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Ein Sieg für den Hass?Was Zuckerbergs Kehrtwende für Facebook und Instagram bedeutet

Lesezeit 6 Minuten
Meta-Chef Mark Zuckerberg kündigt drastische Änderungen für Facebook und Instagram an. Nils

Meta-Chef Mark Zuckerberg kündigt drastische Änderungen für Facebook und Instagram an. Nils

Desinformationen und hasserfüllte Inhalte sollen bei Meta weniger moderiert werden. Blüht nun dasselbe Schicksal wie bei X?

Es ist eine überraschende Kehrtwende, die Meta-Chef Mark Zuckerberg an diesem Dienstag verkündet hat – und eine, die schwerwiegende Konsequenzen haben könnte. Künftig soll ein großer Teil der Inhaltemoderation auf Plattformen wie Instagram und Facebook der Vergangenheit angehören. Das heißt: Inhalte, die bislang gegen die Regeln der Plattformen verstießen, sollen künftig nicht mehr gelöscht werden. Faktenchecks, die bislang irreführende Posts kennzeichneten, sollen wegfallen und durch ein neues nutzerbasiertes System ersetzt werden. Die Änderungen werden zunächst in den USA wirksam.

Die Pläne stellte Zuckerberg am Dienstag in einer Videobotschaft auf Instagram vor. Darin kündigte der Meta-Chef „einfachere Regeln“ und „weniger Restriktionen“ auf seinen Plattformen an. Das Ziel sei, die Meta-Plattformen zurück „zu ihren Wurzeln“ zu führen. In der Vergangenheit hatten sich Facebook und Instagram bemüht, Hassbotschaften und Falschinformationen auf den Plattformen einzuschränken. Dafür wurden große Moderationsteams und externe Faktenchecker engagiert.

Die Community ersetzt den Faktencheck

Insbesondere letztere sollen jetzt der Vergangenheit angehören, kündigt Zuckerberg an. Die Faktenchecker habe man eingeführt, weil „die Altmedien“ nach dem Trump-Sieg 2016 immer wieder berichtet hätten, Demokratien seien durch Desinformationen in sozialen Medien gefährdet. Doch die Faktchecker-Teams, meint Zuckerberg, seien politisch zu voreingenommen gewesen und hätten „mehr Vertrauen zerstört als gewonnen“.

Alles zum Thema Elon Musk

Künftig wolle man statt professionellen Faktenchecks das System der Community-Notes einführen, das bereits von Elon Musks Plattform X bekannt ist. Hier entscheiden Nutzerinnen und Nutzer durch eine Art Abstimmungsmechanismus untereinander, ob ein Post mit einem ergänzenden Hinweis versehen wird oder nicht. Dafür werden die Community-Faktenchecker in unterschiedliche politische Lager eingeteilt, um – zumindest in der Theorie – eine Art Ausgewogenheit herzustellen.

Umgestellt werden soll das System zunächst in den USA. Die EU-Kommission hat Meta bereits gewarnt, das Faktencheck-Programm auch in der EU abzustellen. Thomas Regnier, Sprecher der Kommission im Bereich Digitales, sagte dem Radiosender MDR Aktuell, das Gesetz über digitale Dienste sehe unter anderem vor, dass die Plattformen systemische Risiken wie „Desinformation oder negative Auswirkungen auf den zivilgesellschaftlichen Diskurs“ minderten. Sollte Meta auch in der EU nicht mehr mit unabhängigen Faktenprüfern zusammenarbeiten, müsse die Plattform „eine eigene Risikobewertung durchführen und der Kommission einen Bericht vorlegen“. Andernfalls drohen harte Strafen.

Angriff auf EU-Regeln

Darüber hinaus will sich Meta von einer Reihe von Regeln verabschieden, die bislang zur Löschung von Postings geführt haben – etwa zu Themen wie Migration oder Gender. Die Regeln hätten „keinen Bezug zum Mainstream-Diskurs“, meint Zuckerberg. Menschen mit „anderen Ideen“ würden dadurch von der Debatte ausgeschlossen. „Das ist zu weit gegangen“, resümiert der Meta-Chef.

Auch die Mechanismen, wie unangemessene Postings auf der Plattform entdeckt werden, sollen sich ändern. Automatische Filter sollen künftig nur noch hochsensible Beiträge erkennen und ausschließen – darunter dürften vermutlich etwa Gewaltvideos oder Pornografie fallen. Für weniger sensible Themen wolle man sich künftig auf die Meldungen der Nutzerinnen und Nutzer verlassen – erst dann wolle Meta einschreiten und im Zweifel Postings entfernen.

Politische Postings, die Meta zuletzt enorm auf seinen Plattformen gedrosselt hatte, sollen künftig wieder durch den Algorithmus empfohlen werden. Darüber hinaus will der Meta-Chef den Standort seines Inhalte-Moderationsteams für die USA aus dem liberalen Kalifornien ins konservative Texas verlegen. An diesem Standort gebe es weniger Bedenken bezüglich politischer Voreingenommenheit.

Zum Schluss seiner Rede wendet sich der Meta-Chef auch an Europa: Gemeinsam mit dem neuen US-Präsidenten Donald Trump wolle man Regierungen in anderen Ländern entgegenwirken, die Meta dazu drängten, mehr Inhalte zu „zensieren“. Die EU etwa würde es mit all ihren Regeln schwierig machen, „dort etwas Innovatives aufzubauen“. „Der einzige Weg, dies zurückzudrängen, ist mit der Hilfe der US-Regierung“, meint Zuckerberg. Unter der Biden-Regierung jedoch sei das schwierig gewesen, da diese aus Sicht von Zuckerberg selbst immer mehr „Zensur“ gefordert habe. Nun habe man die Chance, freie Meinungsäußerung „wiederherzustellen“.

Die erstaunliche Kehrtwende des Meta-Chefs

Mit den Ankündigungen vollzieht der Meta-Konzern eine 180-Grad Kehrtwende, die sich in den vergangenen Wochen jedoch angedeutet hatte. Erst im November hatte Zuckerberg mit dem künftigen US-Präsidenten Trump in dessen Mar-a-Lago-Club diniert. Schon damals mutmaßten Medien, der Meta-CEO versuche, die Wahrnehmung seines Unternehmens im rechten Lager nach der schwierigen Beziehung zu Trump zu ändern.

Im Dezember wurde bekannt, dass Meta eine Million Dollar an den Trump-Fund für dessen Amtseinführung gespendet hatte. Am Montag berichteten Medien, dass mit dem Chef des Kampfsportverbands UFC, Dana White, ein Vertrauter des künftigen US-Präsidenten Donald Trump in den Verwaltungsrat von Meta berufen wurde.

Nach dem Sturm aufs Kapitol am 6. Januar 2021 sah die Beziehung zwischen Zuckerberg und Trump noch ganz anders aus: Damals hatte der Meta-Konzern Trump von seinen Plattformen gesperrt. Danach hatte Trump immer wieder gegen Zuckerberg gewettert. Erst im März 2024 nannte Trump die Plattform Facebook den „Enemy of the People“, also den „Volksfeind“.

Wie schlimm wird es wirklich?

Noch unklar sind die Auswirkungen der aktuellsten Entscheidungen des Meta-Konzerns. Vieles, was Zuckerberg in seinem Video ankündigt, inklusive der Wortwahl, klingt nach dem, was der Tech-Milliardär und heutige Trump-Berater Elon Musk bereits im Herbst 2022 mit seiner neu erworbenen Plattform X umgesetzt hatte.

Über die Monate hatte Musk das Netzwerk zu einem Moloch des Hasses umgebaut – unter anderem holte er dafür zahlreiche Influencer und Influencerinnen auf die Plattform zurück, die zuvor wegen Regelverstößen dort gesperrt wurden. Auf seinem eigenen Account verbreitet Musk selbst laufend Verschwörungserzählungen, zuletzt beschimpfte er dort auch mehrfach deutsche Politiker. Es gibt Anzeichen, dass der Algorithmus derartige Inhalte sogar besonders fördert. Zahlreiche Nutzerinnen und Nutzer hatten in den vergangenen Monaten ihren Abschied von X verkündet, weil Diskussionen dort kaum noch möglich seien.

Unklar ist, ob Zuckerberg ebenfalls so weit gehen würde. Im Gegensatz zu Musk, der X vor allem aus ideologischen Gründen erworben haben dürfte, sind die Meta-Dienste ein Milliardengeschäft, das vor allem durch Werbung finanziert wird. Werbekunden jedoch legen Wert auf ein Umfeld, das nicht ausschließlich aus Hassbotschaften und Falschinformationen besteht. Zudem könnte eine zu negative Stimmung Nutzerinnen und Nutzer dazu bewegen, sich von Instagram und Facebook abzumelden.

Politische Diskussion wieder erwünscht

Mit einigen seiner Änderungen dürfte Meta aber auch der Kritik entgegentreten, die zuletzt von vielen Schichten der Nutzerschaft geäußert worden war. Die KI-Filter des Konzerns hatten zuletzt immer wieder Postings entfernt oder ganze Accounts gelöscht, weil sie weder Ironie noch andere Grautöne erkannten. Zudem stand der Konzern zuletzt massiv in der Kritik, weil er politische Inhalte gänzlich auf seinen Plattformen herunterdrosselte. Während des US-Wahlkampfs konnten Nutzerinnen und Nutzer nicht einmal das Wort „vote“ (also: wählen) schreiben, ohne Einbußen in der Reichweite hinnehmen zu müssen. Dies soll mit den neuen Regeln laut Zuckerberg der Vergangenheit angehören.

Vieles deutet jedoch darauf hin, dass der Ton auf den Plattformen künftig rauer werden wird. Zuckerberg hebt in seinem Videobeitrag gleich zwei Themen deutlich hervor, bei denen künftig weniger moderiert werden soll: Migration und Gender.

Facebook war während der Flüchtlingswelle 2015 massiv in die Kritik geraten, weil über die Plattform in erheblichem Ausmaß Stimmung gegen Geflüchtete gemacht wurde. Und auch Personen aus dem LGBTQIA+-Spektrum müssen sich nun wohl fragen, ob die Meta-Dienste künftig noch ein sicherer Ort für sie sind. Die genauen Änderungen der Community-Regeln sind aktuell noch nicht einsehbar – ebenso unklar ist ihre genaue Umsetzung.