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Test für Ernte der ZukunftKartoffeln und Solarstrom stehen im Rheinischen Revier auf demselben Acker

Lesezeit 4 Minuten
Agri-Solar in Jackerath: Solarpaneele und Trecker sind auf einem Acker zu sehen.

Strom aus der Sonne, Wachstum aus dem Boden: Trecker fahren über den Acker in der Demonstrationsanlage für Agrar-Photovoltaik im Rheinischen Revier.

Der Großversuch mit 6100 Solarpaneelen auf einer sieben Hektar großen Feld in Jackerath läuft mindestens fünf Jahre.

Beim Blick auf die Himbeeren, die unter den Solarpaneelen auf diesem ganz besonderen Acker im Rheinischen Braunkohlerevier prächtig gedeihen, gerät Gregor von Danwitz (55) ins Schwärmen. „In Deutschland lohnt es sich bei den extremen Wetterverhältnissen nicht mehr, Himbeeren auf freiem Feld ohne Schutz anzubauen. Dafür sind sie zu empfindlich. Bei Starkregen sind sie sofort zerstört, bei starker Sonneneinstrahlung verbrennen sie.“

Doch hier, auf einem kleinen Teil der sieben Hektar großen rekultivierten Fläche am Rande des Braunkohletagebaus Garzweiler finden sie bessere Bedingungen vor. Sieht man einmal von dem Höllenlärm ab, der von der nahegelegenen Autobahn am Kreuz Jackerath herüberdringt. Den müssen aber nur die Erntehelfer ertragen, die täglich in den frühen Morgenstunden die reifen Früchte ernten.

Unter den Solarmodulen ist es drei Grad kühler

Unter den Solarmodulen ist es drei Grad kühler und schattig, die Wasserzufuhr ist durch einen zum Teil geschlossenen Kreislauf geregelt. Das mögen die Himbeeren. Und das mag auch Gregor von Danwitz, der früher selbst einmal Landwirt und Obstbauer war, doch seit knapp zwei Jahren als Senior Expert für Agri-Photovoltaik in der Landwirtschaftsabteilung des Energiekonzerns RWE arbeitet.

Gregor von Danwitz, Landwirt bei RWE, steht an Himbeerstauden und blickt in die Kamera.

Gute Ernte: Gregor von Danwitz, Landwirt und Experte für Agrar-Photovoltaik, bei der Eröffnung der Demonstrationsanlage in Bedburg am Braunkohletagebau Garzweiler.

Wie vertragen sich Solarstrom und Landwirtschaft auf demselben Acker? Wie kann beides am besten kombiniert werden? Das untersucht RWE mit einer Demonstrationsanlage mit einer Leistung von 3,2 Megawatt Spitzenleistung in Bedburg. Dort erzeugen seit Anfang des Jahres rund 6100 Solarmodule grünen Strom. Damit können jedes Jahr rechnerisch 1044 Haushalte klimafreundlich versorgt werden. In den vergangenen Wochen wurde das erste Saatgut ausgebracht und Nutzpflanzen gesetzt.

In den kommenden fünf Jahren soll das Zusammenspiel von Pflanzenwachstum unter verschiedenen saisonalen Wetterbedingungen untersucht werden. Ziel ist es, geeignete Bewirtschaftungsmethoden und wirtschaftliche Betreiberkonzepte für Agrar-PV-Anlagen zu entwickeln. Wissenschaftlich begleitet wird das Projekt durch das Institut für Pflanzenwissenschaften am Forschungszentrum Jülich und das Fraunhofer-Institut für Solare Energiesysteme.

Dabei geht es nicht nur um Himbeeren. Auf der weitaus größeren Fläche will Gregor von Danwitz mit seinen Mitstreitern so ziemlich alles austesten, was die Landwirtschaft im Rheinland zu bieten hat.

RWE probiert drei verschiedene Systeme aus

„Wir werden hier das gesamte Spektrum abdecken. Zuckerrüben, Kartoffeln, Weizen, Gerste. Wir wollen auch Gemüse anbauen, Zwiebeln, halt wie der normale Ackerbau nur zwischen Solaranlagen.“ Um wissenschaftlich genau untersuchen, wie sich die Agar-Photovoltaik die Ernteerträge beeinflusst, wird auf Referenzflächen der gleiche Anbau auf herkömmliche Weise betrieben.

Die Solartische mit den insgesamt 6100 Paneelen lassen sich kippen, sodass herkömmliche Landmaschinen durchfahren können. „Das schafft jeder Landwirt. Entweder fährt er mit GPS oder die Maschine zieht Linien in den Boden, an denen er sich orientieren kann.“

RWE testet auf der Fläche drei verschiedene Systeme. Bei der ersten Variante sind die Solarmodule fest und senkrecht auf dem Ständerwerk angebracht.

Schräg stehende Solramodule stehen auf brauner Ackerfläche.

6100 Solarpanelen sind auf dem sieben Hektar großen Gelände montiert.

Bei der zweiten Variante sind sie auf einer beweglichen Achse montiert, um dem Lauf der Sonne von Ost nach West folgen zu können. Zwischen den Modulreihen haben Landwirte eine Klee-Gras-Mischung und Luzerne ausgesät. Das sind robuste Nutzpflanzen, die dank ihres tiefen Wurzelsystems den Boden auflockern und so gute Bedingungen für den Anbau von Getreide, Hackfrüchten, wie beispielsweise Kartoffeln, und verschiedenen Gemüsesorten in den kommenden Jahren schaffen. Bei der dritten, der Himbeer-Variante, wurden die Module erhöht auf einer Pergola-ähnlichen Unterkonstruktion angebracht.

Gregor von Danwitz steht die Begeisterung ins Gesicht geschrieben. „Das macht richtig Spaß. Das ist mein zweiter Frühling.“ Er geht davon aus, dass die Fläche auch über die Versuchsphase von fünf Jahren hinaus genutzt werden. „Die Anlage wird mindestens bis 2038 stehenbleiben oder noch länger. Ihre Lebensdauer beträgt 30 Jahre“, sagt er, während NRW-Wirtschaftsministerin Mona Neubaur (Grüne) die ersten Himbeeren kostet.

Agrar-PV könne einen „wichtigen Beitrag“ zu einer sicheren Energieversorgung und stabilen Preisen leisten, sagt Mona Neubaur bei der offiziellen Eröffnung der Anlage. „Knappe Flächen werden dadurch doppelt genutzt: Für die Landwirtschaft, aber auch für die Erzeugung grünen Stroms, den wir dringend brauchen.“ Das Land fördert das Projekt mit 650.000 Euro.