Messe „Jagd & Hund“ in Dortmund„Nachhaltigeres Fleisch als Wild gibt es nicht“
- Der Trend zur Nachhaltigkeit und die Debatte um Massentierhaltung lässt die Nachfrage nach Wildfleisch steigen.
- Die Tiere gelten als gesünder, ihr Tod ist friedlicher. Blogs für junge Jäger und Veranstaltungen wie das Wild-Food-Festival rücken die Jagd in ein neues Licht.
- Wie kommt die Anlehnung an die Moderne? Und welche Kritik gibt es an Nachtsichtgeräten und Jagdreisen?
Dortmund – In Dortmund treffen sich in dieser Woche Deutschlands Jäger, wie in jedem Jahr. Sieben Trends der Messe „Jagd & Hund“, die bis Sonntag in Dortmund Station macht.
1 Wildfleisch gilt als nachhaltig
Die Lebensmittelbranche und die Gesellschaft sind zunehmend geprägt von einer Sensibilisierung auf den Verbrauch von Fleisch. Die Regierung debattiert ein Tierwohllabel, das artgerechte Haltung zur Voraussetzung macht. Viele Menschen verzichten tageweise auf Fleisch, leben ganz vegetarisch oder gar vegan, weil sie die Massenhaltung von Tieren unwürdig finden. Darauf, so glauben die Jäger, hätten sie die perfekte Antwort. „Nachhaltigeres Fleisch als Wild gibt es nicht“, sagt Andreas Schneider vom Landesjagdverband NRW (LJV).
2 Nachfrage nach Wild steigt
Und der Markt scheint ihm Recht zu geben. Noch nie war die Nachfrage nach Wildfleisch so groß. Viele, die sonst gar kein oder wenig Fleisch essen, setzen heute auf Wildbret. Die Tiere leben in freier Wildbahn, ohne Medikamente, werden nicht fett und vorausgesetzt es trifft sie ein sauberer Schuss, sterben sie verglichen mit Hunderte Kilometer transportierten Haustieren im Schlachthof vergleichsweise ohne Qualen.
3 „Jaga-Döna“ löst Rehbraten ab
Der Trend zu mehr Wild auf dem Teller hat aber nicht mehr viel mit dem fetten Rehbraten mit Klößen und Preiselbeeren aus Omas Küche zu tun. Tim Gronemeier ist Koch und bietet Grillkurse an, bei denen Wild zubereitet wird. „Die Zubereitung ist heute moderner, das zieht. Und die Tatsache, dass die Tiere zum Schutz des Waldes ohnehin geschossen werden müssen“, sagt Gronemeier von der Firma Grillkonzept. Er kredenzt Wildschweinwurst mit Blaubeerstückchen. Seit gut zwei Jahren widmet sich eine ganze Messehalle nur dem Wild als Lebensmittel.
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Sie heißt Wild-Food-Festival und kann auch ohne Messe-Eintrittskarte besucht werden. Bei Robert Jahnke setzt man auf Döner aus Wildschweinfleisch, „Jaga-Döna“ nennt der Österreicher seine Kreation. Es gibt zwar auch Wildschwein-Leberkäse, aber 90 Prozent der Kunden bevorzugen den wilden Döner. Direkt nebenan bietet ein Ungar „Pulled Hirsch“ an, die wilde Variante des Mode-Essens Pulled Pork. Und beim Stand von Nandos Pizza gibt es neben dem Klassiker Wildschweinschmalz auch Exotisches wie den Gamspfefferbogen, eine Wurst.
4 Gefahr durch Schweinepest
Seit mehr als zwei Jahren ist die Afrikanische Schweinepest (ASP) eine ernstzunehmende Gefahr. Die Funde befallener Tiere rücken immer näher an die deutsche Grenze. Polen und Belgien als Nachbarländer sind bereits befallen. Bei einem Ausbruch in Deutschland wären Tausende, vielleicht Hunderttausende Hausschweine bedroht. Entsprechend versuchen die Jäger eine Ausbreitung durch Wildschweine zu bremsen und erhöhen radikal den Abschuss. 39 400 Wildschweine wurden 2018/2019 in NRW erlegt, davor waren es sogar 66 000 – ein Rekord. Möglich wurden diese hohen Zahlen auch, weil das Land NRW die Schonzeit stark beschnitten hat. Außer weiblichen Wildschweinen mit kleineren Frischlingen dürfen die Tiere heute das ganze Jahr über bejagt werden.
5 Nachtsichtgeräte sind umstritten
Die Waidgerechtigkeit, zementiert in Landes- und Bundesjagdgesetz, verbietet den Jägern den Einsatz bestimmter technischer Hilfsmittel. Doch da wegen der ASP mehr Wildschweine geschossen werden müssen, und die Tiere vor allem nachts aktiv sind, diskutieren die Jäger intensiv die Legalisierung von Nachtzielgeräten und Wärmebildkameras auf den Waffen. Der Besitz ist legal, der Jagdeinsatz nicht. Bayern, Rheinland-Pfalz und Baden-Württemberg erlassen bereits Ausnahmegenehmigungen. Das Angebot auf der Messe ist riesig.
„Damit ist ein sicherer Schuss in der Nacht möglich, das erhöht die Trefferwahrscheinlichkeit, gleichzeitig ist es aus Gründen der notwendigen Vermeidung von Qualen und des Erkennens der richtigen Tiere sehr vorteilhaft“, sagt Franz Schimpel von der auf Nachtsichtoptik spezialisierten Firma Jahnke. So sieht es auch Eike Mross, der 30-Jährige hält auf der Messe Vorträge zum Thema. „Der sichere Schuss in der Nacht ist wichtiger als alte Regeln“, sagt Mross. Insgesamt aber sind die Jäger gespalten. Etwa die Hälfte steht auf dem klassischen Standpunkt, dass Wildschweine in Nächten ohne Mondschein ihre Ruhe haben sollten. Kein Thema wird derzeit so kontrovers diskutiert unter Jägern.
6 Jagdreisen stehen in der Kritik
Artenschützer hatten zum Auftakt der Messe darauf hingewiesen, dass mehrere Anbieter Reisen auf der Messe anboten, die Jagden auf in Deutschland streng geschützte Vogelarten, darunter Singvögel, anbieten. Der Landes Jagdverband distanzierte sich von diesen Anbietern und versprach, solche Angebote abzustellen und Aussteller gegebenenfalls auszuschließen.
7 Blogs für junge Jäger sind beliebt
Die Brüder Tim und Jan Hünemeyer, beide keine 30 Jahre alt, sind die Stars der jüngeren Jäger. Sie betreiben den Videoblog „Hunt on demand“, eine Art Netflix für Jäger. Dort zeigen sie Filme von sich bei der Jagd. Kritik gibt es kaum, sagen sie. „Etwa einer von 1000 Kommentaren fällt negativ aus. Wir glauben, dass der offene und ehrliche Umgang mit dem Thema Jagd gut ankommt, besser als die Heimlichtuerei früherer Jägergenerationen“, sagt Tim Hünemeyer.