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Wirtschaftswissenschaftler HaucapSo wird das Rheinland zu einer „smarten” Region

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Wirtschaftswissenschaftler Prof. Justus Haucap.

Düsseldorf – Prof. Justus Haucap ist ist Direktor am Institute for Competition Economics (DICE) an der Heinrich-Heine-Universität in Düsseldorf. Im Interview spricht der Ökonom unter anderem über smarte Wirtschaft und Lastenräder.

Herr Haucap, weder Corona-Krise noch Ukraine-Krieg ist etwas Gutes abzugewinnen. Aber haben sie der Wirtschaft im Sinne der Smart Economy einen Schub gegeben?

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Prof. Dr. Justus Haucap, Direktor des DICE an der Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf.

Was den digitalen Arbeitsalltag angeht, dann hat zumindest die Pandemie mit ihren Auswirkungen der Wirtschaft einen digitalen Schub gegeben. Viele arbeiten heute wie selbstverständlich von zu Hause, wenn sie es wollen. Es funktioniert ziemlich reibungslos. Auch wir im Universitätsbetrieb haben profitiert. Studenten können heute Vorlesungen dann abrufen, wann sie möchten, oder zur Auffrischung vor der Klausur. Das alles wäre ohne die Pandemie niemals so schnell gegangen. Wir müssen jetzt nur aufpassen, dass wir nun nicht in alte, vor-digitale Muster zurückfallen.

Haben Sie Beispiele für die Digital-Revolution?

Heute haben Sie selbstverständlich an allen Orten und mit allen Geräten Zugriff auf alle Daten, wenn Sie es wollen. Das ist sehr smart, spart Speicherkapazität, unnötige Wege und macht Prozesse schneller und effizienter. Das wäre sicher auch ohne Corona so gekommen und hat auch schon vorher begonnen. Aber der plötzliche Zwang durch Corona hat den Prozess um Jahre, vielleicht um ein Jahrzehnt beschleunigt und die Vorteile erkennen lassen. Heute nehme ich digital auch an kleineren Veranstaltungen teil, ich schalte mich kurz zu und bin wieder weg, fast ohne Aufwand. Ich wäre früher sicher nicht für so ein kleines Zusammentreffen nach Gummersbach oder Düren gefahren. Brauch ich auch nicht, dank der digitalen Vernetzung bin ich doch dabei ohne großen Qualitätsverlust.

Gibt es Bereiche, die noch nicht so smart arbeiten wie es möglich wäre?

In weiten Teilen der Staat, der Öffentliche Dienst. Der ist immer noch schwerfällig. Auch das hat die Corona-Pandemie gezeigt: , die Gesundheitsämter hatten erheblich Probleme, Daten zu erfassen und zu melden, wo es wie viele Infektionen gibt. Da sind große Lücken aufgetreten, die es alsbald zu schließen gilt.

Was ist im positiven Sinne ein Leuchtturmprojekt der Smart Economy?

Mit Sicherheit der Ausbau des 5G-Netzes, vorangetrieben von zwei Firmen aus dem Rheinland, Vodafone aus Düsseldorf und der Telekom aus Bonn. Der Ausbau kommt gut voran. Gleichzeitig hat Deutschland es besser gemacht als andere Länder. Bei 5G sind auch sogenannte Campusnetze möglich, also lokale 5G-Netze, die von anderen Firmen als den großen Playern bespielt werden können, etwa von einer Uni oder einem Chemieparkbetreiber.

Welche Wirtschaftszweige leben das Prinzip der Smart Economy heute am intensivsten?

Es gibt viele, ich greife mal eines raus, was viele nicht auf dem Schirm haben: Die Landwirtschaft. Die Fortschritte bei Ackerbau und Viehzucht sind enorm, auch wenn wir als Rheinländer aus den großen Städten diesem Sektor oft fälschlicherweise nur wenig Beachtung schenken. So ist es heute möglich auf 1,5 Zentimeter genau Dünger auf eine ganz spezielle Pflanze auszubringen. Das ist effizient, smart und schon Ressourcen und Umwelt.

Ist Smart Economy auch Nachhaltigkeit?

Ich hadere mit dem Modewort der Nachhaltigkeit. In der Forstwirtschaft verstehe ich ihn. Nachhaltigkeit besagt, dass nicht mehr Bäume gefällt werden sollen als nachwachsen können. Keine Generation soll auf Kosten der nächsten leben. Beim Klimaschutz passt der Begriff daher auch. Aber heute ist Nachhaltigkeit auch Gleichberechtigung aller Geschlechter, Kampf gegen den Hunger oder faire Löhne in anderen Ländern. Der Begriff verwässert.

Was sind die wirtschaftlichen Stärken der Region Rheinland?

Eine Studie, die wir für das NRW-Wirtschaftsministerium gemacht haben, kam zu dem Ergebnis, dass NRW vor allem für B2B-Plattformen ein starker Standort ist. Klar ist aus meiner Sicht als Ökonom: Der breite Branchenmix in NRW und das Nebeneinander von Dax-Konzernen auf der einen und kleinen innovativen Mittelständlern auf der anderen Seite macht die Stärke der Region aus.

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Müssen die rivalisierenden Städte des Rheinlands, also ausdrücklich genannt Köln und Düsseldorf, enger zusammenrücken, um die Region zu stärken?

Nein, keineswegs. Konkurrenz belebt das Geschäft. Auch die Konkurrenz zwischen Köln und Düsseldorf. Man sieht das im kleinteiligen Neuengland an der US-Ostküste. Dort konkurrieren viele Gebietskörperschaften, und eine arme Gegend ist das wahrlich nicht. Was in einer Stadt angeblich nicht geht, geht dann eben in der Nachbargemeinde. Natürlich muss ein kommunaler Wettbewerb in einem geregelten Rahmen stattfinden, aber das ist ja im Rheinland gegeben. Die Nachbarschaft der wettbewerbsfähigen Orte, dazu gehören sicher auch Aachen mit der RWTH und Bonn oder Leverkusen mit ihren Dax-Konzernen, bringt Nutzen für alle Spieler in der Region.

Was muss das Rheinland tun, um zu einer smarten Region zu werden?

Der Verkehr in den Städten muss besser geregelt werden, und damit meine ich nicht den viel beschworenen Ausbau der Fahrradwege. Das mag man gut finden, aber smart ist das nicht. Lastenräder sind keine Smart Economy. Dazu brauchen wir intelligentere Systeme des ÖPNV. Vielleicht brauchen wir auch die unpopuläre Citymaut in unseren rheinischen Metropolen. In Stockholm und Singapur haben sie nach einigen Jahren des Ärgerns viel gebracht. Auch flexible Busse, die Passagiere da abholen, wo sie stehen und nicht nur an festen Haltestellen, wären eine smarte Lösung für die Verkehrsprobleme unserer Großstädte.

Das Gespräch führte Thorsten Breitkopf