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Umweltschützer sind fassungslosFDP-Minister will Fracking von Gas in NRW prüfen

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Fracking-Förderstätte in Pennsylvania, USA

Köln/Düsseldorf – Die wachsende Angst vor einem Mangel an Gas – sei es durch Embargo oder Lieferstopp Russlands – hat eine umstrittene Fördermethode wieder zum Thema werden lassen: Das Fracking. NRW-Wirtschaftsminister Andreas Pinkwart (FDP) macht sich knapp vier Wochen vor der Landtagswahl dafür stark, Fracking in Deutschland und auch in NRW zu prüfen. Die Wirtschaft ist der Idee nicht abgeneigt. Umweltschützer aber sind empört und fürchten übelste Schäden. Ein Überblick über die Debatte.

Was ist Fracking?

Um Erdgas aus nicht-konventionellen Quellen wie Schieferstein zu gewinnen, wird über Tiefbohrungen das Gestein in der Lagerstätte mit hohem Wasserdruck aufgebrochen. „Der Wasserbedarf für das hydraulische Fracking kann mehrere tausend Kubikmeter pro Bohrung betragen. Über die künstlich erzeugten Risse im Gestein strömt das Gas zusammen mit Lagerstättenwasser und Fracking-fluiden der Bohrung zu. Fracking ist wegen des Einsatzes des hydraulischen Fracking-Verfahrens umstritten. „Die Fracking-Technologie kann zu Verunreinigungen im Grundwasser führen. Besorgnisse und Unsicherheiten bestehen besonders wegen des Einsatzes von Chemikalien und der Entsorgung des anfallenden Abwassers, Flowback genannt“, heißt es auf der Internet-Seite des Bundesumweltamtes.

Was sagt Minister Pinkwart?

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NRW-Wirtschaftsminister Andreas Pinkwart (FDP)

Zurzeit importiert Deutschland noch rund 40 Prozent seines Gases aus Russland. Ein Teil davon soll durch LNG-Gas unter anderem auch aus den USA ausgeglichen werden. „Auch das wird durch Fracking gewonnen. Doch dieses amerikanische Gas muss erst aufwendig verflüssigt, dann transportiert und anschließend wieder gasförmig gemacht werden. Das macht die Öko-Bilanz schlecht und erhöht die Kosten“, sagte NRW-Wirtschaftsminister Andreas Pinkwart (FDP) im Interview mit dem „Kölner Stadt-Anzeiger“. Man müsse Fracking „ergebnisoffen“ prüfen. „Wenn schon Fracking-Gas, dann wäre es vielleicht besser, es bei uns in Deutschland zu gewinnen, nach europäischen und deutschen Umweltstandards“, sagte Pinkwart. In Deutschland gefördertes Gas könne ohne aufwendigen Transport sofort in deutsche Netze gespeist werden. „Die Umweltrisiken des Frackings lassen sich heute durch eine angepasste Steuerung und Überwachung der Maßnahmen nach dem Stand von Wissenschaft und Technik minimieren“, so der Wirtschaftsminister weiter. „Bislang kann insbesondere die Industrie – wie etwa die Aluminiumhersteller – und private Haushalte nicht auf Gas verzichten. Wir bauen Windkraft und Photovoltaik mit aller Kraft aus, aber wenn der Wind nicht weht und die Sonne nicht scheint, braucht man eine Grundlast an Energie“, sagte Pinkwart weiter.

Was sagen Ökonomen zu Fracking?

Beim Institut der deutschen Wirtschaft (IW) in Köln fallen Pinkwarts Vorschläge auf fruchtbaren Boden. „Es lohnt sich auf jeden Fall herauszufinden, ob eine Förderung von Gas durch Fracking in Deutschland möglich ist. Ist es gleich schwierig und schädlich oder gar weniger, dann wäre es ein schiefes Bild, das Fracking-Gas stattdessen aus den USA zu beziehen“, sagt Thilo Schaefer, Leiter Energie, Umwelt und Infrastruktur beim IW. Das wäre ein Ansatz nach dem Motto: „Nur wir hier machen uns nicht die Hände schmutzig.“ Wenn es zu gleichen oder geringeren Mitteln möglich wäre, selbst per Fracking Gas in Deutschland zu gewinnen, wäre es ökonomisch wie ökologisch sinnvoll, das zu tun“, meint Schaefer. Denn der Transport des Gases aus den USA sei teuer und energieintensiv. „Wenn es möglich ist, schneller selbst Gas zu fördern als ein LNG-Terminal zu bauen, dann ist das der bessere Weg“, sagt Ökonom Schaefer.

Deutschland habe sich entschieden, auf Gas und auf Öl anstelle von Atom zu setzen – als Beimischung zu erneuerbaren Energien. „Alles was direkt elektrifizierbar ist, kann sicher früher auf Erneuerbare setzen. Insbesondere beim Wärmebedarf der Industrie werden wir aber flüssige oder gasförmige Brennstoffe noch lange brauchen“, sagt Schaefer. Irgendwann werde Deutschland auf grünen Wasserstoff umstellen können. „Aber in der Breite wird uns das erst im nächsten Jahrzehnt gelingen“, so Schaefer weiter.

Ohne Fracking, aber auf herkömmliche Weise in Deutschland Gas zu fördern, erteilt Schaefer eine Absage. „Aus Gasfeldern auf konventionelle Art in Deutschland Gas zu gewinnen, ist sicher nur ein Tropfen auf dem heißen Stein, wenige Prozent unseres Bedarfes. Da ist nicht mehr viel rauszuholen“, meint Schaefer, der selbst aus einer Gegend in Niedersachsen kommt, in der früher Gas gefördert wurde.

Auch in Deutschland wird Erdgas konventionell aus Lagerstätten gefördert: Im Jahr 2021 waren es laut Bundesverband Erdgas, Erdöl und Geo-Energie (BVEG) 5,2 Milliarden Kubikmeter. Über 97 Prozent des deutschen Fördervolumens werden in Niedersachsen gefördert: 5,01 Milliarden Kubikmeter Erdgas 2021. Bedeutende Gebiete für die deutsche Produktion von Erdgas sind die Förderregionen zwischen Weser und Ems sowie zwischen Elbe und Weser. Allerdings ist die Erdgasförderung in Deutschland seit Jahrzehnten rückläufig – zur Jahrtausendwende betrugen die jährlichen Fördermengen noch das Vierfache der aktuellen Produktion. 2021 deckte die heimische Erdgasförderung laut BVEG nur noch etwa fünf Prozent des Bedarfs in Deutschland. Folglich müssen 95 Prozent importiert werden.

Was sagen Umweltschützer?

Christian Chwallek, stellvertretender Vorsitzender des Naturschutzbundes NRW (Nabu) zeigt sich „entsetzt“, als er mit den Plänen Pinkwarts konfrontiert wurde . „Müssen wir jetzt wirklich alle alten Giftschränke wieder aufmachen. Vor fünf Jahren haben wir das gefährliche Thema Fracking in Niedersachsen und NRW doch erst zu Grabe getragen“, sagt der Umweltschützer.

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Fracking sei schlicht „nicht kontrollierbar für Grundwasser und Trinkwasser“, meint Chwallek. Er lehnt auch den Import von Fracking-Gas aus den USA ab. Seine Antwort auf einen Mangel an Gas in Deutschland: „Wir müssen den Verbrauch reduzieren, aber Tempolimits auf Autobahnen etwa blockiert ausgerechnet Pinkwarts Partei“, sagt Chwallek. Der Energiehunger müsse überdacht werden, unabhängig vom Krieg. Auch E-Autos als riesige SUVs seien keine ökologische Alternative, sondern der Verzicht. Eine weitere Gefahr wären durch Fracking erzeugte Erdbeben, so etwas müsse verhindert werden.