Lieferung in 120 MinutenKölner Apotheken kämpfen mit Plattform gegen Online-Riesen
Köln – Die digitale Konkurrenz von DocMorris und Shop-Apotheke macht stationären Apotheken schwer zu schaffen. In den USA kündigt nun auch noch Amazon den Verkauf von Medikamenten an. Mit einem neuen Lieferkonzept will sich ein Kölner Apotheken-Start-up nun gegen die Digitalriesen behauptet – und verspricht Kunden, schneller zu sein als jede Versand-Apotheke.
Diese Nachricht schlug im Medikamentenmarkt Mitte November wie eine Bombe ein: Amazon steigt in den USA in den Handel mit rezeptpflichtigen Arzneien ein. Der einstige Online-Buchhändler, der heute nicht nur das weltgrößte Warenhaus ist, sondern auch Streaming-Gigant, macht sich also mit seiner neuen Sparte „Pharmacy“ auf, um einen weiteren Markt auf den Kopf zu stellen. Eine Überraschung war das nicht, schließlich hatten Beobachter diesen Schritt bereits erwartet, seitdem Amazon im Jahr 2018 für umgerechnet 624 Millionen Euro der US-Online-Apotheke Pillpack.
Eigentlich sind sie doch Gewinner
Vor allem die großen amerikanischen Apotheken-Betreiber wie CVS oder Walgreens müssen sich aktuell Sorgen um ihr Geschäft machen, denn dort ist Amazon Pharmacy schon am Start. Doch auch in Europa und Deutschland trifft die Meldung die digitalen Versandapotheken wie DocMorris – mit der Schweizer Muttergesellschaft Zur Rose – oder Shop-Apotheke gleichermaßen.
Dabei sind sie doch eigentlich die Gewinner einer digital vernetzten Welt, in der zu Corona-Zeiten die Menschen auch noch immer häufiger zu Hause bleiben wollen. Der Digitalverband Bitkom meldete kürzlich, 58 Prozent der Verbraucher würden ihre Medikamente aus der Online-Apotheke beziehen. Bei den meisten Einkäufen handelt es sich noch um rezeptfreie Arzneien, doch auch verschreibungspflichtige Mittel werden immer häufiger online verkauft.
Um sich gegen den Plattform-Riesen Amazon zu wappnen, baut Docmorris aktuell eine eigene Online-Gesundheitsplattform auf, und Zur-Rose-Chef Walter Oberhänsli wollte im September auch eine Fusion mit Shop-Apotheke nicht ausschließen, auch wenn es gerade kein Thema sei. Für ein eigenes Docmorris-Online-Handelsdrehkreuz nach Amazon-Vorbild bräuchte das Unternehmen jedoch auch die stationären Apotheken, die ihre Produkte auf der Plattform anbieten. Doch die meisten Apothekerinnen und Apotheker mit eigenem Ladengeschäft sehen in Docmorris und Shop-Apotheke keine Verbündeten, sondern erbitterte Wettbewerber, die ihr Geschäft kaputt machen.
„Von Apotheken für Apotheken“
In Köln ist nun ein Apotheken-Start-up an den Start gegangen, das den Kampf mit den urdigitalen Wettbewerbern aufnehmen will. Arzneipost.de, so der Name des jungen Unternehmens, will selber zur Plattform werden und stationäre Apotheken mit jenen in Kontakt bringen, die sonst zur gefürchteten Konkurrenz laufen müssten.
„Wir sind eine Plattform von Apotheken für Apotheken“, sagt Daniel Kaufmann, Geschäftsführer von Arzneipost.de. Der Softwareentwickler hat die Idee gemeinsam mit seiner Schwester Stephanie Kaufmann, die die Viktoria-Apotheke an der Aachener Straße in Köln leitet, entwickelt und an den Start gebracht. Das Geschäftsmodell ist keine Revolution – einzelne Lieferdienst-Ideen für Medikamente gibt es schon länger.
Das Besondere am neuen Konzept soll ein Zeitversprechen sein: Die Macher sagen die Lieferung von Arzneien innerhalb von 120 Minuten zu – und wollen damit schneller sein als jede Versandapotheke. Mit dem engen Zeitfenster soll Arzneipost.de nach dem Flaschenpost-Prinzip funktionieren. Das Münsteraner Start-up, das gerade erst von Dr. Oetker übernommen wurde, ist mit der Zwei-Stunden-Lieferung von Getränken zum Star der deutschen Gründerszene mit Unternehmenswert im Milliardenbereich geworden.
Zwei Apotheken angeschlossen
Die Arzneipost.de-Macher treten aktuell noch deutlich bescheidener auf, was zu den noch jungen Strukturen aber auch passt: Bislang sind nur zwei Apotheken in Köln angeschlossen. Zum 1. Januar sollen im nächsten Schritt acht weitere Apotheken auf Kölner Stadtgebiet auf die Plattform gebracht werden, erzählt Philipp Dempke, der den Vertrieb für das Start-up macht.
Kundinnen und Kunden könnten sich dann bei der Bestellung stets aussuchen, bei welcher Apotheke sie ihre Medikamenten bestellen. Geliefert wird durch den jeweiligen Apotheken-Botendienst. Beim unangekündigten Test in der Kölner Südstadt hält Arzneipost.de, was es verspricht. Eine Botin der Viktoria-Apotheke klingelt eine Stunde nach der Bestellung bereits mit den Arzneimitteln in der Hand an der Haustür. Gekostet hat die Express-Lieferung 3,90 Euro.
Mit der Express-Lieferung heben sich die Kölner auch von Teilen der Konkurrenz ab: DocMorris verschickt in der Regel innerhalb von ein bis zwei Werktagen. Shop-Apotheke liefert hingegen unter bestimmten Umständen noch am Abend der Bestellung zwischen 18 und 23 Uhr.
Lizenzgebühr statt Umsatzbeteiligung
Finanzieren will sich das Unternehmen über eine Lizenzgebühr für die Nutzung der Plattform durch die Apotheken. Auf eine Umsatzgebühr verzichte Arzneipost.de bewusst, sagt Dempke: „Wir wollen die Apotheken vor Ort nachhaltig unterstützen.“ Aktuell liegt der Fokus noch auf frei verkäuflichen Arzneimitteln, bald soll der Kauf rezeptpflichtiger Medizin auf Arzneipost.de integriert werden. In wenigen Schritten soll es dann möglich sein, ein Bild des Rezeptes hochzuladen und bei der Lieferung der Botin mitzugeben – ein heute noch umständlicher Schritt, der entfällt, wenn das digitale E-Rezept Anfang 2021 kommt.
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Dass Arzneipost.de mit seinem Konzept im Wettbewerb mit den großen Digitalen Erfolg hat, ist keineswegs ausgemacht. Thomas Preis, Vorsitzender des Apothekerverbands Nordrhein, sieht Apotheken aber heute auch so schon digital gut aufgestellt: „Viele Bestellungen erfolgen nicht mehr per Telefon oder Fax, sondern kommen per E-Mail und Smartphone-Apps in die Apotheken.“ Natürlich beobachte er, wenn Amazon sich in den USA in den Markt einbringt, „wir wissen aber auch um den persönlichen Beratungsvorteil, der für Apothekenkunden sehr wichtig ist.“