Beschäftigten dort ist. Denn auch dort dürfte ein Jobabbau drohen. Beim Bau von Elektrofahrzeugen gibt es eine geringere Fertigungstiefe, weswegen grundsätzlich weniger Arbeitskräfte benötigt werden. Rowley wollte sich am Mittwoch aber noch nicht auf eine konkrete Zahl festlegen, was den Arbeitsplatzabbau angeht.
Aus der Zentrale in den USA kam dazu nur: „Wir haben uns verpflichtet, im Rahmen unseres Ford-Plus-Plans ein dynamisches und nachhaltiges Geschäft in Europa aufzubauen. Dies erfordert Konzentration und harte Entscheidungen“, so Jim Farley, Chef des gesamten Ford-Konzerns. „Die europäische Automobilindustrie ist extrem wettbewerbsfähig, und um zu wachsen und erfolgreich zu sein, können wir uns nicht mit weniger als großartigen Produkten, einem herausragenden Kundenerlebnis, ultraschlanken Abläufen und einem talentierten und motivierten Team zufriedengeben.“
Heute arbeiten 4600 Beschäftigte im Ford-Werk Saarlouis sowie mehr als 2000 Menschen bei Zuliefererbetrieben. In Valencia sind es rund 6000. Klar ist, nach der Grundsatzentscheidung stehen dort nun Umstrukturierungen an. Die Investitionssumme und das konkrete Automodell sind noch unklar.
Das Auto, das später wahrscheinlich in Valencia vom Band läuft, soll der erste E-Wagen werden, den Ford komplett allein entwickelt. Spanische Medien berichten, dass offenbar zwei E-Automodelle geplant seien. Das Modell, das ab 2023 im Kölner Werk produziert wird, basiert auf einer E-Auto-Plattform des Konkurrenten Volkswagen.
Keine Auswirkungen für Köln
Ford treibt derweil mit einer Investition von zwei Milliarden Dollar die Transformation seines Werkes in Köln voran, die Pläne sind laut Rowley von der Valencia-Entscheidung unabhängig. Im Kölner Electrification Center startet ab 2023 die erste Produktion eines Elektro-Pkw von Ford in Europa. Die europäische Strategie von Ford umfasst ein Angebot von Elektrofahrzeugen, inklusive einer batterie-elektrischen Version des Ford Puma, sowie den Ausbau seiner Rolle im Segment der leichten Nutzfahrzeuge mit elektrifizierten Ford-Transportern. Ab 2026 will Ford in Europa jährlich 600.000 Elektrofahrzeuge verkaufen.
Betriebsrat sieht Manipulation
Harte Kritik an der Standortentscheidung gab es von den deutschen Betriebsräten. Sie werfen der Ford-Europaführung eindeutige Manipulation im Bieterwettbewerb der beiden Werke vor. „Das europäische Topmanagement hat sich für Valencia entschieden, obwohl im Saarland bessere Rahmenbedingungen und Kostenstrukturen vorhanden sind“, heißt es in einer Erklärung der Arbeitnehmervertreter, die dem „Kölner Stadt-Anzeiger“ vorliegt. Die Entscheidung für Valencia habe, so der Vorwurf der Betriebsräte, von vorneherein festgestanden. Am Mittwoch wurde die Belegschaft in Saarlouis informiert. Bei den Mitarbeitern herrsche blankes Entsetzen, wie der Betriebsrat berichtet. Am Donnerstag werden die Mitarbeiter in Köln vor Ort informiert.
Das könnte Sie auch interessieren:
„Methoden, Annahmen - alles war auf Valencia zugeschnitten“, sagt Betriebsratschef Benjamin Gruschka im Gespräch mit dem „Kölner Stadt-Anzeiger“. Das Topmanagement habe von Anfang an versucht, die Berechnungen zugunsten von Valencia durch diverse Tricks zu optimieren und damit die wirtschaftliche Realität zu negieren. Markus Thal, Betriebsratsvorsitzender des Standortes Saarlouis, ist tief erschüttert: „Wir haben gekämpft und alles gegeben, wir waren die klaren Sieger im Bieterwettbewerb und werden jetzt um unseren Erfolg betrogen!“
Die Landesregierung hatte – auch mit Unterstützung des Bundes – ein Subventionspaket zusammengestellt, um den Standort zu erhalten. Laut Ministerpräsidentin Anke Rehlinger (SPD) hat das Paket einen Gesamt-Umfang von nahezu einer Milliarde Euro.
Nach Prüfung der Wirtschaftszahlen kommen die Betriebsräte, unterstützt von einem Beratungsinstitut, nun zu dem Ergebnis, dass das Gesamtpaket der deutschen Standorte in den wesentlichen Kennzahlen für die anvisierte Laufzeit bis 2034 für Saarlouis in Summe die besten Ergebnisse geliefert hätte, schreiben die Arbeitnehmervertreter.
Als wahres Ziel des aufwendigen Bieterwettbewerbs sehen sie die Absicht, weitere Zugeständnisse von der Belegschaft in Valencia abzupressen, obwohl die spanischen Arbeitsbedingungen in den letzten 15 Jahren bereits massiv verschlechtert worden seien.
Die Betriebsräte geben sich kämpferisch. „Wir werden alle Möglichkeiten sondieren, um diese Entscheidung gegen Saarlouis noch umzubiegen“, sagt Betriebsratschef Benjamin Gruschka. Dafür werde man mit allen zur Verfügung stehenden Mitteln kämpfen.