Kommentar zu Martin SanderSchlechter Zeitpunkt – Ein Abgang mitten im Umbau bei Ford

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Martin Sander, Vorsitzender der Geschäftsführung der Ford-Werke GmbH, spricht bei der Vorab-Eröffnungsfeier des Ford Cologne Electric Vehicle Center. Der Deutschlandchef des US-Konzerns wechselt überraschend zu Volkswagen.

Der Ford-Deutschlandchef Martin Sander wechselt überraschend zu Volkswagen.

Für Ford wäre ein längeres Machtvakuum nach dem Ausscheiden von Martin Sander verheerend.

Der Zeitpunkt könnte schlechter nicht sein: Mitten im komplexen Umbau zur Elektrifizierung, verlässt Ford-Chef Martin Sander das Unternehmen. Keiner war in dieser Spitzenposition beim US-Autobauer in Köln wohl kürzer im Amt.

Kurzfristigkeit wirft Fragen auf

In nicht mal einer Woche ist Sander weg. Schon allein diese Kurzfristigkeit wirft Fragen auf, ist es doch auf diesem Level des Topmanagements ansonsten üblich, gewisse Zeitabläufe einzuhalten. Als gesichert gilt immerhin, dass Sander aus freien Stücken geht. Über die Gründe kann man derzeit nur spekulieren. Passte der langjährige Audi-Manager doch nicht so ganz zum eher sportlich-rustikalen US-Autobauer? Konnte er mit Blick auf die Konzernmutter im US-amerikanischen Dearborn und ihre strikten Vorgaben für Europa nicht so frei agieren wie erhofft?

Harte Einschnitte musste Sander in seiner kurzen Amtszeit von nur zwei Jahren einige vollziehen: Kahlschlag in der Produktentwicklung, wo nun fraglich ist, ob und welche Modelle für Europa in Köln noch entworfen werden sollen. Oder das Aus für das Werk in Saarlouis, wo keine Einigung mit dem Investor erzielt werden konnte. Dann noch der Stopp des Produktionshochlaufs des Explorers wegen neuer Batteriestandards und damit die deutliche Verzögerung von neun Monaten. Und folgen möglicherweise noch weitere Restriktionen in naher Zukunft?

Bringt sich der Kronprinz in Stellung?

Fakt ist, Sander kehrt zu dem Konzern zurück, unter dessen Dach er mehr als 20 Jahre gearbeitet hat und ist damit auf bekanntem Terrain. Als Vorstand für Marketing, Vertrieb und Verkauf von VW hat er weltweiten Einfluss. Zudem dürfte er ein Vielfaches dessen verdienen, was er in seiner jetzigen Position bekommt. Aus Branchenkreisen war in der Vergangenheit zudem immer wieder zu hören, dass er in Wolfsburg als eine Art Kronprinz gehandelt wurde – für noch höhere Weihen. Ob die Station in Köln also nur ein Gastspiel war, um sich warm zulaufen, wird sich erst später zeigen.

Für Ford und Köln ist der plötzliche Abgang indes ein Problem. Die Belegschaft ist zu Recht zutiefst verunsichert. In der ohnehin schwierigen Transformation wäre Kontinuität in der Chefetage wichtig gewesen. Immerhin, die Produktion des Explorers läuft, das zweite Modell soll in Kürze vorgestellt werden. Das ist elementar wichtig für die Auslastung des Werks und die Beschäftigten. Ford muss jetzt dringend eine Nachfolgelösung finden. Ein längeres Machtvakuum wäre verheerend – für den Standort Köln und auch für die Zukunft von Ford in Europa.

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