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Neues GesetzWann im Netz Abmahnungen drohen – und was die neue Regelung ändert

Lesezeit 4 Minuten

Symbolbild

  1. In Deutschland gibt es jährlich etwa 160.000 wettbewerbsrechtliche Abmahnungen.
  2. Gerade für kleine Händler, die die komplexen Vorgaben nicht überblicken, ist das eine große Belastung. Ein neues Gesetz soll sie nun schützen.
  3. Ein Überblick über die Grundlagen einer Abmahnung und was sich hier künftig ändert.

Köln – Es ist eine Horrorvorstellung kleiner Händler im Netz: Wegen eines Fehlers in der Produktbeschreibung oder der Datenschutzgrundverordnung flattert eine wettbewerbsrechtliche Abmahnung ins Haus. Die damit verbundenen Kosten sind im Schnitt vierstellig; es drohen hohe Vertragsstrafen bei wiederholtem Verstoß.

Der Bundesrat hat nun einen Gesetzesentwurf beschlossen, der missbräuchliche Abmahnungen verhindern soll. Anwälte kritisieren den Vorstoß, die Verbraucherzentrale zieht ein gemischtes Fazit. Was hinter solchen Abmahnung steckt – und wie die Rechtslage künftig aussieht.

Wie funktioniert eine wettbewerbsrechtliche Abmahnung?

Für Händler im Netz gelten viele (europarechtliche) Informations- und Kennzeichnungspflichten. Sie müssen beispielsweise über das Widerrufsrecht belehren und bestimmte Angaben zum Datenschutz machen. Hinzu kommen je nach Produktkategorie weitere Auflagen wie die Angabe von Allergenen in Lebensmitteln oder zum Energieverbrauch eines Produkts.

In Deutschland überwachen Mitbewerber und Verbände wie die Verbraucher- oder Wettbewerbszentrale die Einhaltung dieser Auflagen. Der Grundsatz, der dabei gilt, ist im Grunde der gleiche wie im Arbeitsrecht: Gibt es einen Verstoß, können sie eine Abmahnung aussprechen – eine Gelbe Karte zeigen sozusagen. Dabei werden die Abgemahnten dazu aufgefordert, eine Unterlassungserklärung zu unterschreiben. Wiederholen sie ihren Fehler, müssen sie eine Vertragsstrafe zahlen.

Die Zahl, die die Abgemahnten dabei oft am meisten erschrickt, ist die Angabe des Streitwerts für den Fall eines Gerichtsprozesses. Oft handelt es sich dabei um einen fünf- bis sechsstelligen Betrag, der aber eher bürokratischer Natur ist: Er gilt vor allem als Grundlage für die Berechnung der Abmahnkosten.

Welche Zahlen gibt es dazu in Deutschland?

Laut einer Schätzung des Bundesministeriums für Justiz gibt es jährlich etwa 162.000 wettbewerbsrechtliche Abmahnungen. Eine nicht-repräsentative Umfrage des E-Commerce-Dienstleisters Trusted Shops nennt als häufigste Gründe für eine Abmahnung Verstöße in Bezug auf das Widerrufsrecht (15 Prozent), Verstöße in Bezug auf Produktkennzeichnungen (14 Prozent) und fehlerhafte Grundpreisangaben (12 Prozent). Laut Justizministerium belaufen sich die durchschnittlichen Kosten pro Abmahnung auf etwa 1060 Euro. Rund zehn Prozent der Abmahnungen seien „missbräuchlich“.

Inwiefern „missbräuchlich“?

Bislang musste der Abgemahnte dem Abmahner die Anwaltskosten erstatten. Dieser Grundsatz gilt schon lange. Während sich in den rechtlichen Auseinandersetzungen früher jedoch meist große Händler gegenüberstanden, sind es zuletzt zunehmend Soloselbstständige, die im kleinen Rahmen online Produkte anbieten – und die die komplexen rechtlichen Anforderungen nicht durchblicken. Sogenannten „Abmahnanwälten“ wird vorgeworfen, ein Geschäftsmodell aus dieser Unwissenheit zu machen und Händler wegen vermeintlich nichtiger Verstöße zur Kasse zu bitten. Die Anwälte müssen dabei aber weiter im Auftrag eines Mitbewerbers handeln und können nicht selbst die Initiative ergreifen.

Was besagt das neue Gesetz?

Das „Gesetz zur Stärkung des fairen Wettbewerbs“ soll vor allem Selbstständige, kleine und mittlere Unternehmer schützen. Mitbewerber können künftig keine Kostenerstattung mehr für Verstöße gegen Informations- und Kennzeichnungspflichten im Internet oder Datenschutzverstöße verlangen, wenn ein Unternehmen weniger als 250 Mitarbeiter hat. Wenn eine missbräuchliche Abmahnung erkannt wird, können Betroffene künftig die Erstattung der Kosten für ihre eigene Rechtsverteidigung verlangen. Außerdem müssen sich Wirtschaftsverbände auf einer Liste eintragen lassen, um die Befugnis zum Abmahnen zu haben.

Was sagen Anwälte und Verbraucherzentrale dazu?

„Das Gesetz legt die Axt an Grundzüge des Wettbewerbsverfahrensrechts an“, sagt Thomas Engels, Fachanwalt für IT-Recht und Partner bei Lexea-Rechtsanwälte in Köln. Man könne natürlich hinterfragen, ob bestimmte Dinge, die heutzutage abmahnbar seien, wirklich Sinn ergäben. „Aber dann muss man schauen, dass die Informationspflicht nicht mehr im Gesetz steht – und nicht, dass man sie nicht mehr juristisch verfolgt.“ Engels arbeitet in seiner Kanzlei sowohl mit Onlinehändlern, die Konkurrenten abmahnen wollen, wie mit solchen, die gegen eine Abmahnung vorgehen. Eine Deckelung der Streitwerte, wie sie im Gesetz ebenfalls vorgesehen sei, führe dazu, dass Anwälte teils nicht mehr kostendeckend arbeiten könnten. Er weist darauf hin, dass die EU Kommission erst im Januar in einer Untersuchung feststellte, zwei Drittel aller kommerziellen Onlineshops würden gegen EU-Verbraucherrechte verstoßen.

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Die Verbraucherzentralen sind von den meisten Neuerungen nicht betroffen. „Wir verdienen damit kein Geld, für uns ist das kein lukratives Geschäft“, sagt Michaela Schröder, Leiterin Recht und Handel im Bundesverband. Man konzentriere sich vor allem auf größere Verstöße, zuletzt zum Beispiel auf intransparente Bewertungskriterien auf Vergleichsseiten. Allerdings müssen künftig alle klagebefugten Verbände dem Ministerium regelmäßig berichten – was für die kleineren Landesverbände eine große Belastung sei.