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Kommentar

Kommentar zum Jobabbau
Bayers Weg ist richtig, wenn der Leverkusener Konzern zu alter Stärke zurück will

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Lesezeit 3 Minuten
Bayerkreuz 2010. Foto: Ralf Krieger

Das Bayer-Kreuz thront über Leverkusen. (Archivbild)

Es ist gelungen, bei den Stellenstreichungen die Arbeitnehmervertreter zu überzeugen. Jetzt gilt es, das gewonnene Vertrauen nicht wieder zu verlieren.

Bei Bayer bleibt derzeit kein Stein auf dem anderen. Bill Anderson, dem seit vergangenen Sommer Neuen an der Spitze des Leverkusener Pharma- und Agrarchemiekonzerns, verpasst Bayer eine komplett neue Organisationsform. Die Leverkusener haben sich in eine Sackgasse manövriert: Glyphosat-Mittel bringen je nach Konjunktur mal gute, mal schlechte Umsätze mit sich – und sonst nur lästigen Ärger und hohe Kosten. Die Pharma-Entwicklung stottert, auf Blockbuster-Medikamente mit mehr als einer Milliarde Euro Umsatz jährlich verliert Bayer die Patente. Aktivistische Investoren sind auf dem Baum, wollen, dass Deutschlands einst wertvollster Konzern wieder zu seinen Stärken zurückfindet und sich dafür im Zweifel von einzelnen Geschäftsbereichen trennt.

Kein Abnicken beim Vorgesetzten mehr

Andersons Konzernumbau kann die Lösung für den trägen und zuletzt wenig erfolgreichen 100.000-Mitarbeiter-Konzern sein: Da soll es künftig kein Abnicken beim Vorgesetzten mehr geben, der wiederum wartet, um bei seinem Vorgesetzten grünes Licht einzuholen, und dieser macht das Gleiche bei seiner Chefin oder seinem Chef. Glaubt man Andersons Schilderungen, wird genauso noch bei Bayer gearbeitet. Es ist folgerichtig, in großem Stil mit verstaubten Strukturen aufzuräumen.

Hendrik  Geisler

Hendrik Geisler

Hendrik Geisler ist Leiter der Kölner Lokalredaktion. Beim „Kölner Stadt-Anzeiger“ war er zuvor seit 2016 Praktikant, Volontär, Polizeireporter, Wirtschaftsredakteur und Leiter der Redaktionen Leverku...

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Andersons Vorgänger Werner Baumann sah die gewachsenen Hierarchien mitsamt ihrer lähmenden Bürokratie entweder nicht als Problem – oder betrachtete sich selbst, das Bayer-Gewächs, nicht mehr als den Richtigen, um mit ihnen aufzuräumen. Vielleicht brauchte es erst jemanden von außen wie Anderson, um damit zu brechen.

An Andersons Seite steht Heike Prinz. Sie gehört seit September dem Bayer-Vorstand an und hat offensichtlich schnell und erfolgreich in ihre neue Rolle als Arbeitsdirektorin gefunden. Ihr ist es in sicher nicht einfachen Verhandlungen gelungen, die wichtigsten Arbeitnehmervertreterinnen und -vertreter an Bord zu holen beim Konzernumbau. Sie alle bekunden: Es schmerzt, die Jobs abzubauen, aber wir gehen den Weg mit, wir halten ihn für den richtigen. Anderson und Prinz streichen etliche Arbeitsplätze und haben dabei doch die Belegschaft auf ihrer Seite, das muss man erstmal schaffen.

Schon lange nicht mehr die großzügige „Mutter Bayer“

Deutlich wird aber auch, wie sie das so gewonnene Vertrauen schnell wieder verlieren können. Die Gesamtbetriebsratsvorsitzende Heike Hausfeld und der Industriegewerkschaftsvorstand Francesco Grioli betonen in der gemeinsamen Erklärung mit Bayer: Wir halten die aktuelle Struktur des Bayer-Konzerns für die beste, empfinden also Andersons öffentliche Gedankenspiele, die Agrarchemie oder rezeptfreie Medikamente abzustoßen, als grundlegend falsch.

Ihre Befürchtung: Spaltet sich Bayer auf oder verkauft einzelne Teile, kommt es mit neuen Eigentümern zu weiterem Stellenabbau, zu einer Verwässerung von Beschäftigungsgarantien, zur Abwanderung von Zentralen ins Ausland. Die Einzelteile Bayers könnten sich zudem als Ziel von Übernahmen herausstellen, was weitere Unsicherheitsfaktoren wären.

Das Unternehmen ist schon lange nicht mehr die großzügige „Mutter Bayer“, die eine Stadt ernährt und Identität stiftet. Zerfällt Bayer weiter, bröckelt wohl auch das Bekenntnis zum Unternehmen. Für die Stimmung in der Belegschaft und folglich deren Willen, Andersons Weg mitzugehen, ist es daher ganz entscheidend, wie die Bayer-Strategie aussieht, die der Vorstandsvorsitzende Anfang März beim Kapitalmarkttag vorstellen will. Bayer steht an einem Scheideweg. Es braucht jetzt ein klares Bekenntnis, wohin es geht. Unsicherheit gibt es seit Jahren, damit muss Schluss sein.