Vodafone-Chef Ametsreiter„Für Köln können wir keine dauerhafte Garantie geben“
- Hannes Ametsreiter ist Chef von Vodafone in Deutschland – und damit verantwortlich für die Übernahme des Kölner Kabelnetzbetreibers Unitymedia.
- Im Interview verrät er, wie es bei dem Unternehmen weitergeht und welche Kölner Firma Vodafone als nächstes übernehmen möchte.
- Ametsreiter kritisiert auch die Bundesregierung für die Bedingungen der 5G-Auktion: „Die teure 5G-Auktion hat Deutschland keinen Schritt weitergebracht, sondern einen halben Schritt zurückgeworfen.“
Köln/Düsseldorf – Vor wenigen Monaten hat der Telekommunikationskonzern Vodafone den Kölner Kabelnetzbetreiber Unitymedia übernommen. Nun plant Vodafone Deutschland auch den Kauf des Kölner Unternehmens Grandcentrix. Was es damit auf sich hat, erklärt Vodafone Deutschland-Chef Hannes Ametsreiter im Interview mit dem „Kölner Stadt-Anzeiger“. Außerdem äußert er sich zum Stellenabbau bei Unitymedia und kritisiert die Bundesregierung für die teure 5G-Auktion.
Herr Ametsreiter, Vodafone Deutschland will Grandcentrix übernehmen, ein Kölner Unternehmen für Produkte aus dem Bereich „Internet der Dinge“. Was hat es damit auf sich?
Grandcentrix ist darauf spezialisiert, Produkte ins Internet der Dinge (IoT) zu bringen – zum Beispiel mit Hilfe von Software, Apps und Cloud-Plattformen. Wir bieten Netze auf allen Ebenen – Glasfaser, Kabel, DSL, 4G und 5G – und wollen uns mit Grandcentrix einUnternehmen an Bord holen, das unser IoT-Geschäft ideal ergänzt.
An welche Unternehmen denken Sie dabei?
Vor allem an Mittelständler. Denn die wollen den Schritt ins digitale Zeitalter machen, wissen aber oft nicht wie. Es fehlt an Know-how und Fachleuten. Das ist für Logistiker genauso spannend wie für Einzelhändler oder Industriekonzerne. Ein Beispiel: Wir vernetzen den Gabelstapler mit dem Lkw, machen Lagerstände sichtbar, lesen über Sensoren Informationen aus und optimieren damit Routen und helfen überhaupt, intelligente Entscheidungen zu treffen. Wir wollen nicht mehr nur die Sim-Karten und Netze liefern, sondern bieten unseren Kunden künftig alles aus einer Hand. Von der Konzeptentwicklung bis zur marktreifen Serienproduktion.
Zur Person
Hannes Ametsreiter, 1967 in Salzburg geboren, ist seit 1. Oktober 2015 Chef von Vodafone in Deutschland mit Sitz in Düsseldorf sowie Vorstandsmitglied der weltweiten Vodafone-Gruppe. Der Österreicher besitzt mehr als 20 Jahre Erfahrung in der Telekommunikationsbranche und war vor seinem Einstieg bei Vodafone Vorstandschef der Telekom Austria. Ametsreiter hat Publizistik, Kommunikations- und Sportwissenschaft studiert und zum Thema Biervermarktung promoviert. Er ist verheiratet und Vater von zwei Töchtern.
Warum investieren Sie in diesen Bereich?
Wir bedienen heute 40 Prozent aller Geschäftskunden in Deutschland. Im Geschäft mit dem Internet der Dinge wachsen wir um einen zweistelligen Prozentsatz. Dieses Wachstum wollen wir auch zukünftig sichern und noch weiter ausbauen. Für Grandcentrix, das Teil unserer Familie werden soll, schaffen wir Zugang zu den neusten Technologieentwicklungen und damit einen Vorteil gegenüber Wettbewerbern.
Bleibt das Unternehmen an seinem Kölner Standort?
Ja, Grandcentrix soll eine größtmögliche Eigenständigkeit behalten. Dazu gehört die Beibehaltung beider Standorte in Köln und Dortmund. Das ist ein super Team, das toll gewachsen ist. Zusammen wollen wir nun weiteres Wachstum schaffen.
Sie haben kürzlich Unitymedia übernommen, nun Grandcentrix. Sind weitere Zukäufe geplant?
Wir wollen nichts überstürzen. Mit Unitymedia haben wir bereits das Tempo angezogen, mit Grandcentrix zeigen wir, dass wir Deutschland immer besser und vor allem digitaler machen wollen. Aktuell ist keine weitere Akquisition geplant, aber wer weiß, was die Zukunft bringt.
Planen Sie, wie die Telekom eigene Smart-Home-Geräte zu entwickeln?
Nein, da kooperieren wir mit denen, die es am besten können. Wir schaffen mit unseren neuen Lösungen aber ein Cockpit, mit dem sich Geräte und Maschinen integrieren und einfach bedienen lassen.
Die Konzernmutter sitzt in Großbritannien. Wird Vodafone im Zuge des Brexits komplett nach Düsseldorf ziehen?
Davon ist nicht auszugehen. Ein Teil der Gruppe ist hier bereits angesiedelt, aber das ist schon lange so. Wir sind ein bewusst europäisches Unternehmen und investieren mehr als alle anderen in die Zukunft Europas. Es dürfte niemandem verborgen geblieben sein, dass wir in Deutschland bei 5G eine Pionierstellung eingenommen haben: Wir haben den ersten 5G-Anruf durchgeführt, das erste 5G-Netz gestartet, waren die ersten, die 5G-Produkte angeboten haben.
Waren das nicht vor allem Marketing-Stunts? Der Verbraucher bekommt von den vereinzelten 5G-Funkmasten noch nicht viel mit.
Einer muss jedoch der erste sein, und das waren wir. Es ist unmöglich, in einer Woche Tausende Stationen zu bauen. Aber wir haben begonnen, verbessern das Netz und bauen weiter aus. Gleichzeitig bauen wir auch 4G weiter aus. Aber Sie haben Recht: Wenn Sie jetzt mit einem 5G-Handy eine Sendestation suchen, finden Sie noch nicht viele in Deutschland.
Wie ist der aktuelle Stand beim Ausbau und wie sieht der Fahrplan aus?
Aktuell haben wir rund 140 5G-Antennen in 40 Städten. Bis Ende des Jahres kommen weitere 150 Antennen hinzu. Ende 2020 wollen wir zehn Millionen, ein Jahr später 20 Millionen mit unserem 5G-Netz erreichen.
Beim Ausbau in ländlichen Regionen kooperieren Sie nun mit der Deutschen Telekom und Telefónica. Befürchten Sie nicht, dass die Kartellbehörde Ihr gemeinsames Vorgehen stoppt?
Das wäre jedenfalls wenig hilfreich für Deutschlands digitale Zukunft. Wir haben das vorher mit dem Kartellamt besprochen und dort wurden keine Bedenken gesehen. Deutschland muss sich schließlich auch entscheiden, ob die Funklöcher gestopft werden sollen oder nicht.
Schaffen Sie es alleine nicht, die Auflagen zu erfüllen?
Idee der Politik war immer, dass man sie in Kooperation erfüllt. Alleine ist es schlicht unmöglich. Gemeinsam geht es schneller und es ist auch ökonomisch sinnvoll, gemeinsam auszubauen und Funkmasten gemeinsam zu nutzen. Ich hoffe im Übrigen auch, dass sich United Internet mit 1&1 Drillisch an der Kooperation beteiligt.
Den neuen Betreiber 1&1 Drillisch haben Sie aber zunächst außen vorgelassen. Warum?
Es gab Gespräche, und wir haben 1&1 eingeladen mitzumachen. Der Ball liegt nun bei ihnen – sie können mitmachen oder nicht.
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1&1 hat noch kein eigenes Netz, muss es erst mühsam aufbauen. Eine Teilnahme an der Kooperation mit dem gleichen Aufwand, wie Sie ihn betreiben, ist doch gar nicht möglich. Wollten Sie 1&1 mit der öffentlichen Einladung vorführen?
Nein. Das Unternehmen wäre doch auch in der Lage, sich zu beteiligen. Gemessen an Umsatz, Kunden und Ertrag sind sie alles andere als ein klein. Ich freue mich, wenn sie sich in gleichem Umfang wie wir beteiligen. Wer zu einer gemeinsamen Party eingeladen ist, kann hingehen oder es bleiben lassen. Aber wer kommen möchte, sollte auch Getränke mitbringen.
Sie streben gemeinsam 6000 Mobilfunkmasten an. Das dürfte nicht ausreichen, um alle weißen Flecken zu tilgen.
Wir bauen alle drei Stunden eine neue Mobilfunkstation. Wir sind damit am absoluten Limit, mehr geht nicht. Auch weil es in Deutschland keine freien Baukapazitäten gibt. Immer wieder stellen sich auch Bürgerinitiativen gegen den Ausbau. Dass Deutschland die längsten Bauprozesse in ganz Europa hat, tut sein Übriges. Es ist sehr schwierig, in Deutschland den Mobilfunk auszubauen.
Was fordern Sie von der Politik?
Wir brauchen schnellere Genehmigungsprozesse, um die Bauzeiten deutlich zu verkürzen. Es wäre ein Traum, wenn wir nur noch sechs Monate vom Ansuchen bis zur Fertigstellen benötigen würden.
Wie lange dauert es derzeit?
Bis zu 24 Monate. Alle anderen in Europa sind deutlich schneller.
Seit September ist der Kölner Kabelnetzbetreiber Unitymedia Teil von Vodafone. Bleibt der Kölner Standort an der Aachener Straße trotzdem bestehen?
Aktuell bleibt er bestehen. Natürlich gibt es eine Gravitation in Richtung Düsseldorf, weil hier viele zentrale Funktionen sitzen. Das Team in Köln ist aber gut, der Standort ist gut. Wir werden dort weitermachen, eine dauerhafte Garantie können wir aber natürlich nicht geben.
Wie sieht es mit dem Technikzentrum in Kerpen aus?
Die nächsten fünf Jahre wird sich an dem Standort aufgrund des laufenden Mietvertrags nichts ändern.
Sie wollen vor allem durch einen Personalabbau 135 Millionen Euro einsparen. Wie weit ist der Prozess fortgeschritten?
Wir befinden uns weiter in Gesprächen mit dem Betriebsrat. Wir haben eine klare Vorstellung, wie wir das Unternehmen zukunftsfit machen wollen. Wenn es Doppelungen zwischen Unitymedia und Vodafone gibt, werden wir sie abbauen. Solche Ineffizienzen können wir uns nicht leisten. Das haben wir immer offen kommuniziert.
Bauen Sie vor allem beim Unitymedia-Personal ab?
Nein. Wir schauen uns alle Positionen vorurteilsfrei an. Wir haben beispielsweise sowohl einen neuen Einkaufschef als auch einen neuen Chef beim Breitband-Kabelnetz, die von Unitymedia kommen. Wir besetzen also auch Schlüsselpositionen mit den neuen Kollegen.
Schließen Sie weiterhin betriebsbedingte Kündigungen nicht aus?
Wir versuchen in jedem Fall, sozialverträgliche Lösungen zu schaffen. Dass es nicht immer für alle perfekt ausgeht, lässt sich nicht vermeiden. Wir streben betriebsbedingte Kündigungen nicht an, können sie aber auch nicht ausschließen.
Wann verschwindet die Marke Unitymedia?
Im Februar 2020.
Sie machen auch die 6,6 Milliarden Euro teure 5G-Auktion als Ursache für Ihr Sparprogramm aus. Wer ist schuld an dem hohen Preis für die Funkfrequenzen?
2000 hatten wir bereits eine unheimlich teure UMTS-Auktion, die der Industrie sehr viel Geld für Investitionen entzogen hat. Das hat dazu geführt, dass die Betreiber zu wenige Mobilfunkstationen bauen konnten. Dafür beziehen wir noch heute Prügel. Nun sind die gleichen Fehler wieder passiert. Die deutsche Politik hat es versäumt, einen klaren Plan aufzustellen, der die Rahmenbedingungen für möglichste viele Investitionen bietet.
Dass mit 1&1 Drillisch ein vierter Anbieter durch Begünstigungen dazu geholt wurde, hat ebenso zu höheren Kosten geführt, wie die Vergabe von Funkfrequenzen an die Industrie. Denn eine Verknappung von Frequenzen macht sie teurer. Das waren investitionsunfreundliche Maßnahmen. Die teure 5G-Auktion hat Deutschland keinen Schritt weitergebracht, sondern einen halben Schritt zurückgeworfen.
Sie dürfen die Milliarden aber doch über viele Jahre abzahlen.
Das ist bei den niedrigen Zinsen keine so große Erleichterung. Und es ist wie ein Hauskredit, der über einen langen Zeitraum abgezahlt werden kann. Zahlen muss man trotzdem.
Das verschafft Ihnen jedoch mehr Freiheit für Investitionen.
Ja, aber sechs Milliarden Euro sind sechs Milliarden Euro. Die Auktion war keine große Errungenschaft. Das kann Deutschland wirklich besser. Dabei brauchen wir in einem Hochlohnland die beste Infrastruktur, damit hier Firmen und Ideen entstehen. Damit wir den Wohlstand in Deutschland weiterentwickeln können.
Die Industrie braucht ein Topnetz, um die deutsche Spitzenklasse in der Produktion und im Maschinenbau auf die nächste Ebene zu heben. Die deutsche Politik hat uns dafür leider nicht die richtigen Rahmenbedingungen geschaffen. Aber jetzt müssen wir das Beste draus machen, und das tun wir.