Während es Jungunternehmen insgesamt zunehmend schwer haben, Kapital einzuwerben, läuft es in Köln deutlich besser. Wie es um Kölns Gründerszene bestellt ist.
Von Cornflakes bis BürgerbeteiligungDiese Kölner Start-ups sollten Sie kennen
Cornflakes sind Studien zufolge vor allem eines: überzuckert. „Würde der Tiger von Kellogg's Frosties seine eigenen Cerealien essen, wäre er dick und krank“, sagt Habbys-Gründer Torsten Jensen und blickt ins Publikum. Die Zuschauer im Digital Hub Bonn sind hierhergekommen, um das beste Start-up in Nordrhein-Westfalen zu küren, Habbys ist eins von ihnen. Sie greifen in die Müslipackungen, die Jensen ins Publikum geworfen hatte, und überzeugen sich selbst von dem Produkt: knusprige Kringel, die ohne Zucker auskommen, dafür mit viel Eiweiß aufwarten.
Schon zum fünften Mal treten Start-ups aus acht Städten bei der NRW Hub-Battle an, präsentieren ihr Geschäftsmodell in drei Minuten, stellen sich den Fragen der Jury. Am Ende des Abends gewinnt zwar nicht das Kölner Start-up Habbys, sondern der Konkurrent aus dem Münsterland: Akeyi - ein Software-Jungunternehmen, das Computerspiele für Unternehmen entwickelt, damit diese das in ihrer Personalgewinnung einsetzen können. Für Habbys läuft es trotzdem rund: Dieses Jahr stehen Jensen zufolge vier Millionen Euro Umsatz zu Buche, und das, obwohl das Start-up seine Produkte erst im Sommer 2023 auf den Markt gebracht hat.
Kölsche Veedelskultur inspiriert Gründer
Habbys ist eines von rund 735 Start-ups in Köln, ein Großteil davon treibt Innovationen in den Bereichen Software, Gesundheit, Medien und Marketing voran. Die Wirtschaftsförderung der Stadt, Köln-Business, zählte allein im vergangenen Jahr 67 neue Start-ups. Die meisten Gründungen kamen aus Zukunftsbereichen wie Medizin, E-Commerce und Software. „Jungunternehmen profitieren in Köln unter anderem von einem breiten Fachkräfteangebot. In jedem Jahr strömen von den Kölner Hochschulen rund 14.000 hoch qualifizierte Absolventen auf den Arbeitsmarkt, die meisten von ihnen starten ihre Karriere in Köln und der Region“, heißt es von Köln-Business.
In Köln sorgen die Hochschulen nicht nur für Fachkräfte, sondern sie treiben selbst auch Innovationen voran, hier vor allem die Universität und die Technische Hochschule Köln mit ihren Start-up-Schmieden. Dort können Gründungswillige unter anderem Prototypen bauen, Kreativräume nutzen und Unterstützung für Förderprogramme erhalten. Hinzu kommen das Gründerzentrum „Startplatz“ im Mediapark, Veranstaltungen wie die „Start-up Summernights“ und Brancheninitiativen wie der Verein „Proptech Powerhouse“, der Akteure in Bau- und Immobilienwirtschaft vernetzt. „Köln ist eine absolute Start-up-Stadt“, sagt auch Caroline Sturm, Geschäftsführerin des Digital Hub Cologne, der etablierte Firmen mit Jungunternehmen zusammenbringt. „Das hat aus meiner Sicht mit der einzigartigen Kölner Kultur zu tun. Die Kölner lieben ihre Veedel, und jedes Veedel bringt verschiedene Lifestyles und Ideen hervor.“
Prop-Techs wollen Bürger beteiligen und Wohnraum vermitteln
Besonders viel tut sich in der Kölner Gründerszene bei Bau- und Immobilien-Start-ups, genannt PropTechs. „Lumoview“ zum Beispiel hat ein Messsystem entwickelt, das Schwachstellen in der Wärmedämmung erkennt und dafür anhand von Datensätzen in sekundenschnelle 3D-Modelle und Grundrisse von Gebäuden erstellt. Die Jungunternehmen „Aedifion“ und „Plyteq“ wollen mit ihren Lösungen den Gebäudebestand optimieren und so unter anderem den Energieverbrauch senken. Und die Plattform „Werdetnachbarn“ will Menschen zusammenbringen, die gemeinsam Immobilien bauen oder kaufen.
Die digitale Plattform „Senf“ will Bürger für Stadtplanung begeistern. Das Jungunternehmen aus Nippes programmiert sogenannte Dialogkarten, in denen Menschen online vermerken können, wenn an einer bestimmten Stelle in der Stadt zum Beispiel eine Bank stehen sollte oder ein barrierefreier Übergang fehlt. Im Kölner Stadtteil Porz-Wahn können die Bürger beispielsweise Ideen für das Neubauquartier zwischen Nachtigallenstraße und Golfplatz einbringen.
Risikokapital schwerer zu bekommen
Wer wachsen will, braucht Kapital. Das kommt in der Start-up-Szene vor allem von Risikokapitalgebern - also von Investoren, die an die Idee glauben und gleichzeitig das Risiko schultern können, wenn die Idee floppen sollte. Doch der Risikoappetit der Geldgeber hat sich gedämpft: Sechs Milliarden Euro sammelten Jungunternehmen hierzulande im vergangenen Jahr ein. Das sind 39 Prozent weniger im Vergleich zum Jahr 2022, zeigt das Start-up-Barometer der Beratung EY.
Das bestätigt auch Köln-Business: „Die allgemeine ökonomische Lage macht es für junge Unternehmen schwieriger, Geld von Kapitalgebern einzuwerben“, heißt es. In Sachen Investitionen entwickelte sich Köln allerdings gegen den Trend: Im Jahr 2023 stieg das Finanzierungsvolumen um 35 Prozent auf rund 222 Millionen Euro deutlich. Grund dafür ist die Finanzierungsrunde des wohl prominentesten Kölner Jungunternehmens DeepL, das erste Kölner Einhorn, das im ersten Halbjahr 100 Millionen Euro eingesammelt hatte. Einhörner (Unicorns) sind Start-ups mit einer geschätzten Marktbewertung von mehr einer Milliarde US-Dollar vor dem Börsengang oder einem anderweitigen Verkauf.