AboAbonnieren

Früh-Chef über den Kölsch-Markt„Düsseldorf ist für uns ein Eroberungsmarkt“

Lesezeit 6 Minuten
Neuer Inhalt

Dirk Heisterkamp

  1. Dirk Heisterkamp wechselte 2005 nach einer Station bei Bitburger von Veltins zu Früh.
  2. Dort ist er Leiter für Marketing und Verkauf. Ab Dienstag, 11. Februar, ist in ganz Köln wieder eine neue Plakat-Kampagne zu sehen.
  3. Im Interview spricht er über die Idee, außerhalb Kölns Kölsch zu verkaufen, und darüber, was Nachhaltigkeit für den Markt bedeutet.

Herr Heisterkamp, Sie haben seit 2005 die Verantwortung für Marketing und Verkauf bei Früh. Wie entwickelt sich der Kölsch-Markt?

Der Biermarkt hatte 2019 mit leichten Rückgängen zu kämpfen. Kölsch entwickelte sich dabei entsprechend dem Markt. Auch die Marke Früh konnte die guten Absatzzahlen aus dem Supersommer 2018 nicht ganz erreichen. Der Umsatz im Gesamtunternehmen blieb aber erfreulicherweise auf Vorjahresniveau.

Wie ist denn die Rangfolge im Kölsch-Markt? Wer sind die wichtigsten Akteure?

Der Kölsch-Markt ist bis heute einer der vitalsten Regionalmärkte Deutschlands mit bundesweiter Beachtung. Es gibt eine große Vielfalt von überregional geschätzten Marken, bis hin zu kleinen aber feinen Hausbrauereien.

Neuer Inhalt

Die neue Kampagne von Früh

Fast 90 Prozent des Gastronomievolumens werden von vier etablierten Traditionsfirmen verkauft, das sind in der Reihenfolge: die Reissdorf-Brauerei – als größte Brauerei Kölns mit dem Sonderprofil, vorwiegend in Köln zu verkaufen –, die Gaffel-Brauerei, die Cölner Hofbräu Früh sowie die Marken der Radeberger-Brauerei, die in Köln unter dem Namen Haus Kölner Brautradition Marken wie Sion, Gilden, Peters, Dom und Küppers Kölsch anbieten.

Ist der Markt in Bewegung? Schließt etwa Früh zu Gaffel auf?

Wir sind bei Früh mit unserem Geschäftsmodell und den dabei erreichten Ergebnissen zufrieden. Reine Hektoliter-Ausstoßrankings sind an sich ja wenig aussagefähig, das wird auch künftig bei Früh nicht unser primärer Antrieb sein.

Neue Kampagne der Kölsch-Brauerei

Ab Dienstag, 11. Februar, werden in Köln die Plakate der neuen Kampagne der Brauerei Früh zu sehen sein. Zum Ende des vergangenen Jahres hatte sich die Firma von ihrer Agentur Counterpart getrennt, mit der sie seit 2005 zusammengearbeitet hatte. Die neuen Motive erscheinen in der traditionell bekannten Art. Die ikonische Darstellung mit rotem Hintergrund, Produkt und Zeile habe man beibehalten wollen, sagt Jan Propach von der Agentur Serviceplan, die die neue Kampagne gestaltet hat. Die Bildsprache sei neu justiert worden, die Schriftart neu gewählt und die Zeilen seien etwas länger.

In einer Feldstudie habe man festgestellt, dass Früh so genannte Kategoriewerbung gemacht habe, also Werbung für Kölsch als Sorte. Deshalb solle das Produkt Früh-Kölsch wieder stärker in den Mittelpunkt gestellt werden.

Drei Motive werden im Umlauf sein. Das Hauptmotiv wird zur Karnevalszeit die Textzeile: „Was den Jecken vom Irren unterscheidet“. An Düsseldorf gewandt heißt es: „Was Karneval ohne Früh bedeutet, kann man in Düsseldorf besichtigen“. Zudem gibt es als drittes ein eigenes Social Media-Motiv, das insbesondere an die jüngeren Kunden gerichtet sein soll: „Triff heute wenigstens eine richtige Entscheidung“.

Unser Fokus liegt neben der Brauerei auch auf dem Geschäftsfeld der eigengeführten Gastronomie, die wir im Gegensatz zu fast allen anderen Getränkeherstellern traditionell in der gleichen Rechtsform betreiben. Mit den Stammhäusern „Früh am Dom“ inkl. Hotel, „Früh em Veedel“, dem „Em Golde Kappes“ in Nippes und zuletzt dem „Früh Em Jan von Werth“ ist diese Sparte erfreulich gewachsen und bietet auch noch weiteres Potenzial.

Sehen Sie für Kölsch noch Wachstumschancen – zum Beispiel in Düsseldorf?

Allgemein formuliert haben qualitativ hochwertige, regionale Produkte Konjunktur und Perspektiven in einer globalen Welt. So hat beispielsweise die Craft-Bier-Bewegung auch dem Kölsch-Markt gut getan. Bierspezialitäten wie Kölsch geraten dadurch überregional mehr in den Fokus.

Craft-Biere sind also insgesamt eine Bereicherung?

Ja, weil sie die Positionierung von Bier verbessert haben. Sie bringen zum Ausdruck, dass es Vielfalt gibt und nicht jedes Bier gleich schmeckt. Wirtschaftlich ist das nach unserer Einschätzung aber kein interessanter Markt. Nach den letzten Zahlen, die ich gelesen habe, soll der Absatzanteil von Craft-Bieren bei 0,19 Prozent liegen und bei 0,38 Prozent im Umsatz.

Wie wichtig ist Düsseldorf als Absatzmarkt für Kölsch? Anders als in Köln, wo man Alt nicht überall kriegt, scheint es dort ja eine feste Kölsch-Fanszene zu geben...

Das können wir bestätigen. Wir sind sicher, dass es mehr Kölsch-Trinker in Düsseldorf gibt als Alt-Trinker in Köln – da kennt man eigentlich niemanden (lacht). Wir Kölsch-Brauer haben es in den letzten Jahren geschafft, in der Region zwischen den beiden Städten das Altbier zu verdrängen, etwa in Langenfeld, Dormagen und Monheim. Auch im von Düsseldorf geprägten Neuss kann man Kölsch kaufen. Das alles sind für uns auch weiter Eroberungsmärkte.

Ihr Hauptwettbewerber sind aber doch die großen Fernsehbiere...

Richtig, das sind die sogenannten Fernseh-Brauer, vorwiegend aus dem Pilsbereich. Das hat auch etwas mit Preissensibilitäten zu tun. Es ist ja so, dass die bekannten Fernsehbiermarken seit vielen Jahren im Prinzip zu Konsumbiermarkenpreisen vermarktet werden. Jede Woche gibt es in beinahe jedem Markt für zehn Euro eine bekannte Marke. Diese aggressive Angebotsvermarktung bleibt für alle regionalen Marken und Spezialitäten eine Herausforderung.

Aber der Kölsch-Markt scheint ja dennoch zu funktionieren...

Gott sei Dank ist Kölsch mehr als nur ein gutes Bier. Kölsch ist Teil unserer Kultur, es ist Teil unserer rheinischen DNA. Man kann das besonders gut in der Gastronomie beobachten. Dort besteht eine gewisse Gleichpreisigkeit. Da kostet ein Glas Bier, ob Pils oder Kölsch, das gleiche – und schon haben wir einen Kölsch-Anteil von 90 Prozent. Dagegen ist der Absatzanteil im Einzelhandel von anderen Sorten als Kölsch merklich höher.

Wie wichtig ist Nachhaltigkeit?

Wir sind davon überzeugt. Es gibt zudem einen Trend zur Regionalität. Warum soll eine Flasche 2000 Kilometer gefahren werden? Wieso muss ich eine Weinflasche aus Australien kaufen, wenn es an der Mosel oder am Mittelrhein tolle Qualitäten gibt? Jeder von uns ist Verbraucher, jeder kann ohne Verzicht seinen Beitrag leisten. Eine Sache bereitet uns allerdings Sorgen.

Das könnte Sie auch interessieren:

Wir hatten in Köln immer die Situation, dass alle relevanten Hersteller die gleiche Flasche verwendet haben, die sogenannte braune Longneck-Flasche. Wenn beispielsweise im Kiosk oder im Supermarkt alle leeren Flaschen vom Personal in den nächsten Kasten geworfen werden, war das deshalb bislang kein Problem. Andere Sorten haben schon seit Jahren ihre individuellen Flaschen. Sogar Individualflaschen, bei denen die Marke auf der Flasche steht. Eine große Katastrophe, macht sich kein Mensch Gedanken drüber.

Warum Katastrophe?

Diese Flaschen landen auch in den Kästen der anderen, die können sie nicht gebrauchen. Das erzeugt gewaltige Transportprozesse. Das bringt die Mehrweggeschichte in Gefahr. Und jetzt hat sich auch eine Kölsch-Brauerei entschieden, Individualprägeflaschen zu nutzen. Das ist in meinen Augen ein Rückschlag.