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Sparkassen-Präsident„Dieser Teil der Bevölkerung ist dann nicht mehr sparfähig“

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Geldbörse leer

Einige Menschen werden Lücken im Budget teilweise durch eigene Ersparnisse ausgleichen müssen - und können dann schlicht nicht mehr sparen.

Köln – Die Inflation macht sich in den Geldbeuteln bemerkbar. Aufgrund der steigenden Energiepreise brauchen viele Menschen am Monatsende all ihre Einkünfte auf. Zum Sparen bleibt da nichts mehr übrig. Michael Breuer, Präsident des Rheinischen Sparkassen- und Giroverbandes, erklärt im Interview unter anderem, warum sich Entlastungsmaßnahmen der Bundesregierung nun vor allem auf Haushalte mit einem Nettoeinkommen bis 3600 Euro zu konzentrieren sollten.

Herr Breuer, die EZB hat seit fast einem Jahrzehnt endlich wieder die Zinsen angehoben. Atmet Ihre Branche nun auf?

Michael Breuer: Die Zeitenwende brauchte die Zinswende. Gott sei Dank hat die EZB reagiert, wenn auch sehr spät. Und sie wird noch weiter nachsteuern müssen. Die Zinskurve steigt erstmals wieder an. Nach Jahren des Rückgangs wird der Zinsüberschuss in diesem Jahr auf stabilem Niveau bleiben und absolut sogar wieder ansteigen.

Da auch der Provisionsüberschuss eine positive Entwicklung nimmt und Personal- und Sachaufwand aktuell noch stabil bleiben, erwarten wir für 2022 ein Betriebsergebnis vor Bewertung in Höhe des vergangenen Jahres.

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Michael Breuer, Präsident des Rheinischen Sparkassen- und Giroverbands.

Wo ist die Kehrseite der Medaille?

Die schnell gestiegenen Zinsen und die unsichere wirtschaftliche Lage werden zu vermehrtem Wertberichtigungsbedarf bei Wertpapieren und absehbar auch bei Unternehmenskrediten führen, das ist keine Frage.

Höhere Zinsen für Sparer schön und gut, aber spüren die Sparkassen im Rheinland schon, dass sich die „Sparer“ das Sparen angesichts höherer Preise gar nicht mehr leisten können?

Inflation und vor allem höhere Energiekosten zeigen leider erste Auswirkungen auf der Einlagenseite bei unseren Sparkassen im Rheinland. Kurz gesagt: Es wird weniger gespart. Die Kundeneinlagen der rheinischen Sparkassen sind im ersten Halbjahr 2022 deutlich weniger gewachsen als im Vorjahr. Auch die Geldvermögensbildung der Privatkunden ist im Vergleich zum Vorjahreszeitraum deutlich zurückgegangen.

Die hohen Preissteigerungsraten belasten die Bezieher kleiner und mittlerer Einkommen in erheblichem Umfang. Bei den aktuellen Preissprüngen benötigen nach unseren Berechnungen 60 Prozent der Haushalte ihre gesamten monatlichen Einkünfte und mehr, um die laufenden Ausgaben zu decken. Haushalte mit monatlichen Nettoeinkommen unter 3600 Euro werden am Monatsende kein Geld mehr übrighaben und Lücken teilweise durch eigene Ersparnisse ausgleichen müssen. Dieser Teil der Bevölkerung ist dann schlicht nicht mehr sparfähig.

Das betrifft eher das klassische Sparen, was ist mit der Geldanlage in Aktien oder Fonds?

Auch das Anlageverhalten der Kundschaft verändert sich weiter. Aktienkäufe und Investitionen in festverzinsliche Wertpapiere haben einen deutlich höheren Anteil an der Geldvermögensbildung.

Können Rheinländer nun auf sinkende Immobilienpreise hoffen. Oder anders gesagt: Platzt eine Immobilienblase?

Nach wie vor liegt die Nachfrage auf dem Wohnungsmarkt auf hohem Niveau. Allerdings hat sich die Dynamik in den letzten Monaten leicht abgeschwächt. Vorrangig im gewerblichen Bauträgergeschäft sehen wir, dass das eine oder andere geplante Projekte erstmal auf Eis gelegt werden. Bei auch der Immobilienvermittlung merken wir, dass die Nachfragesituation sich etwas abschwächt. Das Frühindikatoren, auf die wir achten müssen.

Die IG Metall fordert acht Prozent mehr Lohn. Ökonomen warnen vor der berühmten Lohn-Preis-Spirale, bei der hohe Lohnforderungen die Inflation nochmals anheizen. Wie schätzen Sie das ein?

Wir müssen in der aktuellen Situation alles vermeiden, was die Inflation weiter anheizt. Wir müssen verhindern, dass die LohnPreisspirale weiter in Gang gesetzt wird. Das bedeutet: Gezielte Maßnahmen statt Gießkannen-Lösungen.

Was raten Sie Ihren Kunden in Sachen Energiesparen – das brennendste Thema im Herbst 2022?

Größte Bedrohung ist die sich abzeichnende Energieknappheit, da gebe ich Ihnen Recht. Und dabei werden wir sehen: Wenn wir erst spüren, wie teuer Energie geworden ist, werden bei uns allen die individuellen Anreize zum Sparen da sein. Wer 20 Prozent an Energie spart - und das ist vielfach möglich - kann einiges von den Kostensteigerungen auffangen.

Eine Knappheit an fossilen Energieträgern kann auch eine Chance und ein Katalysator für mehr nachhaltiges Handeln, für die ökologisch notwendige Energiewende, für die Transformation von Wirtschaft und Gesellschaft sein. Das ändert aber natürlich nichts daran, dass die Belastungen jetzt aktuell schmerzhaft sein werden. .

Was kann der Staat tun, um Bürger zu entlasten? Nochmal die Mehrwertsteuer senken wie in der Corona-Krise?

Allgemeine Entlastungen wie Mehrwertsteuer-Senkungen sollten nicht im Mittelpunkt stehen. Viel wichtiger ist die gezielte temporäre Entlastung derjenigen, die durch die gestiegene Energiepreise in existenzbedrohende Situationen kommen. Hier gehen Maßnahmen der Bundesregierung grundsätzlich in die richtige Richtung. Wichtig ist, die Entlastungen auf Haushalte mit einem Nettoeinkommen bis 3600 Euro zu konzentrieren.

Denn höhere Einkommen können, so zeigen unsere Berechnungen, netto immer noch zusätzliche Rücklagen bilden. Die niedrigsten Einkommen stehen dabei zu Recht im Fokus der politischen Aufmerksamkeit. Wir sollten allerdings auch die Einkommen von rund 2.000 bis 3600 Euro monatlich nicht vergessen. Die kamen bisher mit ihrem Einkommen aus, jetzt vielfach nicht mehr.

Die Unternehmen klagen, dass sie bei den Entlastungen bislang leer ausgehen…

Zu Recht, es braucht es noch Nachbesserungen gerade auch für Unternehmen. Denn, die deutschen Unternehmen gehen zwar solide und finanziell sehr robust in die bevorstehende Krise. Aber: Die massiven Steigerungen der Energiepreise treffen alle Unternehmen und den Mittelstand ganz besonders. Gerade energieintensive Betriebe erleben einen massiven Anstieg ihrer Produktionskosten, den sie oft allein nicht bewältigen können.

Dies bringt auch Unternehmen an den Rand der Belastungsgrenze, die an sich bestens aufgestellt sind. Sicherlich hilft ein Blick zurück zum Beginn der Corona-Pandemie: Hier gab es ein gutes Zusammenspiel zwischen dem Gesetzgeber, der Aufsicht, den Förderbanken und den Kreditinstituten, um gemeinsam Lösungen zu finden. Die Möglichkeit, etwa über Miet- und Tilgungsaussetzungen oder die Aussetzung von Insolvenzanträgen Überbrückungen zu leisten, hat sich bereits in der Pandemie bewährt. Und wir brauchen wegen der Vielzahl der betroffenen Unternehmen eine klare Begrenzung der Energiepreise.

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Und die Sparkassen selbst, muss denen geholfen werden?

Die aktuelle Verfassung der rheinischen Sparkassen ist stabil. Sie versetzt uns in die Lage, wichtige und zentrale Finanzierungs- und Ansprechpartner der Unternehmen in der aktuellen Krise, aber gerade auch beim großen Thema der nachhaltigen Transformation und Digitalisierung unserer Wirtschaft zu sein.

Dabei gilt es besonders auch die Unternehmen zu begleiten und zu finanzieren, die sich noch am Beginn des Transformationsprozesses befinden. Wer, wenn nicht wir als öffentlich-rechtliche Kreditinstitute mit exzellenter regionaler und lokaler Expertise sind bestens geeignet, bei diesem Prozess der heimischen Wirtschaft zur Seite zu stehen.