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Risikomanagement in der NaturHaben Tiere auch Phobien?

Lesezeit 3 Minuten
18.06.2024, Nordrhein-Westfalen, Duisburg: Ein kleiner Fuchs sitzt auf dem Platz vor einer Autowerkstatt.

Ein kleiner Fuchs sitzt vor einer Autowerkstatt in Duisburg: Wildschweine oder Füchse, die in Berlin leben, haben beispielsweise eine ganz andere Fluchtdistanz als ihre Artgenossen in Brandenburg.

Tiere, die gelernt haben, bedrohliche Situationen mit Angst zu assoziieren und zu fliehen, haben einen Selektionsvorteil.

Die Antwort kommt von Heribert Hofer. Er leitet das Leibniz-Institut für Zoo- und Wildtierforschung in Berlin und lehrt als Professor an der Freien Universität Berlin.

Die einfache Antwort auf diese Frage lautet: Wir wissen es nicht. Grundsätzlich ist Angst etwas sehr Nützliches. Sie schützt uns oder auch Tiere vor Gefahren. Phobien gehen aber über eine sinnvolle Angst hinaus. In diesem Fall kann die Angst nicht mehr reguliert werden. Menschen mit einer Spinnenphobie sehen eine harmlose Hausspinne und rennen panisch aus dem Zimmer.

Beim Menschen können wir reale von irrationalen Ängsten unterscheiden, weil wir einen Vergleich mit der Norm haben. Im Tierreich lässt sich eine solche Abweichung schwer feststellen.

Ängste hingegen sind Tieren durchaus bekannt. Angst kann sogar eine genetisch verankerte Eigenschaft sein, die im Laufe der Evolution einen Überlebensvorteil gebracht hat. So haben Tüpfelhyänen große Angst vor Löwen. In den 1960er-Jahren zogen Verhaltensforscher in Afrika Hyänen von Hand auf und brachten sie dann in die Nähe von Löwen. Obwohl sie nie zuvor einen Löwen gesehen hatten, löste deren Geruch Panik aus.

Zu mutige Tiere werden schneller gefressen und können sich nicht fortpflanzen
Heribert Hofer, Leiter des Leibniz-Instituts für Zoo- und Wildtierforschung in Berlin und Professor an der Freien Universität Berlin

Das spricht für eine genetische Verankerung. Tiere, die gelernt haben, bedrohliche Situationen mit Angst zu assoziieren und zu fliehen, haben einen Selektionsvorteil. Zu mutige Tiere werden schneller gefressen und können sich nicht fortpflanzen.

Neben der Furcht zeigen Tiere auch eine Art Risikomanagement. So meiden Raubtiere in der Savanne das hohe Gras und halten sich lieber auf Wegen auf. Das schützt sie vor Parasiten, die im Gras lauern. Außerdem müssen sie sich weniger auf ihre Trittsicherheit konzentrieren und können ihre Umgebung besser im Auge behalten. Ein solches Verhalten ist auch bei heimischen Tieren zu beobachten – so laufen Mäuse und Ratten in unseren Häusern nie quer durch den Raum, sondern immer dicht an der Wand entlang. Dafür nehmen sie zwar längere Wege in Kauf, sind aber besser vor Feinden geschützt.

Der Umgang mit Risiken ändert sich mit zunehmender Lebenserfahrung. So gehen junge Krähen bei der Nahrungssuche ein höheres Risiko ein als ältere Tiere. Das liegt weniger an Mut als an mangelnder Routine.

Auch der Lebensraum spielt eine Rolle. Wildschweine oder Füchse, die in Berlin leben, haben eine ganz andere Fluchtdistanz als ihre Artgenossen in Brandenburg.

Die einzigen Tiere, bei denen wir vermeintlich irrationale Ängste beobachten können, sind Hunde und Katzen. Sie haben sich durch Zucht, nicht durch Selektionsdruck entwickelt. Deshalb gibt es Hunde, die sich teilweise auch grundlos vor allem Möglichen fürchten.

Protokoll: Birk Grüling


Dieser Text gehört zur Wochenend-Edition auf ksta.de. Entdecken Sie weitere spannende Artikel auf www.ksta.de/wochenende.