Köln – „Ich habe heute mit Smudo telefoniert“, erzählt Armin Laschet am Dienstag bei einer Pressekonferenz, in der es um Schutzmaßnahmen gegen die weitere Verbreitung des Coronavirus geht. Er habe mit dem Rapper der Fantastischen Vier gesprochen, um sich über dessen Berliner Projekt Luca zu informieren, erzählt NRWs CDU-Ministerpräsident. Mit der App ist eine digitale Nachverfolgung von Kontakten möglich. Ganz ohne Zettelwirtschaft, die Gastronomen und Veranstaltern im Sommer und Herbst das Leben schwer gemacht hatte. Laschet preist Luca als technologischen Schutzmechanismus an für den Fall, dass Kneipen und Restaurants wieder geöffnet werden. Was dabei untergeht: Eine Gruppe von Unternehmen, viele davon aus NRW, versucht seit beinahe zehn Monaten mit einer solchen Lösung zur Landesregierung durchzudringen – bislang ohne durchschlagenden Erfolg. Das soll sich jetzt ändern.
„Wir arbeiten seit Mai 2020 mit Schweiß und Herzblut an der digitalen Kontaktdatenerfassung“, sagte Jan Kus am Mittwoch dem „Kölner Stadt-Anzeiger“. „Das ist nicht einmal ein gewinnbringendes Geschäft, wir wollen einfach was Gutes tun.“ Kus ist Chef des Kölner Softwarestudios Railslove und hat vor fast zehn Monaten Recover an den Start gebracht. Mit Hilfe des Programms können Gäste in Kneipen und Restaurants, Konzertbesucher in der Halle oder Fußballfans im Stadion digital einchecken. Dafür scannen sie einen QR-Code, tragen die zur Nachverfolgung von Infektionsketten benötigten Informationen ein – und checken beim Verlassen wieder aus.
Der Erfolg ist überschaubar
Bereits im Mai versucht Jan Kus, die Düsseldorfer Staatskanzlei als Unterstützerin der Kölner Lösung zu gewinnen. Der Erfolg ist überschaubar. Zwischendurch habe zwar auch einmal Kontakt mit dem Beauftragten für Informationstechnik bestanden, doch aus einer Zusammenarbeit oder immerhin einer ideellen Unterstützung wird nichts. Kus vermutet, dass die Behörden überfordert waren und digitale Lösungen für die vielen Herausforderungen im Tagesgeschäft noch nicht auf dem Schirm hatten. Dass Smudo und die Entwickler, mit denen die Berliner Kulturschaffenden zusammenarbeiten, mit Luca jetzt eine starke Aufmerksamkeit erfahren, führt Kus auf den Promi-Bonus zurück.
Im Gegensatz zu Luca ist Recover bereits monatelang erprobt worden. Viele Veranstalter und Inhaber von Gaststätten, aber auch Bürobetreiber – vor allem aus Köln – haben die Software im vergangenen Jahr ausgiebig genutzt: das Brauhaus Johann Schäfer, die Fußballvereine Fortuna und Viktoria, das Gründerzentrum Startplatz, die Berliner Ausstellung Republica Netzfest – sie alle haben ihre Besucherinnen und Besucher per Recover registriert, ohne dass ein einziger Zettel dafür notwendig war. Rund 1,5 Millionen Besuche, schätzt Kus, seien über Recover registriert worden. So genau wisse er das nicht, denn die verschlüsselten Daten würden datenschutzkonform nur für vier Wochen gespeichert.
Gastronomen kostet der Einsatz im Betrieb nur 15 Euro monatlich, für Mitglieder der IG Gastro Köln und des Verbands Klubkomm war Recover er bis Ende 2020 sogar kostenfrei.
15 Firmen haben sich zusammengeschlossen
Railslove ist keineswegs alleine mit einer solchen digitalen Lösung für die gewaltige Herausforderung der Nachverfolgung von Infektionsketten. Andere Unternehmen heißen Darfichrein, Hygieneranger, Gastident oder E-Guest, einige von ihnen sind in NRW angesiedelt. Insgesamt 15 verschiedene Firmen haben sich im Sommer unter dem Motto „Wir für Digitalisierung“ als Initiative zusammengeschlossen – gemeinsam wurden sie rund 8,5 Millionen Mal genutzt. Um Gesundheitsämter bundesweit bei der Kontaktnachverfolgung zu unterstützen, bauen sie derzeit ein gemeinsames Portal auf.
Ziel dieses Portals ist es, für Gesundheitsämter einen zentralen Anlaufpunkt für die Daten aus allen Check-In-Lösungen zu schaffen. Wie Behörden profitieren sollen, erklärt Kus: „Gibt es einen Infektionsfall in einer Kölner Bar, kann das Gesundheitsamt den Namen der Bar und den gefragten Zeitraum eingeben und erhält dann mit einem Klick alle Daten aus allen teilnehmenden Apps.“ Kontaktpersonen von Corona-Infizierten sollen dadurch deutlich schneller als bisher benachrichtigt werden können.
Über die plötzliche Aufmerksamkeit für die Luca-App durch Landeschef Laschet regte sich Jan Kus in Beiträgen auf sozialen Netzwerken am Dienstag öffentlichkeitswirksam auf – war er doch monatelang mit seinem Begehren gescheitert. Das zeigte Wirkung: Am Mittwochmorgen war Smudo am Telefon. Das Gespräch sei sehr positiv verlaufen. Kus‘ Ziel ist es, Luca für das digitale Großprojekt jetzt mit an Bord zu holen – und mit den Verantwortlichen aus der Politik endlich Gespräche über eine gemeinsame Lösung der Probleme führen zu können. „Die andere Option wäre, dass alle 16 Software-Betreiber Einzelgespräche mit den Gesundheitsämter führen.“
„Wir müssen mit der Pandemie leben“
„Ich wünsche mir auch mehr Wahrnehmung für das, was in der Region passiert“, sagt Kus. An Bund und Land geht auch sein Wunsch, in Start-ups zu investieren, „die seit zehn Monaten funktionierende Lösungen am Start haben. Wir müssen irgendwie mit der Pandemie leben, und wenn wir gute Tools zum Schutz der Bürgerinnen und Bürger haben, funktioniert das besser.“
Ein Bekenntnis zu digitalen Lösungen aus NRW machte die Landesregierung auch am Mittwoch nicht. Luca sei von Laschet als Beispiel einer technischen Möglichkeit der Pandemiebekämpfung genannt worden, teilte ein Sprecher der Staatskanzlei dem „Kölner Stadt-Anzeiger“ mit.
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„Die Verantwortung für den Einsatz von Software“, so der Landessprecher, „liegt grundsätzlich bei den Kommunen selbst“. Von der Stadt Köln gibt es, das bestätigt Kus, bereits ein positives Signal: Sie will mit Railslove und anderen Start-ups bei digitalen Projekten gegen das Coronavirus zusammenarbeiten.