Interview mit Kölner Agco-Manager„In der Landwirtschaft ist der Diesel alternativlos“
- Martin Richenhagen wurde 1952 in Köln geboren – inzwischen leitet er den drittgrößten Landmaschinenhersteller der Welt.
- Seine Absage an Elektro-Landmaschinen fällt sehr deutlich aus.
- Der Manager verrät, ob er Trump bei der vergangenen US-Wahl unterstützt hat.
Köln – Martin Richenhagen ist gebürtiger Köln und arbeitete zunächst als Religionslehrer, bevor er Betriebswirtschaftslehre studierte. Seit 2004 ist er Chef des US-Konzerns AGCO, dem drittgrößten Landmaschinenhersteller der Welt. Im Interview spricht er über Glyphosat, die Digitalisierung der Landwirtschaft, Elektromobilität, Donald Trump und den Brexit.
Herr Richenhagen, die Weltbevölkerung wächst und muss ernährt werden. Welche Möglichkeiten der Produktionssteigerung gibt es noch in der Landwirtschaft?
Es gibt noch überall Ressourcen dafür, besonders technologischer Art. So bauen wir heute Spritzen, die Herbizide nur noch gezielt auf die Pflanzen sprühen, und nicht wild in die Luft, wobei sich die Fahrer oft selbst mehr vergiften als die Unkräuter. Was die landwirtschaftlichen Flächen angeht, gibt es noch Potenzial in Südamerika, in Nordamerika kann man die Landwirtschaft intensivieren. Und auch in Afrika gibt es Flächen, und gerade da ist der Bedarf ja besonders hoch.
Manche sagen, sollte das Total-Herbizid Glyphosat verboten werden, müssten Traktoren viel häufiger auf dem Feld eingesetzt werden, um Unkraut mechanisch zu bekämpfen. Profitieren Sie dann, weil sie mehr Trecker verkaufen können?
Ganz platt betrachtet ja, dann gäbe es mehr Überfahrten über die Felder, was mehr Fahrzeuge erforderte. Ich glaube aber nicht an ein Verbot von Glyphosat. Die Diskussion darüber ist meines Erachtens sehr deutsch. Wir sollten in Ruhe abwarten.
Wie wirkt sich die Digitalisierung auf ihr Geschäftsmodell aus?
Da gibt es zwei Ebenen. Zum einen wird die Produktion digitalisiert. Dieselmotoren etwa werden heute komplett von Robotern zusammengebaut. Bei Fendt kommen in der Produktion kleine Elektrowägelchen zum Einsatz, die sehen aus wie Servierwagen und bringen alle Teile an ihren Platz. Da können wir von BMW und Porsche lernen und die von uns. Das ist kein Problem, wir sind ja keine Konkurrenten.
Und wie spürt man die Digitalisierung in Ihrem Kundenmarkt?
Alle Autobauer reden über das autonome Fahren. Unsere Landmaschine fahren heute schon autonom, der „Fahrer“ kontrolliert auf dem Feld nur noch das Funktionieren aller Gerätschaften. Computer und GPS optimieren das Wenden. Der Landwirt sitzt in der voll klimatisierten Kabine.
Inzwischen gibt es Roboter fürs Rasenmähen und zum Staubsaugen. Warum gibt es sowas in der Landwirtschaft nicht?
Wir haben schon vor Jahren begonnen, an so etwas zu arbeiten. Kleine Geräte, die im Schwarm wie die Ameisen auf dem Feld arbeiten, etwa zum Aussäen. Unser Prototyp Xaver schafft es heute schon, eine Fläche von eineinhalb Hektar zu säen. Doch es ist wie beim Staubsaug-Roboter: Wir müssen noch die Akzeptanz erzeugen.
Brauchen Sie dafür das Breitbandnetz 5G?
Es funktioniert auch heute schon mit 4G. Aber mit 5G wäre es um Längen präziser. Insofern ist die Aussage von Bildungsministerin Anja Karliczek, 5G könne es nicht an jeder Milchkanne geben, totaler Quatsch. Gerade auf dem Land brauchen wir Breitband für den effizienten Einsatz unserer Maschinen. Aber Deutschland ist ja schon mit dem 4G-Netz schlecht aufgestellt. Es gibt Länder Afrikas, die weniger Funklöcher haben als die Bundesrepublik.
Der Diesel ist in Deutschland in Verruf geraten. Sie aber produzieren ausschließlich Diesel. Liegt darin noch die Zukunft?
Wir arbeiten an einem Elektroschlepper. 60 Prototypen sind fertig. Aber machen wir uns nichts vor: Das sind Fahrzeuge für Arbeiten auf dem Hof oder im Stall. Da hat Elektro Vorteile, kein Abgas, kein Lärm, der die Tiere stört. Auch kommunale Unternehmen haben Interesse, etwa an Kehrmaschinen oder Fahrzeugen zum Schneeräumen. Das sind Nischen. Für harte Feldarbeit ist elektro ungeeignet.
Aber was sind die Alternativen bei Traktoren und Mähdreschern zum Diesel?
Es gibt keine Alternative zum Diesel. Vielleicht Dampfmaschinen (lacht). Aber im Ernst. Rein physikalisch geht das nicht. Angesichts des Kraftaufwandes, etwa beim Pflügen, zur Fahrt werden über die Zapfwelle auch noch Maschinen angetrieben. Der Traktor müsste mehrere tonnenschwere Anhänger voller Batterien übers Feld ziehen. Das würde auch noch den Boden verdichten. Wir könnten ja wie bei der Bahn über jeden Acker Oberleitungen spannen, dann würde es gehen (lacht). Nochmal: In der Landwirtschaft ist der Diesel alternativlos, und wird es bleiben. Denken Sie an Mähdrescher, die mähen, dreschen, sortieren, fahren, reinigen und verladen gleichzeitig, rollende Fabriken mit enormem Kraftbedarf. Manche Sachen gehen akku-elektrisch nicht, es gibt auch keine strombetriebenen Dampfwalzen.
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Ihre Branche durchläuft eine Konsolidierung. Ist die Positionierung einer Marke noch möglich?
Unser Wettbewerber John Deere setzt auf eine einzige Marke für alles. Wir differenzieren. Massey Fergusson ist so etwas wie der Volkswagen unter den Landmaschinen. Unsere deutsche Marke Fendt ist so etwas wie Porsche, und unsere Marke Valtra ist aus Skandinavien und vor allem für Waldbauern geeignet, mit Bügel gegen herabfallende Bäume und etlichen Sonderwünschen der Kunden. Da gibt es Trecker in Metallicfarbe, mit Hirschfängern und Edelstahlauspuff, und im Fahrerhaus Ledersitze.
Sie leben als Deutscher mit amerikanischem Pass in den USA und leiten das US-deutsche Landmaschinenunternehmen AGCO. Sind Sie in Sorge über die zunehmenden Spannungen zwischen den USA und dem Iran?
Viele Republikaner sind der Meinung, die USA müssten militärisch eingreifen. Bislang war Präsident Trump bei so etwas ja eher vorsichtig. Ich hoffe, er lässt sich nicht verleiten. Die Versuchung, loszuschlagen ist angesichts des bevorstehenden Wahlkampfes groß. Säbelrasseln kann die Amerikaner solidarisieren.
Wie ist die Stimmung unter Trump?
Den Unternehmen geht es gut, auch eine Ursache dafür ist Trumps Steuerreform. Allerdings wünscht sich die Wirtschaft stets Planungssicherheit, und bei dem Thema ist es schwierig. Die Firmen brauchen ja freie Märkte für ihre Lieferströme. Dass diese eingeschränkt werden, sehen viele heute skeptisch.
Wie reagieren Ihre Kunden, die US-Farmer darauf?
Die Farmer waren 2016 die Stammwähler von Trump, bei denen hat er inzwischen viel Zustimmung verloren. Die Landwirte leiden unter Trumps Sanktionen gegen China. Diese betreffen Soja, Mais oder Schweinefleisch. Die Einkommen der Farmer sind im Zuge dessen gesunken, nur massive Sanktionen können verhindern, dass sie sich nicht noch stärker von ihm abwenden. Die Farmer spüren die Sanktionen teils massiv.
Wird Trump wiedergewählt?
Das ist völlig offen. In Städten wie Los Angeles und New York hatte er noch nie nennenswert viele Anhänger. Das Problem ist eher, das der mögliche demokratische Gegenkandidat Joe Biden schwach ist. Er ist schon 75 und wird wegen vieler zweideutiger und oft spaßiger Äußerungen von vielen nicht ernst genommen.
Wem haben Sie bei den letzten US-Präsidentenwahlen Ihre Stimme gegeben?
Was viele nicht wissen: Wenn man keinen der auf dem Wahlzettel stehenden Kandidaten wählen möchte, kann man selbst jemanden Dritten vorschlagen. Das habe ich gemacht. Im Übrigen bin ich auf diesem Wege auch selbst von einigen vorgeschlagen worden. Dabei kann ich als nicht in den USA geborener Amerikaner ja gar nicht Präsident werden.
Spüren Sie auch im eigenen Unternehmen die Auswirkungen des Handelskrieges zwischen China und den USA?
Wir haben in China ein großes Werk errichtet und 400 Millionen Dollar investiert. Dort bauen wir kleine Schlepper bis 120 PS. Durch den neuen Schutzzoll in Höhe von 25 Prozent können wir nun keine dieser Traktoren mehr in die USA importieren. Wir gleichen das aus, indem wir die gleichen Massey-Fergusson-Modelle auch in unserem Werk in Brasilien fertigen, und einfach diese in den USA verkaufen. Auch wegen der Schutzzölle wird es dieses Jahr in den USA in unserem Markt nur Stagnation geben, kein Wachstum. Deshalb versuchen wir, unseren Marktanteil auszubauen, nicht durch Preiswettbewerb, sondern durch Technologien, auch mit Fahrzeugen unserer deutschen Marke Fendt aus Marktoberdorf. Auf deutsche Schlepper gibt es ja noch keine Schutzzölle.
Ein anderer Brandherd ist der Brexit. Sie kaufen Felgen für den deutschen Markt in Großbritannien, gibt es Probleme?
Wir beziehen Räder bei GKN in England. Wir waren in Sorge, dass es insbesondere bei einem harten Brexit Lieferengpässe gibt. Entsprechend haben wir unsere Lagermengen deutlich erhöht, auch wenn das Geld kostet. Bei der Debatte um den Brexit rufe ich aber immer dazu auf, nicht in Panik zu verfallen. Vor dem Jahr 2000 waren alle hysterisch, weil sie dachten, alle Computer fielen aus. Ich habe damals schon beschlossen, nichts zu tun, weil, wenn es Probleme gegeben hätte, das irgendwie gelöst werden könnte. Und was ist passiert? Nichts. Ich hoffe, dass das auch mit den Folgen des Brexit so kommt. Im Übrigen habe ich viele britische Geschäftsfreunde, die glauben, dass UK am Ende überhaupt nicht austreten wird.
Was bedeuten diese Wirren für Firmen in Großbritannien?
Wir haben schon vor dem Theater mit dem Brexit unsere Traktoren-Produktion von Großbritannien nach Italien und Frankreich verlegt, wir waren mit vielen anderen Fahrzeugbauern in Coventry, heute sind alle weg. Die Briten unterschätzen noch, wie sehr der Brexit sie selbst treffen wird. Ich glaube, Neuwahlen, die den Brexit zum Wahlkampfthema gemacht hätten, wären besser als ein Premierminister Boris Johnson. Ich bin überzeugter Europäer, es wäre schade, wenn die Briten wirklich gingen. Ich war auch immer dafür, die Schweizer in die EU zu holen, und die Briten und Skandinavier in den Euroraum.