Nach einem Ultimatum von Elon Musk verliert Twitter immer mehr Mitarbeiter. Anonyme Quellen fürchten den Zusammenbruch des Netzwerks – der Chef macht derweil weiter Späßchen.
#RIPTwitter im TrendBricht Twitter zusammen? Elon Musk laufen die Mitarbeiter davon – Büros geschlossen
Nach dem „Hardcore“-Ultimatum des neuen Twitter-Chefs Elon Musk hat sich der Exodus von Beschäftigten des Internetdiensts fortgesetzt. Nach US-Medienberichten entschieden sich mehrere hundert Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, das Unternehmen zu verlassen, nachdem sie von Musk aufgefordert worden waren, sich zu extremem Arbeitseifer zu verpflichten – oder gefeuert zu werden.
„Es sieht so aus, als hätten sich etwa 75 Prozent der verbleibenden etwa 3.700 Twitter-Mitarbeiter nach der ‚Hardcore‘-E-Mail nicht für einen Verbleib entschieden“, berichtet die US-Journalistin Kylie Robinson. Ob der Betrieb des Kurznachrichtendienstes unter diesen Umständen gewährleistet werden kann, gilt als offen.
Nach Ultimatum von Elon Musk: Immer mehr Mitarbeiter verlassen Twitter
Laut einer anonymen Quelle kommt es seit der Nacht auf Freitag zu einer Verlangsamung der Twitter-App, die von Mitarbeitern verwendet wird. Die Quelle, die aus Angst vor Repressalien nicht genannt werden möchte, erklärte gegenüber dem „Guardian“, dass Twitter bald zusammenbrechen könnte. „Wenn es dazu kommt, gibt es in vielen Bereichen niemanden mehr, der die Dinge reparieren kann“, hieß es weiter.
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Tatsächlich melden Webseiten wie „DownDetector“ einen Anstieg von Störungen bei Twitter. Im Laufe des Freitags nahm dieser jedoch wieder ab – was allerdings auch daran liegen könnte, dass viele US-Nutzer doch den Gang ins Bett nach amerikanischer Zeit vorzogen. Dafür spricht, dass zeitgleich die Meldungen auf dem deutschen Portal „allestörungen.de“ am Freitagvormittag zunahmen. „Nutzerberichte deuten auf mögliche Probleme bei Twitter hin“, meldete die Website.
Die Nachricht, dass Twitter alle Bürogebäude geschlossen hat und den Mitarbeitern den Zugang mit ihren Codekarten verweigert, ließ Befürchtungen über ein Ende des Kurznachrichtendienstes am Freitag zudem weiterwachsen. Zuvor hatte die „New York Times“ über die Maßnahme berichtet. Es seien keine Gründe für den Schritt genannt worden. Bis Montag soll demnach allen Mitarbeitern der Zugang zu den Büros verwehrt sein.
Elon Musk sorgt für Chaos: „TwitterDown“ und „RIPTwitter“ trenden am Freitag weltweit
Die Twitter-Nutzer reagierten auf die aktuellen Entwicklungen. Die Hashtags „TwitterDown“ und „RIPTwitter“ waren am Freitag ebenso unter den Toptrends des sozialen Netzwerkes wie die Formulierung „Ende von Twitter“. Viele Nutzer blickten in Beiträgen auf ihre persönliche Twitter-Geschichte zurück und informierten ihre Follower über weitere Optionen, wie man ihnen folgen könne, sollte Twitter nach dem Wochenende nicht mehr existieren.
Twitter wäre aber nicht Twitter, wenn die Lage nicht auch Späße und Memes hervorgebracht hätte – es kursierten am Freitag diverse Beiträge und Bilder, in denen sich über Twitter-Chef Elon Musk und sein Vorgehen beim Kurznachrichtendienst lustig gemacht wurde.
Unterdessen bekundeten immer mehr Twitter-Mitarbeiter ihren Abschied von der Firma. Zuvor hatte Musk laut der „New York Times“ ein Team dazu abgestellt, kritische Mitarbeiter zu finden und ihm über die Betroffenen zu berichten. Es seien dabei sowohl Slack-Channels als auch Tweets überprüft worden.
Zuletzt hatte Musk einige Angestellte entlassen, die zuvor Kritik geübt hatten. Für Twitter-Verhältnisse ist das neu: Unter Gründer Jack Dorsey waren kritische Meinungen innerhalb der Firma noch erlaubt.
„Es war eine wilde Fahrt“: Mitarbeiter verabschieden sich öffentlich von Twitter
„Ich bin vielleicht außergewöhnlich, aber verdammt – ich bin ganz einfach nicht hardcore“ schrieb zum Beispiel die Twitter-Angestellte Andrea Horst. Sie spielte damit auf Musks Ankündigung an, wonach das Unternehmen „extrem hardcore“ sein müsse, um im Wettbewerb zu bestehen. Sie fügte den hashtag #lovewhereyouworked (etwa: Liebe den Ort, an dem Du gearbeitet hast) hinzu, wie es auch viele andere Beschäftigte taten.
Ihr fehlten die Worte, um auszudrücken, wie dankbar sie dafür sei, dass sie bei Twitter den „Job meiner Träume“ hatte, schrieb eine weitere scheidende leitende Angestellte, Deanna Hines-Glasgow, am Donnerstag. „Es war eine wilde Fahrt.“
Elon Musk hatte Mitarbeitern Ultimatum gestellt – viele lehnten ab
Musk hatte am Mittwoch in einem Memo an seine Angestellten geschrieben, die Mitarbeiter sollten sich auf „lange Arbeitstage mit hoher Intensität“ einstellen. „Nur außergewöhnliche Leistung wird als ausreichend bewertet.“ Den Mitarbeitern setzte er eine Frist bis Donnerstagnachmittag (Ortszeit), online ein entsprechendes Arbeitsbekenntnis abzulegen. Wer das nicht tue, werde mit drei Monaten Gehalt als Abfindung entlassen.
Nach Ablauf des Ultimatums dann setzte Musk auf Twitter eine Totenkopfflagge ab. Er postete auch ein Bild davon, wie ein Mann mit einem blauen Twitter-Logo vor dem Kopf an einem Grab hockt, auf dessen Grabstein ebenfalls ein Twitter-Logo prangt – so als würde Twitter an der eigenen Beerdigung teilnehmen.
Am Freitag setzte der Milliardär seinen Kurs fort. „Rekordzahlen von Nutzern melden sich an, um zu sehen, ob Twitter tot ist, was es ironischerweise lebendiger macht als je zuvor“, schrieb Musk in einer Antwort auf einen Tweet.
Elon Musk: „Rekordzahlen von Nutzern melden sich an“
Auf einen Tweet des britischen TV-Moderators Piers Morgan antwortet der CEO mit „Ernsthaft“ – Morgan hatte zuvor „all die Leute, die über den ‚Tod von Twitter‘ weinen“ aufgefordert, den Kurznachrichtendienst zu verlassen.
Musk hatte Twitter Ende Oktober für 44 Milliarden Dollar (rund 43 Milliarden Euro) übernommen und umgehend die Chef-Etage gefeuert. Eine Woche später entließ er rund die Hälfte der 7500 Angestellten. Der von Musk vorangetriebene Umbau des Kurzbotschaftendienstes verläuft äußerst chaotisch. Erst am Dienstag verschob der reichste Mensch der Welt das neue Abo-Modell mit dem blauen Verifizierungssymbol auf Ende November. Er reagierte damit auf eine Flut von gefälschten Profilen auf Twitter.
Mehrere große Konzerne haben wegen Bedenken über die Entwicklung von Twitter inzwischen ihre Werbung in dem Netzwerk ausgesetzt. Die Vizepräsidentin der EU-Kommission, Vera Jourova, kritisierte Musk und warnte vor einem „digitalen wilden Westen“.
Musk habe „sehr erfahrene Mitarbeiter gefeuert, die über Jahre der Beratungen verstanden haben, was wir in Europa wollen“. Sie fügte hinzu: „Wir wollen soziale Medien, die den Menschen dienen und keine schädlichen Inhalte verbreiten.“ (mit afp)