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Kölner Handwerkskammer-Chef„Das Handwerk muss überall hin, auch mit Dieselfahrzeugen“

Lesezeit 5 Minuten
Garrelt Duin

Garrelt Duin ist Hauptgeschäftsführer der Handwerkskammer zu Köln

  1. Garrelt Duin war NRW-Wirtschaftsminister und saß für die SPD sowohl im Europäischen Parlament als auch im Bundestag.
  2. Seit September ist Duin Hauptgeschäftsführer der Handwerkskammer zu Köln.
  3. Im Interview spricht er über den Zustand der Handwerkskammer, die Aufarbeitung der Stadtwerke-Affäre und erläutert, wann Elektro-Fahrzeuge für Handwerker Sinn ergeben.

KölnHerr Duin, Sie sind jetzt seit mehr als 100 Tagen Hauptgeschäftsführer der Kölner Handwerkskammer. Wie haben Sie die Kammer vorgefunden nach dem Abgang Ihres Vorgängers, dem Untreue vorgeworfen wurde?

Die ganze Kammer war und ist in einem guten Zustand, sie wurde insgesamt solide geführt. Wenn jemand eine solche Institution über ein Jahrzehnt lenkt, dann richten sich alle in dieser Konstellation ein. Durch den Weggang und das halbe Jahr bis zum Führungswechsel gab es dann allerdings eine große Verunsicherung.

Sie sprachen bei Ihrem Amtsantritt von einem neuen Führungsstil, den sie etablieren wollen. Worin unterscheidet er sich?

Ich lade alle dazu ein, sich einzubringen – das ist ein Unterschied. Dieses Angebot wird mittlerweile auch genutzt, auch wenn sich einige erst daran gewöhnen mussten, dass das Gesprächsangebot wirklich ernst gemeint ist. Jetzt kommen immer mehr Mitarbeiter mit Ideen. Wir haben auch die interne Kommunikation gestärkt und informieren die Belegschaft darüber, was wir machen und wo wir hinwollen.

Zur Person

Garrelt Duin, 1968 in Ostfriesland geboren, ist seit September 2019 Hauptgeschäftsführer der Kölner Handwerkskammer. Zuvor war Duin Personalchef der Anlagenbausparte von Thyssenkrupp. Von 2012 bis 2017 war der studierte Jurist und SPD-Politiker Minister für Wirtschaft, Energie, Industrie, Mittelstand und Handwerk in Nordrhein-Westfalen. Von 2000 bis 2005 war Duin Mitglied des Europäischen Parlaments, anschließend sieben Jahre lang Mitglied des Bundestags. (hge)

Wie haben Sie die Affäre damals von außen wahrgenommen?

Ich fand die Entscheidung des Präsidiums, die Vorfälle öffentlich zu machen und sich von den beiden Geschäftsführern zu trennen, mutig und war überrascht von der Konsequenz. Jetzt müssen wir abwarten, was die Ermittlungen der Staatsanwaltschaft ergeben.

Wie waren die Reaktionen der Mitgliedsunternehmen?

Ehrlich gesagt, hat das für die Betriebe offenbar keine Rolle gespielt – alle Tatbestände waren in einer Sondervollversammlung von Anfang an klargestellt. Unser Tochterunternehmen für Aufgaben der Entwicklungshilfe in Afrika, die im Zentrum der Vorfälle stand, wurde liquidiert. Wir führen die laufenden Projekte noch ordnungsgemäß weiter, beginnen aber aktuell keine neuen mehr.

Das Verhältnis der Handwerkskammer zur Industrie- und Handelskammer galt lange als angespannt. Sie hatten eine bessere Zusammenarbeit in Aussicht gestellt.

Ich kenne sowohl Hauptgeschäftsführer Ulf Reichardt gut aus meiner Zeit als NRW-Wirtschaftsminister und auch den bisherigen Präsidenten Werner Görg. Ihm gilt mein Dank für die letzten Monate. Ich bin nun gespannt, welche Akzente Nicole Grünewald als neue Präsidentin der IHK setzen wird. Zu ihrer Wahl gratuliere ich ihr herzlich. Es gibt viele Felder, auf denen wir gut kooperieren könnten. So zum Beispiel beim Thema Zukunft der Mobilität oder dem Regionalplan, wo unsere Fachleute zusammenarbeiten könnten. Zudem haben wir eine gemeinsame Einschätzungen bei der Entwicklung des Rheinischen Reviers. Dabei stehen die Themen Fachkräfte und Flächen im Mittelpunkt, denn viele Handwerksbetriebe haben Schwierigkeiten zu wachsen, weil es in Köln und der nahen Umgebung kaum noch verfügbare Gewerbeflächen. Hier sehe ich Möglichkeiten für einen gemeinsamen Blick über die Stadtgrenze.

Auch das Thema Verkehr beschäftigt doch beide Kammern gleichermaßen...

Die Frage, wer mittelfristig ein tragfähiges Verkehrskonzept hat, wird die Kommunalwahl prägen. Es kann in den Debatten nicht nur um E-Roller, einzelne Fahrspuren, eine Pförtnerampel oder eine autofreie Innenstadt gehen. Wo ist der Masterplan? Eins ist klar: egal wie, das Handwerk muss überall hin – auch mit Fahrzeugen unterhalb der Dieselnorm sechs. Ein Heizkörper kann nicht mit der KVB transportiert werden.

Sehen Sie das gefährdet?

Stand Ende 2019 lag die Zahl der Handwerksbetriebe mit 33.900 auf Rekordstand. Im Schnitt haben die Unternehmen sechs Beschäftigte – das bedeutet zwei oder drei Autos. Da ist es unmöglich, alle zwei Jahre ein neues Autos zu kaufen.

Inwiefern macht denn Elektromobilität in leichten Nutzfahrzeuge für das Handwerk Sinn?

Sicherlich macht es für manche Betriebe Sinn mit Lösungen wie etwa einem Streetscooter. Und das Handwerk transportiert ja nicht nur großes Gerät, sondern arbeitet auch in Wartung und Kundendienst. Es wird sicherlich künftig einen Mix von Möglichkeiten geben. Zudem schließt der Bund gerade eine Förderlücke für E-Fahrzeuge zwischen 3,5 und 7,5 Tonnen.

Wie stark belastet die Unternehmen der Fachkräftemangel?

Wir leben zum Glück in einer Region, in der nicht nur die Bevölkerungszahl steigt, sondern auch die Zahl der Unternehmen. Und es erweist sich als positiv, dass das Handwerk ab 2015 gezeigt hat, dass man es ernst meint mit der Willkommenskultur. Jetzt machen die ersten Geflüchteten ihre Prüfungen und die Rückmeldungen sind gut. Aber auch mit jungen Menschen, die sich beruflich orientieren, müssen wir besser ins Gespräch kommen – ebenso wie mit den Studienabbrechern. Da haben wir noch Luft nach oben.

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Sie waren auch als Kandidat der SPD für die Wahl zum Oberbürgermeister im Gespräch. Ist Chef der Handwerkskammer attraktiver als Stadtchef?

Ich habe 20 Jahre hauptamtlich Politik gemacht und ich habe freiwillig damit aufgehört. Und ich bin mit meinem Entschluss bis heute sehr zufrieden.

Wie schauen Sie auf die Stadtwerke-Affäre, wo Sie als Krisenmanager eingestiegen sind?

Ich habe mir die Freiheit genommen, mit keinem der Beteiligten eine Aufarbeitung der Ereignisse zu machen. Ich weiß also bis heute nicht, was wirklich passiert ist. Wir haben ein neues Vertrauensverhältnis aufgebaut und das Thema spielt mittlerweile in der politischen Debatte keine Rolle mehr. Also scheint ja vieles richtig gelaufen zu sein.