Pläne des Streaming-RiesenNetflix steigt ins Geschäft mit Videospielen ein
Köln/Los Gatos – Der Streaming-Riese Netflix hat mit seinen Serien und Filmen im zweiten Quartal so wenige neue Nutzer anlocken können wie noch nie zuvor in einem Vierteljahr. In den drei Monaten bis Ende Juni nahm die weltweite Anzahl der Abonnenten lediglich um 1,5 Millionen auf insgesamt gut 209 Millionen zu, wie das Unternehmen am Dienstagabend nach US-Börsenschluss mitteilte. Auch die Prognose für das laufende Quartal fiel mit 3,5 Millionen neuen Kunden relativ mager aus. Der Streaming-Marktführer steht angesichts verschärfter Konkurrenz unter Druck und will nun in neue Märkte expandieren.
Online-Shop für Fanartikel eröffnet
Im Juni eröffnete der Pionier des Fernsehens im Internet einen Online-Shop für Fanartikel. Noch ist das Angebot gering, doch perspektivisch könnte sich Netflix so – ganz nach dem Vorbild des großen Kontrahenten Disney – eine bedeutende zusätzliche Erlösquelle durch Merchandising erschließen.
Zudem werden die Pläne für einen Angriff im Geschäft mit Videospielen konkreter. „Wir sind am Anfang einer Expansion in den Spielebereich und bauen auf unsere früheren Bemühungen auf“, heißt es in der Quartalsmitteilung. Namentlich bezieht sich Netflix etwa auf „Black Mirror Bandersnatch“. In dem interaktiven Science-Fiction-Film aus dem Jahr 2018 können Zuschauerinnen und Zuschauer per Fernbedienung Entscheidungen für die Hauptfigur treffen und damit den Ausgang der Geschichte beeinflussen.
Auch zur Mystery-Serie „Stranger Things“ hat es bereits Spiele-Adaptionen gegeben. So erschien zeitgleich zur dritten Staffel der Coming-of-Age-Geschichte ein Abenteuerspiel, das auf der Nintendo-Konsole Switch, der Playstation 4 und Microsofts Xbox One ebenso lief wie auf Computern und Smartphones. Künftig werde sich Netflix primär auf mobile Spiele fokussieren, teilt das Unternehmen nun mit. Nach Informationen von Bloomberg soll das Angebot 2022 starten.
Keine zusätzlichen Kosten
Der Trend, Videospiele auf Servern im Netz laufen zu lassen und die Nutzer auf allen möglichen Geräten per Streaming übers Internet spielen zu lassen, gewinnt gerade mit Angeboten unter anderem von Microsoft, Google und Nvidia an Fahrt.
„Wir betrachten Spiele als eine weitere neue Inhaltskategorie, ähnlich zu unseren Eigenproduktionen bei Filmen und Serien“, schreibt Netflix in der Mitteilung. Zusätzliche Kosten sollen nicht auf Kundinnen und Kunden zukommen: So sollen die Spiele in das Netflix-Abo integriert werden. Eine zusätzliche App soll es nach Informationen von Bloomberg dafür nicht geben, Gaming-Inhalte können künftig neben Filmen, Dokumentationen oder Comedy-Programmen ausgewählt werden.
Videospiele seien ein „interessanter Baustein“, um das Erlebnis rund um die Welten aus den Filmen und Serien des Dienstes zu vertiefen, sagte der für das operative Geschäft zuständige Manager Greg Peters bereits im April. Auf seiner Homepage sucht Netflix derweil nach Spiele-Experten.
In der vergangenen Woche wurde schließlich bekannt, dass Netflix den Branchenveteranen Mike Verdu verpflichtet hat. Verdu kommt von Facebook, wo er für die Zusammenarbeit mit Entwicklern von Spielen für die VR-Brille Oculus verantwortlich war. Zuvor arbeitete er beim Branchenriesen Electronic Arts. Bei Netflix wird er Vizepräsident für Spieleentwicklung, wie der Videostreaming-Dienst bereits bestätigt hat.
„Kein großer Gegenwind durch Wettbewerber“
Bange vor Streaming-Konkurrenten wie dem Hollywood-Giganten Walt Disney und anderen finanzstarken Rivalen wie WarnerMedia mit dem beliebten Bezahlsender HBO („Game of Thrones“) oder Amazon, die sich durch Fusionen und Zukäufe stärken wollen, ist Netflix-Chef Reed Hastings auch ohne die Gaming-Pläne nicht. „Wir sehen keinen großen Gegenwind durch neue Streaming-Wettbewerber.“
Netflix konnte im vergangenen Quartal durchaus mit einigen Produktionen punkten. So war etwa die zweite Staffel der französischen Gauner-Serie „Lupin“ ein Hit, der allein in der ersten Woche von 54 Millionen Nutzerkonten abgerufen wurde. Solche Erfolge verblassten jedoch im Vergleich zum Streaming-Boom, den die Corona-Krise 2020 ausgelöst hatte.
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Im Vorjahreszeitraum, als viele Menschen pandemiebedingt zu Hause festsaßen, gab es einen regelrechten Ansturm auf Netflix. Im ersten Halbjahr 2020 hatte das Unternehmen einen rasanten Zuwachs von über 25 Millionen neuen Nutzern verbucht. (mit dpa)