Kommentar zu „Flaschenpost“Höchste Zeit, die „offene Feedback-Kultur“ zu beweisen
- In einem anoymen Brief werden dem Getränke-Lieferdienst „Flaschenpost“ von Mitarbeitern viele Vorwürfe gemacht.
- Die Rede ist unter anderem von teilweise menschenunwürdigen Zuständen und abgeklemmten Klimaanlagen in Transportern.
- Das Unternehmen bestreitet die Vorwürfe und wiegelt ab.
- Das muss aufhören. Ein Kommentar.
Köln – Das Geschäft mit unserer Bequemlichkeit ist hart umkämpft. Den „Pizzakrieg“ – wie der Streit der großen Lieferdienste in der Branche heißt – hat Lieferando gewonnen, dessen „Rider“ uns versorgen, wenn wir an einem regnerischen Sonntag lieber auf dem Sofa sitzen bleiben, statt zum Italiener zu laufen.
Billige Transporter, niedrige Löhne
Die Cola dazu bringt „Flaschenpost“. Als Marktführer muss sich der Getränkelieferant im zunehmenden Konkurrenzkampf behaupten. Vorteil für den Kunden: viel Auswahl und günstige Preise. Auf der Seite der Fahrer dagegen stehen: Zeitstress im Straßenverkehr, billige Transporter ohne Klimaanlage, niedrige Löhne. Flaschenpost gibt den ökonomischen Kampf um die Kunden offenbar nach unten weiter. Der Staat bietet dazu Möglichkeiten, indem er Lohndumping und sachgrundlose Befristung erlaubt. Das System funktioniert auch, weil die Beschäftigten – anders als Industriearbeiter – kaum gewerkschaftlich organisiert sind.
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Aber es gibt Hoffnung für das moderne „Dienstleistungs-Prekariat“: Fahrradkuriere haben sich in Köln unter dem Motto „Liefern am Limit“ zusammengeschlossen. Sie haben demonstriert, mit Hilfe der Gewerkschaft gegen Widerstände einen Betriebsrat gegründet. Hoffentlich tun es ihnen die Flaschenpost-Mitarbeiter bald nach. Ein anonymer Brief mit Anschuldigungen ist höchstens ein Anfang. Flaschenpost-Chef Stephen Weich predigt eine „offene Feedback-Kultur“. Höchste Zeit, sie unter Beweis zu stellen.