Der Ausbau von Solarenergie geht zwar voran, aber zu langsam, meint Susanne Jung vom Solarenergie-Förderverein. Die Geschäftsführerin berichtet darüber, was nun passieren muss und was sie und ihr Verein über die Aktivisten der „Letzten Generation“ denken.
Solarenergie-Expertin im Interview„Man muss den Menschen durch den Dschungel helfen“
Frau Jung, Ihr Verein hat sich auf die Förderung von Solarenergie spezialisiert und berät Politik und Bürger. Wie steht es um den Solarausbau in Deutschland?
Susanne Jung: Es geht voran, das muss man deutlich sagen. Die Bundesregierung hat erneuerbaren Energien eine außerordentliche Bedeutung zugesprochen, allerdings kommt das zu spät und auch die Zielvorgaben, die sich die Politiker setzen, sind viel zu gering. Bis zum Jahr 2030 sollen 80 Prozent des Stroms aus erneuerbaren Quellen stammen, bis 2045 sollen es 100 Prozent sein. Im Erneuerbaren-Energien-Gesetz ist allerdings nur einen Strommengenpfad von 600 Terawattstunden definiert. Dieser ist viel zu niedrig. Wir brauchen Strom für Elektromobilität, Wärmepumpen, Haushalte, Industrie und Wasserstofftechnik. Daher muss man ganz andere Zielgrößen setzen und viel mutiger vorgehen. Deshalb reichen wir, gemeinsam mit dem BUND und anderen Umweltorganisationen sowie Einzelpersonen, Klage beim Bundesverfassungsgericht gegen die Bundesregierung ein. Dies wurde öffentlich in der Bundespressekonferenz am 27. Juni 2024 verkündet.
Zuletzt haben Mitglieder der Klimagruppe „Letzte Generation“ den Betrieb an mehreren deutschen Flughäfen lahmgelegt, allein zweimal in Köln-Bonn. Hilft diese Art des Protests der gesamten Klimabewegung?
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Die „Letzte Generation“ versucht, mit friedlichen Mitteln öffentlichkeitswirksam auf die Problematik aufmerksam zu machen, in der wir uns in Deutschland und weltweit befinden. Der Solarenergie-Förderverein hat selbst Aktive, die sich bei der letzten Generation einbringen und teilweise mit großen Restriktionen konfrontiert werden. Solange es friedlich bleibt und Vorschläge gemacht werden, wie man es besser machen kann, unterstützen wir das. Wir müssen zusammenstehen, um deutlich zu machen, dass es so nicht bleiben kann. Die Klimaschäden, die wir verursachen, sind enorm.
Susanne Jung (58) ist seit 2019 Bundesgeschäftsführerin des Solarenergie-Fördervereins Deutschland. Sie lebt in Aachen und koordiniert von dort die Vereinsaufgaben, verfolgt und kommentiert das energiepolitische Geschehen und treibt die Vernetzung mit bundesweiten Klimaschutzorganisationen voran. Seit 1994 arbeitet die Diplom-Agrarwissenschaftlerin hauptberuflich für den Verein. Sie ist zudem ehrenamtlich als Rätin im Bündnis Bürgerenergie e.V. tätig.
Sie leben in Aachen. Microsoft will sich im Rheinischen Revier ansiedeln und dort große Rechenzentren für Künstliche Intelligenz bauen, die viel Strom benötigen werden. Ist Solarenergie hier die Lösung?
Viele Flächen im Rheinischen Revier gehören dem Energiekonzern RWE, der dann auch für die Investitionen verantwortlich ist. RWE hat beispielsweise eine Agri-Photovoltaikanlage installiert. Solche Projekte sind gut, aber es ist problematisch, wenn ein riesiger Konzern das Tempo vorgibt. Besser wäre es, die Bürger zu beteiligen, indem sie in den Ausbau investieren. In Schönau im Schwarzwald und in Heidelberg zum Beispiel gibt es Energiegenossenschaften, die den Bürgern gehören. In Berlin haben die Stadtwerke Bürgern die Möglichkeit gegeben, in den Ausbau von Solarenergie zu investieren.
Besonders beliebt bei Mietern sind aktuell Balkonkraftwerke. Rentiert sich diese Investition?
Balkonsolaranlagen, die sogenannten Steckersolargeräte, sind die Einstiegsdroge für alle. Wer selbst Strom erzeugt und sieht, wie die Stromkosten sinken, der möchte mehr. Diese Geräte sind wirklich gut, sie sind vergleichsweise günstig und liefern einen guten Ertrag. Solaranlagen rentieren sich generell, unabhängig davon, wie man sie betreibt. Eine Volleinspeiseanlage, deren gesamter Ertrag ins öffentliche Stromnetz geht, amortisiert sich in der Regel innerhalb von 20 Jahren. Bei einer Anlage, deren Strom man selbst nutzt, geht es wesentlich schneller.
Wer ins öffentliche Stromnetz einspeist, bekommt Geld von der Bundesregierung. Wie beurteilen Sie die Förderung?
Sie passt von der Höhe her, aber die Randbedingungen sind noch zu komplex und bürokratisch. Im Erneuerbare-Energien-Gesetz gibt es fast 200 Paragrafen. Wer zum Beispiel eine Anlage zur Volleinspeisung anmeldet, bekommt einen Bonus von der Bundesregierung, muss dafür aber eine bestimmte Meldung bis zum 1. Dezember des Vorjahres beim Netzbetreiber einreichen. Viele wissen das nicht und sind dann verärgert. Wenn man den Menschen nicht hilft, durch diesen Dschungel zu kommen, nützt die beste Amortisation nichts.