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Wohnungsmarkt„Klassische Familien werden sich Köln nicht mehr leisten können“

Lesezeit 4 Minuten

Erleuchtete Hochhäuser im Stadtteil Chorweiler

  1. Werner Nußbaum, 62, ist seit 2012 geschäftsführendes Vorstandsmitglied der gemeinnützigen Wohnungsbaugenossenschaft „Die Ehrenfelder“.
  2. Im Interview spricht er über den angespannten Wohnungsmarkt und was notwendig wäre, um ihn zu entlasten.
  3. Ein Best-OF-Interview aus unserem Archiv.

Herr Nußbaum, Sie sind Chef einer Kölner Wohnungsgenossenschaft. Wenn Sie auf die Stadt blicken, was sehen Sie dann?Nußbaum: Wir sehen viel Dynamik beim Wohnungsbau und viele verschiedene Player auf dem Markt. Mit Sorge aber beobachten wir, dass die Bemühungen dieser Player wahrscheinlich nicht ausreichen werden, um die Nachfrage an Wohnraum in dieser angespannten Lage auf einem erträglichen preislichen Niveau zu befriedigen. Die Mehrheit sind private Bauträger, die vor allem aus wirtschaftlichen Gründen angetreten sind, und eben nicht, um preiswerten Wohnraum zu schaffen. Die Konsequenz wird sein, dass die Preise immer weiter steigen.

Was können Sie als Genossenschaft tun, um diesen Trend aufzuhalten?

Auch für uns wird die Lage zunehmend schwierig. Wir haben das Problem, dass wir bei der Grundstücksbeschaffung mit den privaten Investoren konkurrieren müssen. Das führt dazu, dass kaum noch Grundstücke zu bekommen sind, die uns erlauben würden, einen günstigen Mietpreis weiterzugeben. Wer schon für das Grundstück Fantasiepreise bezahlen muss, kann am Ende keine bezahlbaren Mieten anbieten. Es kann letztlich nur so funktionieren, dass Unternehmen wie wir bei der Beschaffung einen Vorteil bekommen. Ein weiterer Punkt, mit dem wir zu kämpfen haben, sind die immer schwieriger werdenden Rahmenbedingungen beim Bauen. Es gibt immer mehr Vorschriften und Anforderungen. Das macht das Ganze auch nicht gerade günstiger. Hier würden wir uns weniger Bürokratie und schnellere Entscheidungen wünschen.

Portrait Werner Nußbaum

Werner Nußbaum

Sind die Genossenschaften überhaupt noch in der Lage, ein Gegenwicht zu den Privatinvestoren zu bilden?

Wir sehen uns als Ehrenfelder in der Verantwortung, zumindest was unser Viertel Ehrenfeld angeht, wo 3000 unserer insgesamt 4200 Wohnungen liegen, einen Ausgleich zu den renditegetriebenen Bauträgern herzustellen. Aber es gibt Grenzen. Genossenschaften können und wollen nicht an Großprojekten wie beispielsweise dem Deutzer Hafen mitwirken. Laut Satzung sind wir verpflichtet, uns im Namen unserer Mitgliederförderung um günstigen Wohnraum zu kümmern. In einen überhitzten Bieterwettbewerb einzutreten, würde dem widersprechen. Das ist auch ein Grund, weshalb wir schon lange nichts mehr dazu gekauft haben, sondern vielmehr versuchen, unseren Bestand weiterzuentwickeln.

Wie etwa mit den Ossendorfer Gartenhöfen?

Richtig. Die Häuser dort waren schon sehr alt, also haben wir sie abgebrochen und bauen jetzt neu. Wenn die Baumaßnahme abgeschlossen ist, werden wir mit 30.000 Quadratmetern doppelt so viel Wohnfläche haben wie vorher. Es entstehen auf einen Schlag 435 Wohnungen. Das hat es in den letzten 40 Jahren von einer Genossenschaft meines Wissens nicht mehr gegeben. Aber das reicht natürlich bei Weitem nicht, um eine Situation in den Griff zu bekommen, die sich durch die Corona-Krise noch einmal verschärft hat.

Inwiefern?

Durch das Homeoffice ist der Raumbedarf noch einmal gestiegen. Es gibt immer mehr Paare ohne Kinder, die 4-Zimmer-Wohnungen suchen, weil jeder von ihnen ein eigenes Arbeitszimmer benötigt. Damit konkurrieren sie mit Familien, die die Zimmer ausschließlich für ihre Kinder brauchen. Es kommt zu einer Art Verdrängung. Die klassische Familie wird sich – wenn die Eltern nicht gerade Top-Jobs haben – Köln nicht mehr leisten können und abwandern.

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Um dem ungehemmten Preisanstieg etwas entgegenzusetzen, hat die Stadt das Kooperative Baulandmodell eingeführt. Investoren verpflichten sich, bei großen Projekten 30 Prozent des Wohnraums im öffentlich geförderten Segment zu errichten. Was halten Sie davon?

Grundsätzlich ist das ein guter Ansatz. Aber in der Umsetzung werden diese Mietwohnungen zumindest von den Bauträgern oft an viel befahrene Straßen gebaut als Lärmriegel für die Eigentumswohnungen, die dahinterstehen und zu Höchstpreisen auf den Markt kommen. Das ist kein Scherz, sondern gang und gäbe.

Was erwarten Sie von der Stadt Köln?

Es gibt das Wohnungsbauforum, in dem unter anderem der Mieterverein, private Bauträger, bestandshaltende Gesellschaften und Genossenschaften sitzen. Aber auch die Verwaltung der Stadt Köln, der wir unseren Standpunkt deutlich gemacht haben: Wenn weiter bezahlbarer Wohnraum in Köln entstehen soll, dann sollte die Stadt genau hinschauen, wer die richtigen Partner sind und mit wem man in den Vierteln eine gesunde soziale Mischung hinbekommt. Aber leider will die Stadt bisher nicht von ihrem Prinzip abrücken, Grundstücke an den Höchstbietenden zu verkaufen. Das sollte man überdenken.

Finden Sie denn Gehör?

Sagen wir so: Es ist ein dickes Brett, das wir bohren müssen.