Bonn – Der Vorstandsvorsitzende der Deutschen Post, Frank Appel, ist neuer Aufsichtsratschef der Deutschen Telekom. Bei der ersten Präsenz-Hauptversammlung eines Dax-Konzerns seit Ausbruch der Pandemie stimmten 83,82 Prozent für seine Berufung.
Im Vorfeld hatte es deutliche Kritik an der Entscheidung für Appel gegeben, die auch am Donnerstag in Bonn von Investoren bekräftigt wurde. Denn der Manager will noch bis Ende Mai 2023 Vorstandschef der Deutschen Post bleiben und den Aufsichtsrat parallel führen. Der Deutsche-Corporate-Governance-Kodex, ein Regelwerk zur Unternehmensführung, rät von einer solchen Doppelbelastung ab. Die Fondsgesellschaft Deka beklagte am Donnerstag, die doppelte Tätigkeit sei „nicht zu tolerieren“, auch wenn man die Expertise und Qualifikation Appels schätze. Kritik gab es auch von der Deutschen Schutzvereinigung für Wertpapierbesitz.
Lehner betont Appels Qualifikation
Appel selbst verteidigte seine Position vor der Abstimmung. Er werde bereits zur Jahresmitte Aufgaben bei der Deutschen Post niederlegen, deren Umfang „etwa einem halben bis einem ganzen Tag die Woche“ entsprächen. Damit werde er genug Zeit für die Arbeit im Aufsichtsrat haben. Er verwies darauf, bereits in der Vergangenheit parallel zu seiner Vorstandstätigkeit bei der Post als Aufsichtsratsvorsitzender der Postbank fungiert zu haben.
Der scheidende Aufsichtsratschef Ulrich Lehner betonte die Qualifikation Appels. „Kandidaten dieses Kalibers sind rar“, sagte er. Man bevorzuge hier eine „Lösung, die auf den Einzelfall passt“, anstatt sich an starren Regeln festzuhalten.
Erste Hauptversammlung in Präsenz
Die Hauptversammlung war die erste eines Dax-Konzerns seit Pandemiebeginn, die wieder in Präsenz stattfand. Zu Beginn präsentierte Telekom-Chef Tim Höttges aus einem nachgebauten Bahnsessel heraus das Projekt mit dem klingenden Namen „Schwarzer Schäferhund“, bei dem die Telekom in Kooperation mit der Deutschen Bahn Funklöcher stopfen will. In seiner anschließenden Rede beschrieb Höttges die Telekom als Stabilitätsanker in unsicheren Zeiten. Er betonte, dass der Konzern von der derzeitigen Energiepreisexplosion nicht betroffen sei: „Wir haben die Preise abgesichert. Allein in Deutschland sind für dieses Jahr 85 Prozent unserer Energiekosten fix. Für das kommende Jahr 75 Prozent.“
Nach der Schließung des Unternehmensstandorts in Russland äußerte sich Höttges außerdem zum Verbleib der dortigen 2000 Mitarbeiter. Die Telekom hat ihnen angeboten, aus anderen Ländern zu arbeiten. „Und ein Großteil der Beschäftigten hat dieses Angebot bereits angenommen und das Land verlassen.“ Der Konzern hatte zuletzt in der Kritik gestanden, weil er den Rückzug aus Russland erst vergleichsweise spät vollzog. Das wies Höttges zurück. Der Schritt habe gut vorbereitet werden müssen. Am Software-Entwicklungsstandorten in Sankt Petersburg, Moskau und Woronesch arbeiteten bislang viele schwer ersetzbare IT-Spezialisten.