- Bestellen, liefern lassen, auspacken, anprobieren, einpacken, zurückschicken. 500 Millionen im Netz georderte Artikel treten pro Jahr ungenutzt die Rückreise an.
- Das geht auf Kosten der Einzelhändler vor Ort und der Umwelt, da die Ware einzeln um die Welt geflogen wird. Zeit für eine Zwangsgebühr?
- Nein, sagt Wirtschafts-Redakteur Thorsten Breitkopf. Dieser staatliche Eingriff wäre nicht verhältnismäßig. Auf jeden Fall, sagt Claudia Lehnen. Unvernunft ist am besten in den Griff zu kriegen, wenn sie Geld kostet.
- Unser Streit der Woche.
Es ist vor allem ein schneller und häufiger Reflex bei deutschen Politikern: Sobald unerwünschte Effekte auftreten, wird nach einer staatlichen Regulierung gerufen, und das lautstark. So war es beim fleischfreien Kantinentag, beim erwogenen Verbot von Heizpilzen in Innenstädten – und 2012 wünschte man sich im Bundestag gar ein Verbot von Motorrollern.
Viele scheinen zu vergessen, dass wir zwar in einer sozialen, wohl aber auch in einer freien Marktwirtschaft leben. Dass heißt im Umkehrschluss auch, dass Kontraktionsfreiheit besteht, dass also Händler und Kunde vereinbaren können, wie der Kauf per Vertrag zwischen ihnen abgewickelt werden soll. Das ist ein wesentlicher Bestandteil einer Marktwirtschaft und damit Basis unseres Wohlstandes.
Und bei Internetgeschäften hat es sich nun einmal eingebürgert, dass in vielen Fällen die Rücksendung eines nicht gefälligen Artikels für den meist privaten Käufer kostenlos ist. Das ist und war vor allem in der Anfangsphase des Internet-Versandhandels notwendig, um wettbewerbsfähig gegenüber den etablierten Händlern zu sein. Denn im stationären Handel ist eine Umtauschmöglichkeit zwar Kulanz, aber dennoch weit verbreitet.
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Ohne kostenlose Retouren würden auch die recht strengen deutschen Verbraucherschutz-Regeln im Netz obsolet werden. Denn diese garantieren (anders als bei der Freiwilligkeit bei Bar-Geschäften) ein zweiwöchiges Umtauschrecht für Privatkunden.Für den Handel jedenfalls scheinen sich die kostenlosen Retouren zu rechnen. Oder besser gesagt: Wenn Amazon, Zalando und Co. ordentliche Kaufleute sind, dann haben sie die Kosten für die Rücksendung bereits eingepreist. Und so wird es mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit auch sein, denn sonst hätten diese Internet-Giganten gar kein Geschäftsmodell. Wenn diese Versandhäuser nun aus ökologischen und/oder ökonomischen Gründen dennoch zu der Ansicht kämen, eine Gebühr für die Rücksendung erheben zu wollen, dann können sie das tun. Auch das ist Vertragsfreiheit. Dafür braucht es kein Gesetz.
Müll- und Emissionsvermeidung ist eine gute Sache, Verbraucherschutz aber auch, angesichts einer großen Informationsasymmetrie zwischen Internethändler und Privatkunden. Diese wird dadurch abgemildert, dass eben die kostenlose Rückgabe möglich ist. Und zwar nicht nur, wenn die Ware kaputt ist, sondern auch, wenn sie nicht so aussieht, wie es die bunte Internetseite versprach.
Natürlich ist es sinnvoll, Rücksendungen mit Blick auf Verpackung, die CO2-Emissionen beim Transport oder gar die Vernichtung der Ware zu vermeiden. Doch auch dazu bietet der freie Markt Möglichkeiten. So stünde es etwa dem Versandhändler offen, eine Art Bonussystem einzuführen: Wer etwa mehrfach auf eine Rücksendung verzichtet, und damit also auch dem Händler erhebliche Kosten erspart hat, der erhält einen Gutschein oder einen Rabatt beim nächsten Einkauf. Das könnte sogar wirtschaftlich Sinn machen und die Kundenbindung erhöhen.
Grundsätzlich ist ein staatlicher Eingriff nur bei einem Marktversagen verhältnismäßig. Das aber liegt in keiner Weise vor. Ganz im Gegenteil. Die Internet-Versandbranche boomt wie kaum eine andere. Und das, weil sie eben Kundenwünsche erfüllt.
Thorsten Breitkopf
Pro-Zwangsgebühr
Ware für den Müll
Als mein Cousin vor ein paar Jahren in der Nähe von Verona den Bund des Lebens schloss, bestellte ich vorab in einer Nacht voller Großzügigkeit und Mondänität fünf außergewöhnliche Sommerkleider bei einem großen Mode-Online-Händler. Schon vorher war mir klar, dass ich vier davon wieder zurück schicken würde. Im Nachhinein kann ich sagen: Retour gingen fünf.
Sie passten nicht zu meinen Schuhen, fielen schlecht, betonten meinen Körper in unvorteilhafter Weise und das mit den Pailletten war natürlich ohnehin eine riesengroße Schnapsidee. Ich trug unter der Sonne Italiens am Ende mein altes, rotes Lieblingskleid, dessen eingerissenen Saum ich notdürftig mit doppelseitigem Klebeband fixierte.
Ich bin leider nicht die einzige Sünderin. 500 Millionen online bestellte Artikel haben die Deutschen laut einer Studie der Universität Bamberg im vergangenen Jahr ausgepackt, vielleicht kurz anprobiert und dann ungenutzt wieder auf die Rückreise geschickt. Damit schickt jeder Erwachsene in Deutschland etwa zehn bestellte Waren im Jahr wieder an den Anbieter zurück. Ein neuer Rekord, verursacht einerseits durch verbraucherfreundliche Gesetze. Andererseits durch große Onlinehändler, die ihren Kunden die Kosten für die Retouren erlassen.
Für den Kunden, der im Konsumrausch zu Hause seine zwanzig Paar goldene Highheels durchprobiert, um sich dann zu entscheiden, dass er lieber schwarze Turnschuhe hätte, ist das natürlich bequem. Aber für die Umwelt? Ein Desaster. Laut dem Umweltverband BUND geht ein Drittel des Verkehrs in deutschen Städten auf Güter- und Lieferverkehr zurück. Und der überflüssige CO2-Ausstoß ist nur das eine Problem. Das andere ist, dass zurückgeschickte Waren von Onlinehändlern häufig auf dem Müll landen, da vernichten billiger ist als Menschen anzustellen, die Rücksendungen auf Unversehrtheit inspizieren.
Setzen auf Vernunft
Helfen würde natürlich ein bisschen Vernunft. Unnötiges Klamottenshoppen vermeiden, bei Größen- oder Farbunsicherheiten lieber in den Laden nebenan gehen und sich die Ware angucken, statt sich jedes Produkt in fünf verschiedenen Ausfertigungen herankarren zu lassen. Da aber Unvernunft immer noch am besten in den Griff zu kriegen ist, wenn sie Geld kostet, muss eine Retourengebühr her. Und zwar verpflichtend. Bei einem Preis von rund drei Euro pro zurückgesendeter Ware rechnen Händler laut Umfragen der Uni Bamberg mit einem Rückgang der Retouren um 16 Prozent.
Davon profitieren könnte nicht nur die Umwelt, sondern auch diejenigen Verbraucher, die wenig Waren zurücksenden. Die könnten dann nämlich mit niedrigeren Preisen rechnen, da für die Retouren nicht mehr die Allgemeinheit, sondern nur der Verursacher bezahlen müsste.
Und auch kleine Anbieter würden von der Gebührenpflicht profitieren. Denn gerade sie tun sich ungleich schwerer, die Kosten eines Gratis-Rücksende-Services zu stemmen, während Branchenriesen auf günstige Logistik zurückgreifen und damit kleinen Läden gegenüber im Vorteil sind. Der Lohn für das Weniger an Verbraucherschutz: Sauberere Luft, weniger Müll, mehr Anbietervielfalt. Das ist es doch wert.
Claudia Lehnen