Pro und ContraSollen Kleingärten für Wohnraum weichen?
- Jede Woche stellt sich unserer Redaktion einer Streitfrage. Diesmal: Sollen Kleingärten für Wohnraum weichen?
- Gärtnern ist erholsam und sinnvoll – Wohnen aber ist lebensnotwendig, sagt Thorsten Breitkopf, Leiter der Wirtschaftsredaktion.
- Kleingärten bereichern die Stadt. Sie sind ein Beitrag zum besseren Stadtklima, sagt Helmut Frangenberg, Redakteur in der Kölner Lokalredaktion.
Pro: Gärtnern ist erholsam und sinnvoll – Wohnen aber ist lebensnotwendigKleingärten sind eine tolle Sache. Menschen in der Großstadt erhalten einen Zugang zur Natur. Sie können dort ganz ökologisch und angesichts der harten Gartenarbeit auch sportlich auf der gepachteten Scholle frisches Gemüse oder Obst anbauen. Viele Kleingärten sind ein Idyll. Für viele ist der Reiz des Kleingartens, dass er oft mitten in der Großstadt liegt. Reizvoll ist zum einen der Kontrast zum nahen urbanen Leben. Kleingärten liegen oft an Bahntrassen oder Gewerbe. Zum anderen ist die Nähe zur Stadt für die Gartenkolonisten eine sehr bequeme Sache, sind sie doch egal mit welchem Verkehrsmittel schnell an ihrer Laube.
Und zu schreiben, dass diese durch Bagger weichen sollen, ist sicherlich bei den Pächtern der Schrebergärten mehr als unpopulär. Der Trend „Zurück zur Natur“ ist gerade in Zeiten von Klimawandel und grüner Ideale in allen Schichten ein mächtiger.
Doch gilt es hier abzuwägen. Abzuwägen zwischen dem Grundbedürfnis, mitten in der teuren, ja für viele unerschwinglichen Stadt Köln auf recht großer Fläche Unkraut zu jäten und Möhren zu züchten. Und dem Grundbedürfnis von zehntausenden Menschen, an der prosperierenden Stadt Köln ebenfalls teilzuhaben. Und da muss ich sagen: Das Verlangen von Menschen mit geringem Einkommen – vielleicht Feuerwehrleuten, Krankenhauspersonal, Beschäftigten in der Gastronomie, auch in der Großstadt wohnen zu wollen, wiegt schwerer als die Lust am Gärtnern. Dort, wo Tomaten sprießen, könnten Menschen leben. Für Luxuswohnungen und Grundstücksspekulation darf sicher kein Meter Garten weichen. Das muss die Stadt vorher rechtlich sicherstellen.
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Wenn aber durch die Bebauung eines Kleingartens erstens Wohnraum für untere und mittlere Schichten entsteht und zweitens gleichzeitig durch viele neue Wohnungen der Preisdruck auf dem gesamten Mietmarkt sinkt, muss die Abwägung grundsätzlich gegen Kleingärten in der Großstadt ausfallen.
Ist es berufstätigen Pendlern täglich zuzumuten, eine Stunde und mehr im Auto zu verbringen, damit einige wenige vielleicht ein-, zweimal pro Woche binnen Minuten in ihrem grünen Idyll namens Schrebergarten sein können? Also Zeit sparen für die Erholungssuchenden auf Kosten der Menschen, die sich Köln nicht leisten können? Nein, das ist ungerecht.
Diese Debatte soll aber nicht bedeuten, dass es keine Schrebergärten geben sollte. Im Gegenteil. Die Frage ist nur: wo. Muss es ausgerechnet Köln sein – mit seinem äußersten Mangel an Raum? Sicherlich nicht. Schrebergärtner fahren nicht täglich Sommer wie Winter in ihre Laube, sondern am Wochenende, im Sommer oft, im Winter gar nicht. Das spricht dafür, diesen im grünen Kölner Umland eine Alternative zu bieten. In der Eifel, dem Bergischem Land und anderen eher ländlichen Regionen fallen heute schon die Grundstückspreise. Der Staat zahlt Bauern Prämien, damit sie ihre Felder brachliegen lassen. Warum nicht dort neue Kleingärten ansiedeln? Die wöchentliche Fahrt ins Umland ist Freizeitgärtnern eher zuzumuten als den Pendelnden die tägliche umgekehrt.
Der einzige Weg, die Wohnungsnot zu mildern, ist Neubau – auch wenn es Benachteiligte gibt.
Über den Autor: Thorsten Breitkopf ist Chef der Wirtschaftsredaktion. Weil er außerhalb wohnt, hat er einen Garten hinterm Haus, den er mit viel Freude pflegt. Weil er deshalb selbst Pendler ist, weiß er, wie wichtig erschwingliches Wohnen in der Stadt ist.
Contra: Kleingärten bereichern die Stadt. Sie sind ein Beitrag zum besseren Stadtklima
Er ist ein Mahnmal der Verschwendung und des stadtplanerischen Unsinns: Für 200 Millionen Euro ist in Köln-Lövenich die A 1 auf 1,5 Kilometern Länge unter einem Lärmschutztunnel verschwunden. Den gewonnenen Platz über der Autobahn könnte man umrechnen: in Sportplätze, Grünflächen, sicher auch Schulgebäude ... Doch nichts von dem, was die wachsende Stadt braucht, ist dort entstanden. Das Tunneldach ist für nichts zu gebrauchen. Außer als gutes Argument: Solange man so mit wertvollen Flächen umgeht, gibt es kein Recht, Kleingärten plattzumachen.
Zu weit hergeholt? Hamburg gilt als Vorbild für die Ankurbelung des Wohnungsbaus. Dort gelingt, was Köln nicht hinbekommt. Die Bebauung von Flächen, die für Kleingärten genutzt wurden, ist dort durchaus Teil des Konzepts. Doch Hamburg hat Ersatz angeboten – auf einem Deckel über der A 7. So macht man das! Das Kölner Tunneldach hätte sicher für rund 500 Kleingärten gereicht. Hätte sich Köln an der Finanzierung beteiligt, wäre das wie in Hamburg möglich gewesen.Gute Ideen sind gefragt. Und natürlich darf man angesichts des Drucks auf dem Wohnungsmarkt auch darüber sprechen, wie Köln mit freien Flächen umgehen sollte. Leider ist zu vieles zum Tabu erklärt worden. Da verbinden sich grüne Fundis mit selbst ernannten Gralshütern von Adenauers Grüngürtel und den vielen, denen es vor allem um das eigene Wohlbefinden geht. Doch mit Beharren allein lässt sich keine Stadt der Zukunft gestalten.
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Auch Kleingartenvereine müssen sich bewegen: Es kann nicht sein, dass viele dieser Anlagen auf dem Grund und Boden, der allen gehört, verschlossen werden und so der Nachbarschaft Fuß- und Radwegeverbindungen versperrt werden. Die Vereine müssen sich auch neuen Formen wie dem Gemeinschaftsgärtnern öffnen. Und sie müssen bereit sein, über Umzüge nachzudenken, wenn diese im gesamtstädtischen Interesse liegen. Doch mit solchen Appellen darf nicht verbunden sein, den Kleingärten das Existenzrecht abzusprechen. Keine dieser Anlagen, kein Garten darf ersatzlos verschwinden.Im Gegenteil: Die Stadt muss bemüht sein, neue Anlagen zu schaffen. Da ließe sich mit manch spannender Idee gleich ein ganz neues Publikum begeistern und nebenbei etwas für den Klimaschutz tun: Auch auf allen möglichen Dächern könnte man prima gärtnern.
Kleingärten gehören zur Stadt, sie bereichern sie. Sie sind in doppelter Hinsicht ein Beitrag zu einem besseren Stadtklima. 1910 war im „Kölner Stadt-Anzeiger“ zu lesen, dass der „Aufschwung der Laubenkolonien und Arbeitergärten“ ein „sympathischer Versuch“ sei, „sich dem Zuge der Zeit entgegenzustemmen“. Das ist eine wunderbare Beschreibung, weil sie der Kleingärtnerei eine kulturelle Bedeutung in der Großstadt gibt. Es geht um mehr als ein bisschen Gemüse zum Eigenverzehr und ein wenig Luxus für diejenigen, die über keinen Garten zu Hause verfügen. „Ja, es sind glückliche Menschen, diese Laubenkolonisten“, schrieb dereinst der Kollege. Von diesen kann eine Stadt wie Köln gar nicht genug haben.
Über den Autor: Helmut Frangenberg ist Redakteur in der Kölner Lokalredaktion. Einen Kleingarten hat er nicht. Er ärgert sich über die Ideenlosigkeit der Kölner Stadtentwicklungspolitik.