„Müssen mit Worst-Case kalkulieren“Was die Krise für Kölner Baufirmen bedeutet
Köln – Der Frühling ist die beliebteste Zeit im Jahr, um einen Neubau zu beginnen. Derzeit ist die Lage auf den Baustellen in der Region jedoch angespannt. Denn auch die Bauwirtschaft gerät durch den Krieg in der Ukraine zunehmend in Bedrängnis. „Auf unseren Baustellen gibt es Nachunternehmer, die bestehende Verträge kündigen möchten, weil sie die vereinbarten Preise nicht mehr halten können“, sagt Martina Müller, Bereichsleiterin beim Kölner Unternehmen Bauwens Development. „Sie versuchen, die Preissteigerungen an ihre Auftraggeber weiterzugeben.“
Martina Müller ist Projektleiterin des sogenannten Waldviertels, das in Rodenkirchen zwischen Konrad-Adenauer-Straße, Bahnstraße und Friedrich-Ebert-Straße entsteht und insgesamt 410 Wohnungen umfassen soll. Sie betont, dass Bauwens die vereinbarten Kaufpreise für Endkunden halten werde. Aber: „Wir werden unter Umständen nicht mehr eins zu eins die Materialien verbauen können, die wir zugesagt hatten, da sie momentan auf dem Markt nicht mehr verfügbar sind.“ Um Übergabetermine zu halten, werde man Alternativen finden müssen.
Stahlpreise haben sich verdreifacht
Denn die Baubranche steht derzeit vor zahlreichen Herausforderungen. Da wären zum einen die starken Preissteigerungen bei Baumaterialien. Schon vergangenen Herbst beklagten Eigentümerverbände angesichts von Lieferengpässen und logistischen Problemen die stärksten Kostenanstiege seit 50 Jahren. Der Stahlpreis habe sich in den vergangenen eineinhalb Jahren verdreifacht, berichtet Müller. Bei Dämmungen betrage das Plus mehr als 50 Prozent, genau wie bei Zement und Kies. Der Glaspreis sei um 30 Prozent gestiegen. „Wir werden von diesen hohen Preisen vermutlich so schnell nicht runterkommen“, sagt Müller. „Schon vorher hatten wir das Problem, dass Produkte sich stark verteuerten. Jetzt kommt erschwerend hinzu, dass sie teils gar nicht mehr verfügbar sind.“
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Der russische Angriffskrieg auf die Ukraine hat die Probleme verschärft. Viele der benötigten Produkte werden eigentlich aus Russland oder der Ukraine importiert. Nickel und Kobalt, zum Beispiel, oder Parkett. „Ein Großteil des Holzes kommt aus Russland. Und in der Ukraine wurde im Krieg eines der größten Parkettwerke Europas zerstört.“
Klopapiereffekt in der Baubranche
Im Baugewerbe führt das zu einer Entwicklung, wie sie Verbraucherinnen und Verbraucher nur zu gut aus dem Supermarkt kennen. „Die Unternehmen versuchen in der Folge, mehr Ware einzulagern. Wir sehen also auch in der Baubranche eine Art Klopapiereffekt“, sagt Müller.
Hinzu kommen logistische Probleme – es fehlen zahlreiche ukrainische LKW-Fahrer – sowie die stark gestiegenen Energiekosten, die sich an allen Stellen der Lieferkette bemerkbar machen. Sollte ein Embargo für russisches Gas kommen, so Müller, ginge „nichts mehr in der Baubranche“.
Keine Generalunternehmen mehr zu finden
All diese Faktoren führen zu großer Unsicherheit. Müller berichtet von einem Bauträger, der den Käufern mitteilen musste, dass sich der Endpreis für ihre Immobilie aufgrund starker Kostensteigerungen noch einmal um 30.000 Euro erhöhe. So etwas schließt sie für das Waldviertel aus. Aber das Beispiel zeigt, wie komplex die Situation ist – gerade für Projekte, die jetzt in den Startlöchern stehen. „Wir finden für zukünftige Bauprojekte aktuell kein Generalunternehmen mehr, das zu einem Fixpreis baut. Trotzdem müssen wir selbst die Preise für unsere Endkunden früh definieren und fixieren. Wir können ihnen ja nicht sagen: Ihre Wohnung wird am Ende irgendetwas zwischen 500.000 und 600.000 Euro kosten.“
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Das bedeutet aber auch, dass sich die Situation am angespannten Wohnungsmarkt in der Region weiter verschärfen dürfte. Zum einen werden die Preise wohl weiter deutlich steigen: „Wenn wir nicht wissen, wie hoch die Kosten tatsächlich werden, müssen wir in der Kalkulation des Endpreises für die Kunden erst einmal von einem Worst-Case-Szenario ausgehen“, sagt Müller. „Die Alternative wäre nicht zu bauen, in der Hoffnung, dass die Preise wieder sinken und sich stabilisieren.“
Einbruch des Wohnungsbaus droht
Zum anderen könnte der Wohnungsbau spürbar einbrechen – obwohl schon jetzt viel zu wenig gebaut wird. Davor warnten zuletzt mehrere Branchenverbände. Beim Hauptverband der Deutschen Bauindustrie gaben zuletzt in einer Umfrage 40 Prozent der Auftraggeber an, Projekte derzeit zurückzustellen. 30 Prozent stornierten sie sogar. Der Verband warnt, die Gefahr sei reell, „dass die Konjunktur in der Bauwirtschaft stark in Mitleidenschaft gezogen wird“. Verbandschef Tim-Oliver Müller fürchtet gar Kurzarbeit: „Vor Wochen hat die Branche noch händeringend um Arbeitskräfte geworben, heute müssen wir uns Gedanken machen, wie wir die halten, die wir haben.“
Martina Müller hofft trotzdem weiter auf eine Entspannung der Situation: „Um optimistisch zu bleiben: Meine Hoffnung ist, dass sich die Lage wieder einpendeln wird. Bei den Energiepreisen sind hohe Zulagen enthalten. Wenn die Politik hier für Entlastung sorgt, glaube ich schon, dass wir mittelfristig zurechtkommen.“ Man müsse sich jedoch auf mehr Flexibilität einstellen. „Nicht mehr auf Just-in-Time-Logistik setzen, sondern unter Umständen mehr Ware lagern, um diese für eine Baustelle zu sichern.“