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Streit der WocheBrauchen wir eine Frauenquote – oder ist sie der falsche Weg?

Lesezeit 5 Minuten
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Frauen in Führungspositionen (Symbolbild).

  1. Seit Januar 2016 müssen rund 150 börsennotierte Unternehmen bei Neubesetzungen von Aufsichtsratsposten eine Frauenquote von mindestens 30 Prozent erreichen. Das gilt übrigens auch für den Männeranteil.
  2. Trotzdem hat die Quote bisher wenig bewirkt. Es stellt sich die Frage: Brauchen wir eine Frauenquote wirklich?
  3. Hendrik Geisler, 31, ist Wirtschaftsredakteur. Die erste Person, die ihn beim „Kölner Stadt-Anzeiger“ förderte, ist eine Frau – und seit kurzem Mitglied der Chefredaktion.
  4. Sarah Herpertz, 26, ist Volontärin und Kind der 90er. Sie versteht nicht, warum es einen Unterschied machen soll, ob man Mann oder Frau ist.

Köln – Unser Streit der Woche um die Frage: Brauchen wir eine Frauenquote?

Von Hendrik Geisler

Ich wünschte, eine Frauenquote wäre überflüssig. Wie toll es doch wäre, wenn Frauen die gleiche Chance auf einen Platz in Vorständen und dem oberen Management hätten wie Männer. Wenn Frauen in diesen Positionen genauso repräsentiert wären wie in der Gesellschaft.

Haben sie aber nicht, sind sie aber nicht – und das liegt nicht an Leistung oder Eignung: Eine patriarchalische Gesellschaft hat Chefetagen hervorgebracht, die zuallererst von Männern besetzt sind. Und weil sich laut zahlreicher Studien gleich und gleich auch in der Wirtschaft gern gesellen, wählen Chefs für Führungspositionen in der Regel Menschen aus, die einen ähnlichen Werdegang haben, ähnliche Stärken zeigen, ähnlich selbstbewusst sind – und Männer sind.

Individuelle Zielvorgaben werden in großen Unternehmen viel zu niedrig gesteckt

Würden Frauen einfach aufgrund ihrer Leistungen und Fähigkeiten für leitende Positionen ausgewählt, hätten wir doch schon längst die angeblich von allen gewünschte Geschlechterparität. Oder zweifelt jemand daran, dass sie Männern in keiner Weise unterlegen sind? Aber diese Parität gibt es nicht, und deswegen brauchen wir eine Frauenquote, die Personalabteilungen dazu zwingt, sich mit jenen zu beschäftigen, die viel zu lange marginalisiert wurden und noch immer werden.

Vorhandene Strukturen werden sonst weiter reproduziert. Daran ändert auch die vielen Unternehmen gesetzlich vorgeschriebene Zielsetzung zur Erhöhung des Frauenanteils in freiwilliger Höhe nichts: 70 Prozent geben sich die Zielgröße „Null“. Erbärmlich.

Die meisten Unternehmen wollen es sich einfach machen. Effizient zu sein, heißt auch, den Weg des geringsten Widerstands zu gehen. Im Fall der freien Wirtschaft also, bloß keine Zwänge auferlegt zu bekommen, Absichtsbekundungen reichen schließlich auch, oder? Nein, tun sie nicht. Ihre Absicht, auch Frauen steile Karrieren zu ermöglichen, bekunden fast alle großen Unternehmen seit Jahren, getan hat sich wenig.

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Dabei gibt es die weiblichen Fachkräfte, die man ja angeblich nicht finde, obwohl man sie doch so sehr suche. Netzwerke wie „Global Digital Women“ machen exzellente Frauen sichtbar und entlarven Ausreden von Unternehmen, die sich gar nicht erst auf die Suche begeben möchten. Wir brauchen eine verbindliche Frauenquote in Vorständen und im oberen Management, damit sich niemand mehr darauf berufen kann, dass man ja gerne würde, aber nicht könne. Dann müsst ihr eben, sollte die Ansage lauten.

Die Frauenquote ist kein Makel

Ich verstehe, dass Frauen sich darum sorgen könnten, ihnen hinge ein Makel an, weil sie einen Job auch aufgrund einer Quote bekommen haben könnten. Wer aber eine gute Führungskraft ist, wird nicht belächelt, denn gute Arbeit wird von Angestellten immer mit Respekt und Anerkennung gewürdigt. Das Problem, nicht richtig ernst genommen zu werden, haben alle Menschen, die eigentlich keine Chefs sein sollten – egal aus welchen Gründen sie für den Job ausgewählt wurden. Zu glauben, ein Unternehmen stelle künftig unqualifizierte Frauen ein, weil es eine Quote gibt, ist Quatsch. Was wäre das für ein unfähiges Unternehmen!

Die deutsche Wirtschaft braucht eine Frauenquote. Die einzigen, die sich dann wirklich um ihre Bedeutung sorgen müssten, wären unqualifizierte Männer.

Contra: „Was wir brauchen, ist kein künstlich geschaffener Zwang zur Gleichberechtigung, sondern Chancengleichheit.“

Von Sarah Herpertz

Mehr Frauen in Führungspositionen? Klar, aber doch nicht als Quotenfrauen! Keine Frau sollte eine Stelle nur bekommen, weil die Firma ihre Quote erfüllen muss. Für die männlichen Kollegen ist das doch bloß die Steilvorlage, die Chefin nicht ernst zu nehmen. Sie ist ja nur die Quotenfrau. Ein Mitarbeiter zweiter Klasse.

Wir brauchen Gleichberechtigung, und keine Sonderbehandlung. Viel besser wäre, würden wir nicht nur in der Wirtschaft endlich mal aufhören, in den Kategorien Mann und Frau zu denken. Am Ende sind wir alle Individuen. Der eine ist für das Führen von Mitarbeitern besser geeignet, der andere weniger.

Führungsqualität hat nichts mit dem Geschlecht zu tun

Das hat nichts mit dem Geschlecht zu tun. Wird eine Führungskraft gesucht, sollte nicht die Quotenfrau den Zuschlag bekommen, sondern der Mensch, der die meisten Kompetenzen mitbringt, egal ob Mann oder Frau. Nur unter fairen Bedingungen, bei denen Können über die Besetzung einer Stelle entscheidet, kann eine moderne Gesellschaft entstehen.

Damit Frauen die Zeit haben, ihre Fähigkeiten im Büro unter Beweis zu stellen, braucht es auch privat mehr Gleichstellung. Beispiel Kinderbetreuung: Wenn Väter da zu gleichen Teilen mit anpacken und dafür im Beruf zurückstecken würden, hätten auch die Mütter mehr Zeit und Kraft, die sie in ihre Karriere stecken könnten.

Gleichberechtigung fängt im Alltag an

Nach einer aktuellen Studie der Hans-Böckler-Stiftung macht unbezahlte Hausarbeit und Kinderbetreuung bei Frauen bislang noch etwa 45 Prozent ihrer Arbeitszeit aus, bei Männern sind es nur 28 Prozent. Einfach ausgedrückt: Männer, die kochen, nützen uns mehr als jede Quote.

Frauen sollten sich in keine Rolle mehr drängen lassen. Nötig haben sie es jedenfalls nicht. Wie Zahlen des Statistischen Bundesamtes zeigen, verfügten 2017 dreißig Prozent der 30- bis 34-jährigen Frauen in Deutschland über einen Hochschulabschluss. Das waren doppelt so viele wie noch in der Generation ihrer Eltern. An Bildung mangelt es Frauen also nicht. Im Wintersemester 2019/20 studieren aktuell beinahe genau so viele Frauen an deutschen Hochschulen wie Männer.

Kein Umdenken in der Gesellschaft durch eine Quote

Frauen sollten sich nicht länger mit Kompromisslösungen zufrieden geben und mehr auf ihre Kompetenzen vertrauen. Die gesetzliche Geschlechterquote, die seit 2016 für neu zu besetzende Aufsichtsratsposten in Deutschland gilt, zwingt zwar etwa hundert börsennotierte Unternehmen, mindestens dreißig Prozent der Sitze im Aufsichtsrat an Frauen zu vergeben. Für ein gesellschaftliches Umdenken hat die Quote aber mitnichten gesorgt. Denn alle anderen privatwirtschaftlich geführten Firmen haben sich laut Angaben der Bundesagentur für Arbeit nicht von der Quote inspirieren lassen. So waren 2018 hier immer noch nur 26 Prozent der obersten Führungskräfte Frauen. Genau so viele wie 2016.

Was wir brauchen, ist kein künstlich geschaffener Zwang zur Gleichberechtigung, sondern Chancengleichheit – unabhängig davon, ob männlich, weiblich oder divers. Und die fängt vielleicht gar nicht im Büro, sondern in der Küche an.