Über 2000 offene Stellen in KölnBetriebe kämpfen trotz Krise um Auszubildende
- Viele Unternehmen in Köln und der Region suchen dringend Auszubildende. Trotz der Krise und wirtschaftlicher Unsicherheit.
- Etwa sieben bis acht Prozent weniger Ausbildungsplätze stehen 2020 zur Verfügung. Vor allem in Reisebüros und im Messebau wurden Stellen gestrichen.
- Bis Ende des Jahres sind Vertragsabschlüsse noch möglich. Der Ausbildungsstart wird für die meisten ganz normal verlaufen.
Köln – Im März und April war das Thema Ausbildung vielerorts nicht die erste Priorität. Für Betriebe ging es um das wirtschaftliche Überleben, für Schülerinnen und Schüler darum, trotz Corona den Abschluss zu schaffen. Jetzt hat „das Pendel zurückgeschlagen“, formuliert es Christopher Meier, Geschäftsführer Aus- und Weiterbildung bei der Kölner IHK. Die Betriebe setzen das Thema Ausbildung wieder auf ihre Agenda. Doch die Schülerinnen und Schüler haben inzwischen Alternativen gefunden. „Viele, die sich im März gefragt haben, was mache ich jetzt, haben entschieden, nach der Realschule noch weiter zur Schule zu gehen. Den Trend gab es schon vorher, das hat sich jetzt noch verstärkt “, sagt Meier.
Spaziergang mit Jobberater
Junge Menschen seien davon ausgegangen, dass, wenn der Arbeitsmarkt brach liege, auch der Ausbildungsmarkt stillstehe. Die Annahme sei aber falsch, so Meier. Azubis, die nicht in der besonders krisengeplagten Reise- oder Veranstaltungsbranche suchten, würden einen Platz finden. In Zeiten, in denen Ausbildungsbörsen entfallen, bietet die Arbeitsagentur zum Beispiel Spaziergänge für Jugendliche und Jobberater an. Fragen können auch per E-Mail oder Telefon gestellt werden. Stand Ende Juli gibt es in Köln noch 2020 offene Stellen, sagt Lars Beyer, Pressesprecher der Arbeitsagentur Köln. Das sind 479 Stellen weniger als im Vorjahreszeitraum, wobei es branchenspezifisch deutliche Unterschiede gibt. Besonders Reisebüros und Veranstalter lassen das Thema Ausbildung vorerst ruhen.
Das könnte Sie auch interessieren:
Die Gastronomie fährt aber langsam wieder hoch. In Banken, Versicherungen und in der Industrie sind Plätze frei. Insgesamt stehen etwa sieben bis acht Prozent weniger Ausbildungsplätze als 2019 zur Verfügung. Mancher Betrieb zögere noch einen Ausbildungsplatz anzubieten, so Beyer. Bis Ende des Jahres sei aber noch vieles möglich. Im Handwerk werden Auszubildende im Normalfall über Praktika akquiriert, so Hans Peter Wollseifer, Präsident der Handwerkskammer zu Köln. Corona machte diese Option unmöglich, weshalb es in diesem Jahr länger dauert, bis Azubis und Betriebe zusammenfinden. „Da jetzt noch viele Ausbildungsangebote offen sind, kann man in den kommenden Wochen noch von zahlreichen Vertragsabschlüssen ausgehen“, bestätigt er die Einschätzung der Arbeitsagentur.
18 Prozent weniger Neuverträge im Handwerk
Weniger Angebot an Ausbildungsplätzen erwartet die Handwerkskammer beispielsweise bei Friseurbetrieben und im Messebau; Gewerken, die von Corona besonders getroffen sind. Der Ausbildungsstart 2020 sei „überschattet von der Angst vor einer zweiten Welle“, sagt Wollseifer. Er erwartet aber nicht, dass unterm Strich viele Ausbildungsplätze wegfallen. Mehr als 800 Ausbildungsstellen sind bei der Handwerkskammer zu Köln noch zu vergeben. Bis etwa Dezember ist im Handwerk ein verspäteter Ausbildungsbeginn im ersten Lehrjahr möglich.
Fragen zu Ausbildung & Termine von Jobbörsen
Haben Sie Fragen zur Ausbildung in Corona-Zeiten? Sind Sie Bewerber oder Arbeitgeber? Schreiben Sie uns, wir leiten Ihr Anliegen an die Handwerkskammer zu Köln, die Arbeitsagentur Köln und die IHK Köln weiter. Sie erreichen uns unter der E-Mail-Adresse ksta-wirtschaft@dumont.de. Die Fragen beantworten wir im Anschluss gebündelt im Kölner Stadt-Anzeiger.
Am 9. September veranstaltet das Jobcenter Köln im Rhein-Energie-Stadion ein Jobspeeddating. Arbeitgeber und Bewerber können sich dort zu zehnminütigen Gesprächen treffen.
Eine „Digitale Ausbildungsmesse“ findet am 17. September statt. Veranstalter sind die Arbeitsagenturen Köln, Bonn, Bergisch-Gladbach und Brühl. (eku)
Aktuell liegt die Zahl der Neuverträge noch rund 18 Prozent unter dem Wert des Vorjahres. Für die meisten, die jetzt in eine Ausbildung starten, ändert sich nicht viel, sagt Christopher Meier von der IHK. In Betrieben und Berufsschulen gelten die Hygiene- und Abstandsregeln. Anders äußert sich Wollseifer. Die neuen Azubis im Handwerk würden „zunächst nicht den Normalfall ihrer späteren Arbeit kennenlernen“. Einige Menschen würden noch vor der Beauftragung von Handwerkern zurückschrecken.
Digitales Lernen für Azubis
Durch Home Office könnten „einige Ausbildungsinhalte“ gut vermittelt werden, so Wollseifer. Der Ausbildungsstart sollte aber im Betrieb stattfinden: „Für das „Onboarding“ ist eine Präsenz vor Ort unumgänglich. Die neue Nachwuchskraft muss den Betrieb, seine Strukturen und die Kolleginnen und Kollegen kennen lernen“, sagt er. Die Reduzierung der Präsenzzeit in Betrieb und Schule bleibt aber Thema. Lars Beyer sieht die Möglichkeit, die Inhalte des Unterrichts in der Berufsschule digital zu vermitteln. Betriebe könnten es sich gar nicht leisten „das Ausbildungsjahr trocken laufen zu lassen“, so Christopher Meier. Trotz wirtschaftlicher Probleme - auf lange Sicht brauchen die Unternehmen die Fachkräfte aus dem eigenen Haus. Am Arbeitsmarkt seien sie in manchen Berufen nicht zu finden.