AboAbonnieren

Ohrfeige, KlapsDürfen Eltern ihre Kinder „ein bisschen“ schlagen?

Lesezeit 4 Minuten

Gewalt in der Kindererziehung ist verboten – das gilt auch für einen kleinen Schlag. In der Regel wird ein Ermittlungsverfahren bei einem einmaligen Klaps aber wegen geringer Schuld eingestellt, noch bevor es zur Anklage kommt.

Ein Kind zu erziehen, das ist alles andere als leicht. Viele Eltern fragen sich, wie sie sich verhalten sollen, wenn ihr Sprössling zum fünften Mal das Essen als Wurfgeschoss verwendet oder – ohne nach rechts und links zu schauen – über die Straße läuft. Schließlich ist es ihre Aufgabe, dem Nachwuchs Werte und Manieren beizubringen und sie vor Gefahren zu schützen. Liebe ohne Strenge funktioniert daher nicht. Strenge bedeutet aber nicht, das Kind zu demütigen oder zu schlagen. Denn Kinder haben ein Recht auf gewaltfreie Erziehung.

Es gibt kein „Züchtigungsrecht“ mehr

Während es früher als selbstverständlich angesehen wurde, sein Kind notfalls auch mit Prügel zu erziehen, hat der Gesetzgeber dem sogenannten Züchtigungsrecht mittlerweile einen Riegel vorgeschoben: Nach § 1631 II BGB (Bürgerliches Gesetzbuch) ist es Eltern – und natürlich auch anderen Personen wie Lehrern, Babysittern und anderen Aufsichts- bzw. Erziehungspersonen – verboten, Kinder psychisch wie physisch zu verletzen bzw. sie zu erniedrigen. Denn wer ein Kind derart verletzt, verletzt auch dessen Würde und gefährdet nicht selten das Kindeswohl.

Die Vorschrift verbietet Eltern aber nicht generell, ihre Sprösslinge bei Fehlverhalten zu bestrafen – schließlich muss ein Kind merken, dass es einen Fehler gemacht hat, um sich weiterentwickeln zu können. So sind etwa pädagogische Maßnahmen wie Taschengeldentzug und Hausarrest in gewissem Rahmen zulässig.

Auch kann Gewalt an sich erlaubt sein, wenn man dadurch das Kind vor einer Gefahr schützt. Etwa wenn man das Kind vom Zündeln abhalten will, indem man ihm die Streichhölzer entreißt oder wenn man es zurück auf den Gehweg zieht, um zu vermeiden, dass es auf der Straße von einem Auto angefahren wird.

Voigt_Sandra_11_1x1_800px

Sandra Voigt

Gastautorin Sandra Voigt ist Assessorin und Redakteurin bei anwalt.de.

Wird das Kind danach für sein Handeln aber geschlagen oder gedemütigt – zum Beispiel durch Niederbrüllen vor sämtlichen Mitschülern oder Passanten – ist das Verhalten nicht mehr vom Grundrecht der Eltern auf Pflege und Erziehung ihres Kindes nach Art. 6 II GG (Grundgesetz) umfasst.

Gewalt gegen Kinder ist strafbar

Ein Verstoß gegen § 1631 II BGB zieht keine Sanktionen nach sich. Falls durch das Verhalten der Eltern aber das Kindeswohl gefährdet wird, sind weitere Maßnahmen möglich. So kann beispielsweise einem dauerhaft gewalttätigen Elternteil gerichtlich verboten werden, weiterhin die Wohnung gemeinsam mit dem Kind zu nutzen und Kontakt zum Kind aufzunehmen. Ferner droht ihm auch noch ein teilweiser Entzug des Sorgerechts.

Für viele Eltern stellt sich aber vor allem die Frage, ob sie sich auch schon strafbar machen, wenn sie ihrem Kind „bloß“ eine Ohrfeige oder einen Klaps auf den Hintern verpassen. Die Antwort lautet: Ja, die Eltern machen sich zumindest nach § 223 StGB (Strafgesetzbuch) strafbar. Das gilt vor allem für die bekannte „Tracht Prügel“ oder für Schläge mit einem Stock, einer Leine oder anderen Schlag-Instrumenten.

Schon eine Ohrfeige ist Körperverletzung

Aber auch die – unter Umständen einmalige – Ohrfeige oder der Klaps auf den Hintern fällt bereits in die Kategorie „Körperverletzung“: Beides stellt doch wenigstens eine körperliche Misshandlung dar. Ansonsten könnten Eltern Gewalt bei der Kindererziehung verharmlosen, und das sogenannte Notwehrrecht nach § 32 StGB würde ins Leere laufen. Ferner kommt eine Strafbarkeit wegen der Misshandlung von Schutzbefohlenen in Betracht, etwa bei ständiger seelischer Misshandlung des Kindes, wenn man es vernachlässigt oder regelmäßig ignoriert.

Vier von zehn Eltern schlagen zu

Erschreckende Ergebnisse

Körperliche Gewalt gehört noch immer zum gängigen Repertoire der Erziehungsmethoden. Das ergab eine repräsentative Umfrage des Forsa-Instituts. Die körperliche Züchtigung ist aus den Familien noch immer nicht verschwunden, zeigen die Ergebnisse. Zwar ist die Gewalt rückläufig, aber vier von zehn Vätern und Müttern bestrafen ihre Kinder immer noch mit einem „Klaps auf den Po“. Die Studie im Auftrag der Zeitschrift Eltern zeigt außerdem, dass Jungen häufiger geschlagen werden und dass es in kinderreichen Familien eher zu Gewalt kommt.

Allerdings soll die gewaltlose Kindererziehung die Kinder schützen, nicht aber die Eltern kriminalisieren und am Ende den Familienfrieden wegen einer „Lappalie“ zerstören. So wird eine einfache Körperverletzung § 223 StGB nur auf Antrag oder – sofern die Polizei oder Staatsanwaltschaft irgendwie davon Kenntnis erlangen sollte – bei besonderem öffentlichem Interesse verfolgt. Wobei das besondere öffentliche Interesse aber bei einer einfachen und einmaligen Ohrfeige wohl verneint wird. In der Regel wird ein Ermittlungsverfahren somit wegen geringer Schuld eingestellt, noch bevor es zur Anklage kommt.

Die lieben Kleinen machen beim Spielen schnell mal was kaputt – wann Eltern für ihre Kinder haften, erklärt die Bildergalerie:

Das könnte Sie auch interessieren: