Lanxess-Chef Matthias Zachert spricht über die Fehler von Bundeskanzler Olaf Scholz, die Energiewende, mögliche US-Zölle und die Zukunft der Lanxess-Arena.
Lanxess-Chef im Interview„Kohlekraftwerke länger am Netz halten“
Als wir das letzte Mal gesprochen haben, ging es um den Abbau von 870 Stellen. Wie viele Jobs haben Sie schon gestrichen? Wie viele müssen Sie noch abbauen?
Matthias Zachert: Wir sind sehr zügig vorangekommen. Unser Programm mit leider 870 abzubauenden Stellen haben wir fast in Gänze umgesetzt. Außerhalb Deutschlands war der Prozess bereits bis Ende 2023 abgeschlossen. Und auch in Deutschland sind wir sehr weit: Alles, was wir 2024 umsetzen wollten, haben wir auch erreicht.
Was hat das gekostet?
Alles zum Thema Lanxess Arena
- Ex-Profi als Trainer Euskirchener Boxer Benny Blindert freut sich aufs Duell mit Felix Sturm
- Starker Auftritt gegen den Meister Kölner Haie bezwingen die Eisbären Berlin mit 5:3
- Termine, Tickets und Programm Lachende Kölnarena 2025 – Das müssen Sie wissen
- 2:3 gegen Augsburg Kölner Haie hadern mit Schiedsrichtern
- Konzert-Highlights Diese Top-Stars kommen 2025 nach Köln
- Das Beste aus 2024 Am 11.11. nachts zum Heumarkt – Wie Edith mit 85 Jahren den Karneval lebt
- Eishockey Kölner Haie holen Sieg nach Drama im Penaltyschießen – Lange Pause wegen eines Defekts
Wir haben von Anfang an mit rund 100 Millionen an außerordentlichen Kosten kalkuliert. In dieser Größenordnung ist das Projekt auch geblieben.
Bei anderen Industrieunternehmen wie Ford, Covestro und Thyssen ist aber ein erhöhter Bedarf an Stellenabbau aufgekommen. Wie sieht es bei Lanxess aus?
Das Frühwarnsystem in unserem Konzern hat schon Anfang 2023 signalisiert, dass die Märkte sehr schwach laufen und somit auch unsere Industrie Schwierigkeiten haben würde. Wir haben von daher sehr zügig in 2023 und 2024 unsere Sparprogramme initiiert und umgesetzt. Damit waren wir vielleicht etwas schneller als andere. Wir haben hiermit einen Teil der Wettbewerbsfähigkeit wieder zurückgewonnen, und aus heutiger Perspektive glauben wir, dass wir alles getan haben, was wir tun mussten.
Wie würden Sie die Lage und die Aussichten aktuell beschreiben? Ist jetzt das Tal der Tränen durchschritten oder sind wir noch in einer tiefen Krise?
Deutschland ist nach wie vor eine der stärksten Volkswirtschaften der Welt. Wir haben großen Wohlstand generiert über die vergangenen Jahrzehnte, vor allem durch die Stärke der Industrie. Viele Industrievertreter und auch wir haben bereits vor zweieinhalb Jahren in aller Deutlichkeit darauf hingewiesen, dass wir Strukturreformen umsetzen und das Land modernisieren müssen. Das haben wir in Gesprächen mit der Politik, aber auch öffentlich immer wieder klargemacht. Es wurde leider weggewischt und ignoriert. Das hat mich ehrlich gesagt schockiert. Und ich bin geradezu entsetzt, dass sich Kanzler Scholz heute hinstellt und sagt, man müsse was für die Industrie tun. Dazu hätte er seit zweieinhalb Jahren die Chance gehabt.
Wie stark treffen Sie die hohen Energiepreise?
Die Energiekosten hier in Deutschland sind um ein Drei- bis Fünffaches höher als im internationalen Wettbewerb. Und die Energiekosten sind ein wesentlicher Kostentreiber bei der Produktion. Die Kombination von sehr hohen Energiekosten, Bürokratie und steuerlicher Belastung macht die wirtschaftliche Produktion in Deutschland nahezu unmöglich. Und diese Probleme ziehen sich leider momentan durch viele Branchen.
Nehmen Sie das Bürokratie-Thema: Die Politik spricht ja gerne von Bürokratieabbau – aber das Gegenteil ist der Fall. Die Berichtspflichten werden immer mehr, der entsprechende Aufwand auch. Aufwand, den die Mitbewerber im Rest der Welt nicht haben. Bestenfalls machen wir hier und da Trippelschritte und denken im Klein-Klein. Wir müssen aber groß denken.
Die chemische Industrie ist immer der Frühindikator. Und wenn wir in Schwierigkeiten geraten, dann werden andere Industrien folgen. Genau das sehen wir im Moment. Die Bauindustrie hat Probleme, die Maschinenbauindustrie hat Probleme, die Autoindustrie hat Probleme. Alle stecken gegenwärtig in einer Rezession. Viel Wertschöpfung und Steuereinnahmen in Deutschland gehen derzeit verloren. Und damit Arbeitsplätze – und in der Industrie sind das in der Regel gut bezahlte, qualifizierte Jobs.
Sie zeichnen ein finsteres Bild. Wie kann denn unser Land herauskommen aus dieser Misere?
Positiv stimmt mich, dass wir in diesem Land und auch in diesem Wahlkampf überhaupt über die Lage der Wirtschaft sprechen. Wir sind noch die drittstärkste Volkswirtschaft der Welt. Wir haben eine enorme Substanz. Wir müssen diese Substanz aber auch nutzen. Um es mit einem Bild zu sagen: Wir haben ein fantastisches Auto, das eigentlich fahren könnte – aber ständig Stoppschilder und rote Ampeln in den Weg gestellt bekommen. Wir müssen uns wieder auf die Stärken unserer Standortfaktoren besinnen und alles dafür tun, dass sie auch ihre Wirkung entfalten können. Unsere Wettbewerbsvorteile sollten wir nutzen statt sie, wenn Sie so wollen, wegzureglementieren.
Was würden Sie sich an Maßnahmen wünschen?
Bürokratieabbau und ein Ende der Regulierungsflut aus Berlin und Brüssel stehen für mich an oberster Stelle.
Haben Sie ein Beispiel für mich?
Nehmen Sie das Lieferkettengesetz, die ESG-Initiative oder auch die Nachhaltigkeitsrichtlinie CSRD. Hier hat Brüssel bürokratische Monster geschaffen, die die Welt nicht besser machen. Übrigens auch durch deutsches Zutun oder besser gesagt Nichtstun: Als große Industrienation hat man hier in einem solchen Prozess durchaus die Möglichkeit einzuwirken. Das scheint mir in den vergangenen Jahren viel zu wenig der Fall gewesen zu sein. In der Konsequenz wird hier ein weiteres riesiges regulatorisches Werk auf die Industrie geworfen. Und ob dies wirklich einen Mehrwert erzielt, das bezweifele ich. Von daher meine Forderung: Wir brauchen eine wettbewerbsorientierte Verwaltung mit dem Mut, ernsthaft Bürokratie, Regulierung und Berichtspflichten einzudämmen. Und dazu eine wirklich wettbewerbsorientierte Wirtschafts- und Energiepolitik.
Wie blicken Sie auf den Machtwechsel in den USA?
Wir als Unternehmen haben uns in den vergangenen zehn Jahren sehr stark international ausgerichtet. Vor allem in den USA haben wir investiert und sind dort gewachsen, sowohl organisch als auch durch Akquisitionen. Wir machen heute in den USA rund 30 Prozent unseres Umsatzes, und zwar in weiten Teilen aus dortiger Produktion. Das ist eine beachtliche Größe. Und von daher glauben wir, dass wir gut aufgestellt sind, sollte es zu protektionistischen Maßnahmen kommen. Wir sind auf eine neue oder eine andere Wirtschaftspolitik der USA durchaus vorbereitet. Die muss nicht nur Nachteile, die kann auch Vorteile für uns mit sich bringen. So sehr wir uns auch eigentlich Freihandel wünschen.
Heißt das, investieren in Deutschland liegt erstmal auf Eis?
Die Wahrscheinlichkeit, dass wir neue Anlagen in Deutschland bauen, ist sehr gering. Mittlerweile sind bei vielen Industrieunternehmen die Betriebe in Deutschland nicht mehr in einer positiven Ergebnissituation. Ganz klar: Wenn Gewinne im Wesentlichen im Ausland erwirtschaftet werden, dann hat das Folgen für Investitionsentscheidungen. Wenn sich das ändern soll, brauchen wir andere Rahmenbedingungen – und vielleicht auch eine andere Grundhaltung in der Politik. Stichwort Umverteilung: Wir diskutieren über Themen wie Bürgergeld, Kindergrundsicherung, Erhöhung des Mindestlohns, Rentengarantien, Vier-Tage-Woche, etc. Man kann aber nur umverteilen, was man vorher erwirtschaftet hat. Das hat die gegenwärtige Regierung leider völlig außer Acht gelassen.
Ist das in den USA anders?
Dort gibt es einen parteiübergreifenden Konsens über die Bedeutung der Industrie. Wir sehen, dass Gouverneure in den Bundesstaaten massiv die Reindustrialisierung Amerikas vorantreiben. Man versucht dort, durch Stärkung der Standortfaktoren die Industrie nach Amerika zu holen. Und mir wurde mal von einem ranghohen Offiziellen der Regierung mitgeteilt: „Herr Zachert, wir haben verstanden, dass der Wohlstand nicht durch Investmentbanker oder Anwälte erzeugt wird, dazu braucht es die Industrie.“ Danach handelt Amerika.
Egal wer regiert?
Egal wer regiert. Und vor dem Hintergrund freuen wir uns, dass wir hier strategisch in einem Land weiter ausgebaut haben, das ganz klar an der Industrie interessiert ist. Und dass unsere Industrie auch deshalb fördert, weil wir als Chemie zur Lösung vieler Probleme beitragen.
Wie stehen Sie zur Debatte um eine Rückkehr zur Atomkraft?
Die Erneuerbaren sind gut, aber wir brauchen Energie auch in Zeiten ohne Wind und Sonne. Bei unseren Nachbarn schaltet niemand die Kernkraft ab, man fährt sie eher wieder hoch. Bei uns waren mal Gaskraftwerke als Ersatz gedacht für das Abschalten von Atom und Kohle. Es wäre vielleicht smart gewesen, wenn man das eine erstmal hochgefahren hätte, bevor man das andere herunterfährt. Sie würden ein Auto ja auch erst abgeben oder verschrotten, wenn sie ein neues gekauft haben.
Müssen wir zurück zum Atom und den Kohleausstieg verschieben?
Ich glaube, es bleibt uns nichts anderes übrig, als dass wir die Kohlekraftwerke länger am Netz behalten. Das ist nicht erfreulich, weil Kohle bekannterweise einen hohen CO₂-Ausstoß hat. Könnten wir jetzt noch Kohle durch Atom ersetzen, wäre das sicherlich für die Umwelt deutlich besser. Ob das geht oder nicht geht, müssen die Experten entscheiden. Aber ich glaube, die Politik muss sich der Diskussion stellen. Die Politik muss auch dafür Sorge tragen, dass in Deutschland die Rahmenbedingungen stimmen. Und einfach die Industrie herunterzufahren, damit weniger Strom verbraucht wird, kann ja keine Lösung sein. Und als Alternative Atom- oder Kohlestrom aus Frankreich oder Polen zu beziehen, ist, mit Verlaub, scheinheilig.
In Köln ist Lanxess der breiten Masse vor allem durch Ihr Sponsoring der Arena bekannt. Wie sicher ist das?
Wir sind seit 2008 bei der Lanxess-Arena aktiv und haben unser Sponsoring bis Ende 2028 verlängert. Und wir sind sehr stolz darauf, dass wir Partner und Namensgeber einer so fantastischen und erfolgreichen Halle sind.
Tun Sie sich überhaupt einen Gefallen damit, dass eine Arena Ihren Namen trägt und Sie im Grunde überstrahlt?
Ich glaube, jedes Unternehmen mit einer globalen Ausrichtung muss auch lokal verortet sein. Und das sind wir als Kölner Unternehmen mit der Lanxess-Arena. Das ist etwas, was unsere Mitarbeitenden mit Stolz erfüllt. Und das hat auch eine starke Ausstrahlung hier an unserem Heimatstandort Nordrhein-Westfalen und weit darüber hinaus.