Die Auseinandersetzung zwischen GDL-Boss Claus Weselsky und seinem Gegenspieler, Bahn-Tarifvorstand Martin Seiler, muss ein Ende haben.
Kommentar zum BahnstreikEin grotesker Kampf auf dem Rücken der Fahrgäste
Es gibt Fakten in diesem Bahnstreik, die weder Streikhauptmeister Claus Weselsky noch seine Gegenspieler in den Bürotürmen der Deutschen Bahn bestreiten. Diese Fakten stehen an den Anzeigetafeln in Deutschlands Bahnhöfen und zeigen: Auch bei diesem Streik fallen rund vier Fünftel der Zugverbindungen im Fernverkehr aus.
Über fast alles andere aber lassen Konzern und Gewerkschaft Fahrgäste und Politik im Unklaren. Wie nah waren Weselsky und sein Gegenspieler, DB-Personalvorstand Martin Seiler, einer Einigung? Über welche Angebote haben die beiden in ihren informellen Telefongesprächen nach dem Scheitern der Verhandlungen geredet?
Bahnstreik: Kaum nachvollziehbar, worum es genau geht
Der aktuelle Bahnstreik und diejenigen, die noch kommen werden, nerven die Menschen im Land vor allem auch deswegen, weil sie längst nicht mehr nachvollziehen können, worum es genau geht. Der Tarifkonflikt zwischen der Gewerkschaft deutscher Lokomotivführer (GDL) und der DB ist zu einer quälenden Auseinandersetzung der alternativen Fakten und Beleidigungen geworden.
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Schuld daran ist vor allem Weselsky, der eine Mischung aus unwahrer Öffentlichkeitsarbeit und Prinzipienreiterei betreibt; schuld daran ist aber auch Seiler, der ebenfalls nicht immer offen und eindeutig über den Stand der Verhandlungen informiert.
Lassen Sie uns kurz die vergangenen Tage Revue passieren:
Am Montag stellt sich Weselsky vor die Presse, um die aktuelle Eskalation anzukündigen. Auf konkrete Nachfrage des RedaktionsNetzwerks Deutschland (RND), ob die Moderatoren Daniel Günther und Thomas de Maizière eine Absenkung der Arbeitszeit auf 36 Wochenstunden ab 2028 vorgeschlagen haben, sagt Weselsky, dieses Angebot habe es nie gegeben.
Am Dienstag machen Weselskys CDU-Parteifreunde Günther und de Maizière den Moderatorenvorschlag öffentlich: 36 Stunden ab 2028 bei vollem Lohnausgleich. Weselsky spricht von einem „Denkfehler“, später dann nur noch von einem „Versprecher“. An ein Versehen glaubt bei der Bahn niemand, und auch in Politik und Öffentlichkeit überwiegt das Unverständnis. Bundesverkehrsminister Volker Wissing (FDP) rügt Weselsky, das Papier sei „ja nicht missverständlich formuliert“.
Am Mittwochabend, kurz vor Streikbeginn, geht der GDL-Boss in die Offensive: Die Bahn habe den Moderatorenvorschlag ebenfalls abgelehnt und kein eigenes Angebot zur Arbeitszeitabsenkung vorgelegt, schreibt Weselsky in einem GDL-internen Rundbrief. Im Fernsehen wirft er seinem Kontrahenten Seiler sogar vor, der Manager habe gelogen. Denn die Bahn habe nie die 36 Stunden akzeptiert.
Damit mag Weselsky sogar formal richtig liegen: Der Staatskonzern teilt öffentlich nur mit, die DB sei „bereit gewesen, ihre Schmerzgrenze zu überschreiten und auf dieser Grundlage die Verhandlungen zu Ende zu führen“. Ein schriftliches Angebot habe es noch nicht gegeben, aber die erklärte Bereitschaft, auf Grundlage des Moderatorenvorschlags weiterzuverhandeln.
Weselsky will dem Konzern maximal schaden
Das aber scheint nicht in Weselskys Interesse zu sein. Er will dem Konzern maximal schaden. Denn er befürchtet nicht zu Unrecht, dass die DB die aufmüpfige Gewerkschaft auf Dauer klein halten will. Die Machtbasis hat die GDL längst bei den privaten Konkurrenten im Nahverkehr, die alle ohne Streik eine 35-Stunden-Woche akzeptiert haben – und nun den Marktführer den Kampf austragen lassen, um später nachverhandeln zu können.
Leidtragende sind jetzt erst einmal alle: die Passagierinnen und Passagiere, die bis zu den Osterferien nicht verlässlich Bahnfahrten buchen können, weil keiner weiß, wann und wo der Streikhauptmeister als Nächstes zuschlägt. Die GDL, die sich auf ein existenzgefährdendes Vabanquespiel eingelassen hat. Die Bahn und die Verkehrspolitik, denen dieser Tarifkonflikt nachhaltig die Verkehrswende gefährdet.
Gewinner kann es hier nicht mehr geben.