Den Glasbläsern auf Murano, einer Inselgruppe vor Venedig, war es streng verboten, ihr Wissen zu teilen – die Geschichte eines diffizilen Handwerks.
Weltweit begehrte LuxusprodukteMurano-Glas zaubert Eissorten-Farben in die Wohnung
Ach Sommer, du lässt noch so lange auf dich warten. Aber Moment, da kann Abhilfe geschaffen werden: Buntes Murano-Glas bringt eine große Portion Farbe in die Wohnung. Vasen, Schalen und Objekte aus Murano-Glas zaubern südliches Flair. Wenn Licht auf die im besten Falle handgearbeiteten Stücke trifft, glühen und strahlen sie aus sich heraus in Eissorten-Farben wie Pistazie, Erdbeere und Limette und werfen bunte Schatten an die Wand.
Murano ist Venedigs kleine Nachbarinsel
Die Kunst der Glasbläserei ist seit Jahrhunderten traditionell auf Murano beheimatet, Venedigs kleiner Nachbarinsel. Einst galt Venedig als die Wiege der mitteleuropäischen Glasherstellung. Doch wegen der Brandgefahr, die von den Glasbläsereien für die überwiegend aus Holz bestehenden Gebäude ausging, verbannten die Venezianer im Jahr 1291 die Glasöfen auf die vorgelagerte Inselgruppe. Gleichzeitig diente diese Maßnahme aber auch dazu, das streng gehütete Geheimnis der Glasherstellung zu wahren.
Ursprünglich gab ein Vater das handwerkliche Wissen darum an seinen Sohn weiter; eine zehnjährige Lehre war dabei Voraussetzung. Nur die Besten hielten bis zu deren Ende durch, denn die körperlichen Anstrengungen im Glasbläsergewerbe waren immens.
Glasbläser durften ihr Wissen nicht teilen und die Insel nicht verlassen
Den fürstlich bezahlten Glasbläsern war es unter Androhung der Todesstrafe verboten, ihr Wissen zu teilen, und sie durften die Insel nicht verlassen. Murano wurde abgeschottet und war für ausländische Besucher nicht zugänglich.
Venedig war sich seiner gut ausgebildeten Glasbläser wohl bewusst: Um das Monopol nicht zu gefährden, wurden sie mit Privilegien ausgestattet, etwa dem, dass sie als einzige Mitglieder des einfachen Volkes in adlige Familien einheiraten durften. Auch genossen sie großzügige Steuererleichterungen.
Heute sind viele Fälschungen unterwegs
Ab dem 16. Jahrhundert begannen die Venezianer mit dem Export von Glaswaren und dominierten schließlich den europäischen Markt. Die Vormachtstellung wurde erst im 18. Jahrhundert durch den Erfolg barocken Schnittglases aus Böhmen und Schlesien gebrochen, eine Technik, die man auf Murano nicht beherrschte. Mit dem beginnenden Tourismus Anfang des 19. Jahrhunderts blühte das Interesse an Murano-Glas erneut auf. In den 1960er-Jahren schließlich boomten die bunten Glasgefäße, die in Farbe und Dekor mit Streifen und Op-Art-Dekor am Expressionismus orientiert waren. Bis heute gilt Murano-Glas als etwas ganz Besonderes, auch, wenn es mittlerweile viele Fälschungen gibt.
Arbeiten aus Murano-Glas – vom kleinen geblasenen Schmuckgegenstand bis hin zum raffinierten Kronleuchter – sind weltweit begehrte Luxusprodukte. Die Glasmeister produzieren auch heute noch Objekte ganz unterschiedlicher Stilrichtungen. Sie reichen von der Renaissance über den Jugendstil bis hin zu zeitgenössischem Design. Bei aller Perfektion sind übrigens kleine Luftblasen im Glas normal. Sie entstehen im handwerklichen Produktionsprozess und dienen auch als Indiz für die Echtheit.
Vor allem für Stücke aus den 1950er- und 1960er-Jahren mit psychedelischen Mustern bezahlen Sammler und Sammlerinnen mittlerweile Rekordpreise. Diese Vasen und Gläser sind wie Bonbons oder eine Portion Eiscreme geformt. Es werden verschiedenfarbige Glasstränge als Streifen neben- und übereinander gelegt. Und der herrliche Glanz der gesprenkelten Objekte erinnert an das Sonnenlicht auf einem Terrazzo-Boden in einem italienischen Palazzo.