Wie Energiegenossenschaften funktionieren und wieso das Erneuerbare-Energien-Gesetz 2023 die Branche verändert. Ein Beispiel aus Köln.
Photovoltaik-BrancheBürger gründen Energiegenossenschaften für Strom von Kölner Dächern
Kay Voßhenrich hätte das Konzept für seine Energiegenossenschaft mit dem späteren Co-Gründer Ramon Kempt an keinem passenderen Ort erarbeiten können: Während der Montage von PV-Anlagen auf den Dächern Kölns entschieden sie sich 2010, die Energiegewinner ins Leben zu rufen.
„Wir wollen die Mitglieder in den Vordergrund stellen, damit diese mit uns ihre persönliche Energiewende umsetzen“, sagt Voßhenrich heute über die von Anfang an bundesweite Ausrichtung der Unternehmung. „Also haben wir von Anfang an über das Internet gedacht.“ Damit unterscheidet sich die Kölner Genossenschaft von den meist explizit auf eine Region ausgerichteten Mitstreitern.
Ihr Modell sieht den Verkauf einzelner Module einer größeren PV-Anlage vor, also keine rein finanzielle Beteiligung, sondern den Erwerb „dinglichen Eigentums an einem Solarkraftwerk“, so nennt er es. Das muss nicht auf dem eigenen Dach oder Balkon sein, möglich ist zum Beispiel auch das Schuldach im Viertel. Oder auf Dachflächen von Unternehmen, die diese einer Genossenschaft bereitstellen, aber keine eigene Anlage betreiben wollen. Die Käufer verpachten das Modul dann zurück an die Genossenschaft, die für sie den Strom einspeist.
Alles zum Thema Deutscher Bundestag
- „Als würde er ihn auslachen“ Europa schimpft, Moskau feixt – Kanzler nach Putins „wahrer Antwort“ im Kreuzfeuer
- Kontaktaufnahme Olaf Scholz und Wladimir Putin: Nutzlose Gespräche
- Bundesparteitag Brantner und Banaszak sind die neue Grünen-Chefs
- Bundestagswahl Was der frühe Wahltermin für die Parteien in Rhein-Erft bedeutet
- Kremlchef bleibt hart, Kritik aus Kiew Scholz telefoniert erstmals seit zwei Jahren mit Putin
- Erleichterung beim Verkehrsverbund Rhein-Sieg Deutschlandticket ist für 2025 gesichert
- Bus und Bahn Deutschlandticket 2025 gesichert – aber nicht langfristig
Genossenschaften schließen sich zu den Bürgerwerken zusammen
Den Vertrieb organisieren die Bürgerwerke, ein Verbund von 118 Energiegenossenschaften in ganz Deutschland mit zusammen 50.000 Mitgliedern. Über sie kann der Bürgerstrom auch aus Köln bezogen werden.
Energiegenossenschaften wollen eine dezentrale Energiewende schaffen. Mit Bürgerstrom soll die Versorgung unabhängig, gemeinschaftlich und vor allem nachhaltig bereitgestellt werden. Insbesondere Bürgerinnen und Bürger mit Interesse an Solarenergie schließen sich zu regionalen Gruppen zusammen, wo sie sich mit Genossenschaftsanteilen von meist 50 Euro bis 500 Euro beteiligen können.
Das nehmen zu 95 Prozent Privatpersonen an, und jede und jeder von ihnen hat dasselbe Mitspracherecht – eben eine Genossenschaft. Wenn es bei der Generalversammlung um die Verwendung von Gewinnen geht, gilt das Mehrheitsprinzip. Sie verstehen ihre Rechtsform daher als Demokratisierung der Energieversorgung.
Das Erneuerbare-Energien-Gesetz bereitete vor zwanzig Jahren den Weg für Energiegenossenschaften. Bürger schlossen sich zusammen, installierten PV-Anlagen auf privaten, kommunalen und gewerblichen Dächern. Der Anteil erneuerbarer Energien am Strommix nahm zu – 2011 verdoppelte sich der Anteil der Energie aus Photovoltaik im Vergleich zum Vorjahr auf insgesamt 3,2 Prozent.
Ausbau von Photovoltaik stagniert 2012
Dann beschloss der Bundestag die PV-Novelle: 2012 wurde die Vergütung für Solarstrom herabgesetzt sowie neue Anlagen mit mehr als zehn Megawatt Leistung gar nicht mehr gefördert. Der Bau von Solaranlagen stagnierte.
Der rasante Anstieg der Neugründungen von Energiegenossenschaften, wie es sie von 2006 (8 Energiegenossenschaften in Deutschland) bis 2013 (kumuliert nun 718) gab, ebbte ebenfalls ab: Ab 2013 kamen nur noch 150 neue hinzu.
Nach der Flaute Anfang der 2010er Jahre zog der Markt der PV-Anlagen 2017 wieder an. Energiegewinner wuchs mit und gründet ein Tochterunternehmen zur Montage und Technik. Neben dem Verkauf von Einzelmodulen auf Gewerbeflächen installieren sie auch Anlagen auf Eigenheimen, bis heute 650 in NRW, davon den Großteil in Köln.
Erneuten Aufschwung erlebt die Branche seit dem russischen Überfall auf die Ukraine. „Die Eigenstromversorgung im Gewerbe ist ein Boom, der voriges Jahr entstanden ist“, sagt der heutige Vorstand Hubert Vienken. Und wegen Handelseinschränkungen der USA mit China gibt es zurzeit ungewöhnlich viele PV-Module in Europa. „Die Modulpreise werden kaum mehr günstiger als jetzt“, sagt Vienken. „Aber eine Anlage besteht aus mehr“, fügt er an, denn auch die Solarteure haben Fachkräftemangel und suchen Handwerker.
Das EEG2023 ändert Förderung von Photovoltaik-Anlagen grundlegend
Ein weiterer Grund für den erneuten Aufschwung ist die jüngste Novellierung des EEG vom 1. Januar 2023. Die Ausbauraten von Solarenergie werden massiv angehoben, etwa durch wieder höhere Förderungen. „Wir sind bezüglich der wirtschaftlichen Rahmenbedingungen wieder auf einem Niveau angekommen, auf dem wir vor zwölf Jahren schon einmal waren“, sagt Gründungsmitglied Voßhenrich.
Eine Branchen verändernde Neuerung ist die erweiterte Förderung von Anlagen auf Freiflächen. „Das ist im PV-Bereich das neue Zukunftsfeld“, sagt Vorstand Hubert Vienken. Auch die Energiegewinner steigen jetzt in dieses Geschäft ein: Die Flächenakquise in Köln läuft mit Nachdruck.
Heute gibt es 877 Energiegenossenschaften laut des Deutschen Genossenschafts- und Raiffeisenverbands, von denen der Großteil von Bürgern und für Solaranlagen geschlossen wurde. Sie investieren 2022 3,4 Milliarden Euro in erneuerbare Energie und erzeugen 9 Terawattstunden Strom aus Wind und Sonnenenergie, so der Verband. 2022 stammen 10,9 Prozent den deutschen Strommixes aus Photovoltaik.