AboAbonnieren

Galeria wird nach Insolvenz gerettetGläubiger müssen auf mehr als eine Milliarde Euro verzichten

Lesezeit 5 Minuten
Zwei Frauen stehen mit einem Kinderwagen vor der geschlossenen Tür des Galeria-Warenhauses in Leverkusen.

Die Galeria-Filiale in Leverkusen schließt.

Die Gläubigerversammlung stimmt dem Rettungsplan zu. Rund 680 Millionen Euro bekam Galeria Karstadt Kaufhof vom Bund. Der Großteil ist jetzt verloren.

Deutschlands letzte große Warenhauskette Galeria Karstadt Kaufhof (GKK) kann vorerst weiter machen. Die Gläubigerversammlung des insolventen Konzerns stimmte am Montag dem in den vergangenen Monaten vom Sanierungsexperten Arndt Geiwitz und der Unternehmensführung erarbeiteten Insolvenzplan zur Rettung des Traditionsunternehmens zu, wie Galeria mitteilte. „Der Sanierungsplan und damit das Konzept vom Warenhaus der Zukunft geben Galeria Karstadt Kaufhof beste Chancen für eine Rückkehr in die Erfolgsspur“, sagte Geiwitz. Entscheidend sei nun, dass das Konzept vom Management und den Eigentümern zügig und konsequent umgesetzt werde.

„Es war sehr wahrscheinlich, dass die Gläubigerversammlung dem Plan zustimmen wird“, sagt Nils Meißner, Fachanwalt für Insolvenz- und Sanierungsrecht bei der renommierten Kölner Kanzlei Görg, die auf Insolvenzrecht spezialisiert ist. Denn im Falle einer Schließung würden sich die Gläubiger noch schlechter stellen.

Der Sachwalter Frank Kebekus betonte, dass eine Ablehnung des Insolvenzplans katastrophale Folgen für den Konzern gehabt hätte. Dann wäre nach seinen Worten die Schließung aller Filialen und die Kündigung aller Mitarbeitenden unvermeidlich gewesen. Für die Gläubiger bedeutet der Schritt allerdings den Verzicht auf einen Großteil des Geldes, das ihnen der Warenhauskonzern noch schuldet. Insgesamt müssen die Lieferanten, Vermieter und sonstigen Gläubiger Medienberichten zufolge auf mehr als eine Milliarde Euro verzichten.

4000 Menschen verlieren ihre Jobs

Für mehr als 4000 der zuletzt noch rund 17.000 Mitarbeiter bedeutet die geplante Schließung von 47 Filialen den Verlust ihres Arbeitsplatzes. Der Stellenabbau trifft nicht nur die Schließungsfilialen, sondern auch die Konzernzentrale in Essen und die verbleibenden Warenhäuser. Denn viele von ihnen sollen verkleinert werden. Am Rande des Gläubigertreffens demonstrierten rund 20 Galeria-Betriebsräte aus ganz Deutschland gegen weitere Opfer der Beschäftigten.

Galeria-Insolvenz: Hoher Ausfall von Forderungen

Gläubiger, die sich keine Sicherheiten geben ließen, sollen dem Vernehmen nach laut Insolvenzplan wohl nur zwei bis 3,5 Prozent der ihnen geschuldeten Summe bekommen. Gläubiger mit Sicherheiten müssen auf etwas weniger verzichten. „Diese Quote, die in den Medien bislang genannt wird, ist sehr gering, aber nicht untypisch im Vergleich zu anderen Verfahren“, erklärt Meißner.

Insolvenzanwalt Nils Meißner arbeitet für die Kölner Kanzlei Görg

Nils Meißner, Fachanwalt für Insolvenzrecht, arbeitet für die Kölner Kanzlei Görg

Rückblick: Es ist nun schon das zweite Mal innerhalb von weniger als zwei Jahren, dass der aus dem Zusammenschluss von Karstadt und Kaufhof entstandene Warenhauskonzern den Weg zum Insolvenzgericht antreten musste.

Während des ersten Corona-Lockdowns im April 2020 hatte das Unternehmen schon einmal Rettung in einem Schutzschirmverfahren suchen müssen. Die Folge waren harte Einschnitte: Rund 40 Filialen wurden geschlossen, 4000 Stellen abgebaut und auf mehr als zwei Milliarden Euro Schulden mussten die Gläubiger damals verzichten.

Und die Hoffnung auf einen Neuanfang erfüllte sich nicht. Anfang 2021 und Anfang 2022 musste Galeria auch in Folge der Corona-Pandemie den Staat um Hilfe bitten. Nicht nur bei Handelsexperten, sondern auch in der Politik gab es schon damals erhebliche Zweifel daran, den dauerkriselnden Konzern mit Millionenhilfen zu stützen.

680 Millionen Euro Hilfe vom Bund

Galeria-Chef Miguel Müllenbach beteuerte damals: „Der Steuerzahler hat durch diesen Kredit weder ein Risiko noch einen Nachteil“. GKK werde das Darlehen mit Zinsen zurückzahlen. Der staatliche Wirtschaftsstabilisierungsfonds (WSF) sprang schließlich mit einem sogenannten Nachrangdarlehen von 480 Millionen Euro ein. Zu groß war die Sorge, dass Galeria mit damals noch 131 Standorten und mehr als 20.000 Beschäftigten schlimmstenfalls schließen müsste.

Aber das Geld reichte nicht lange. Wenige Monate nach der ersten Kapitalspritze bat Müllenbach in Berlin um eine zweite. Es flossen weit mehr als 200 Millionen Euro an Galeria, von denen aber 30 Millionen gleich als Schuldentilgung an den Staat zurückgezahlt wurden. Der Restbetrag wurde in eine stille Einlage des Staates umgewandelt.

„Der WSF fungierte in der Corona-Pandemie als ‚letzter Rettungsanker’ bzw. als ‚letzter Kapitalgeber’. Er kam nur dann zum Einsatz, wenn keine alternativen Finanzierungsmöglichkeiten bestanden und kein anderes Hilfsprogramm zur Verfügung stand“, schreibt das Bundesfinanzministerium auf Anfrage des „Kölner Stadt-Anzeiger“. Viele weitere Fragen blieben dagegen unbeantwortet.

Der Staat ist der größte Schuldner

„Der Staat ist damit größter Einzelgläubiger von Galeria. Ein Vertreter des WSF ist deshalb auch Mitglied im Gläubigerausschuss und hat detaillierte Einsicht in alle Vorgänge“, sagt Insolvenzanwalt Meißner.

Immerhin, der Bund ließ sich Sicherheiten geben, dem Vernehmen nach etwa Markenrechte und einen Teil des Warenbestands. Zum Paket gehören soll auch die belgische Kaufhaus-Tochter Inno mit 16 Standorten. „Hier liegt ein Verkauf nahe, der Erlös würde dann an den Staat fließen“, sagt Meißner. Laut Medienberichten erhofft sich Galeria einen Verkaufspreis im hohen zweistelligen Millionenbereich – wenn sich denn zeitnah ein Käufer findet.

„Die Sanierung geschieht dadurch, dass die Gläubiger auf einen mehr oder weniger großen Teil ihrer Forderungen verzichten. Stellt man die Forderungen des Bundes und die voraussichtliche Quote gegenüber, ist damit zu rechnen, dass der Bund wohl auf einen Betrag von bis zu 500 und 600 Millionen Euro verzichten muss, sagt Nils Meißner.“

47 Niederlassungen sollen schließen

Laut Insolvenzplan werden nun 47 Häuser bundesweit schließen. Mindestens vier Standorte davon will die Modekette Aachener nach eigenen Angaben übernehmen. 82 Häuser werden von Galeria fortgeführt.

In der Region trifft es den Standort Siegburg, der nach fast 50 Jahren geschlossen wird. Rund 80 Beschäftigte verlieren hier ihre Jobs. Auch Leverkusen fällt dem Rotstift zum Opfer. Besser sieht es dagegen in Köln aus. Die Häuser auf der Hohe Straße sowie der Breite Straße bleiben erhalten. Auch der kleine Kaufhof in Nippes steht nicht auf der Liste. Den Niederrhein trifft es ebenfalls härter als Köln, so schließen die Galerias in Neuss, Krefeld, Mönchengladbach und der an der Düsseldorfer Schadowstraße.

Und wenn nun ein neuer Start nicht gelingt? Wird es eine weitere Insolvenz in dieser Form geben? „Ich gehe davon aus, dass das jedenfalls sehr schwierig würde“, sagt Insolvenzanwalt Meißner und fügt an: „Wenn ein Unternehmen zum dritten Mal hintereinander in die Insolvenz geht, wird man die Frage stellen müssen, ob das Geschäftsmodell an sich noch zukunftsfähig ist.“ (mit dpa)