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Tim Shaddock und Co.Drei Schiffbrüchige und ihre Survival-Strategien

Lesezeit 4 Minuten
Illustration: Ein Mann und ein Hund treiben in einem defekten Boot auf dem Meer.

Schiffbruch mit Hund: Monatelang trieb Tim Shaddock mit Hündin Bella auf dem Meer. Dann gelang seine Rettung. Es gibt weitere erstaunliche Berichte Überlebender von Bootsunglücken.

Regenwasser und roher Fisch haben ihn gerettet, sagt Tim Shaddock, der drei Monate lang auf seinem Boot im Meer trieb. Und seine Geschichte ist nur ein Beispiel von vielen. Immer wieder schaffen es Menschen, unter extremsten Bedingungen zu überleben. Wie ist das möglich, und wie lange kommt man höchstens ohne Essen und Trinken aus?

Drei Monate lang hat der Australier Tim Shaddock auf einem Boot im karibischen Meer überlebt. Shaddock, der mit seiner Hündin Bella von Mexiko nach Französisch-Polynesien segeln wollte, war von seiner Route abgekommen, als seine Bordelektronik ausfiel.

Nachdem seine Vorräte aufgebraucht waren, habe er gefischt und sich und seinen Hund von „Sushi“ ernährt, sagte Shaddock: Als Nahrungsmittel stand ihm nur noch roher Fisch zur Verfügung. Getrunken habe er Regenwasser. Sein Gesundheitszustand sei einige Zeit sehr schlecht gewesen, erklärte der Australier. Er habe zwischenzeitlich nicht geglaubt, dass er es schaffen werde, sich aber nach der Rettung bald wieder erholt.

Immer wieder passiert es, dass Menschen unter ähnlichen Bedingungen überleben. Ein weiterer Fall ereignete sich Anfang dieses Jahres: Der 47-jährige Elvis Francois hatte auf einem Boot vor den Antillen 24 Tage lang überlebt, nachdem er von der Küste abgetrieben war.

Auch er hatte Regenwasser getrunken, das er mit seiner Kleidung aufgefangen hatte. Ernährt hatte er sich nur von einer Flasche Ketchup, Knoblauchpulver und Maggi-Brühwürfeln.

Rettung aus 30 Metern Tiefe

Noch spektakulärer ist die Geschichte des nigerianischen Schiffskochs Harrison Odjegba Okene. Er war 2013 bei einem Unglück mit einem Schlepper gesunken, hatte aber in einer Luftkammer unter dem Wrack in 30 Metern Tiefe überlebt. Zweieinhalb Tage lang harrte er dort aus. Sein einziger Vorrat: Eine Flasche Coca-Cola. Taucher, die eigentlich die Leichen bergen sollten, entdeckten ihn schließlich. Bekannt wurde der Fall auch deshalb, weil es Videoaufnahmen von Okenes Rettung gibt.

Lebensbedrohlich war dabei nicht nur der Nahrungsmangel, sondern die Gefahr, auszukühlen, das Knappwerden der Atemluft und der Druck, dem Okene in der Tiefe ausgesetzt war. Geborgen wurde er schließlich mithilfe einer Taucherglocke, die für einen Druckausgleich sorgte, danach musste er zwei Tage in einer Dekompressionskammer verbringen. Okene verlor bei seiner Bergung das Bewusstsein, erholte sich aber vollständig. Zwei Jahre später hat er sich laut Medienberichten selbst zum Taucher ausbilden lassen.

Wie kann es sein, dass immer wieder Menschen in scheinbar aussichtsloser Lage mit dem Leben davonkommen? Und unter welchen Bedingungen ist Überleben möglich?

In Survivaltrainings wird die sogenannte Dreierregel vermittelt. Sie besagt, ab wann eine Mangelsituation oder Umweltbedingungen für einen Menschen tödlich zu werden drohen. Überleben können Menschen demnach drei Minuten lang, ohne zu atmen, drei Stunden ohne Schutz vor extremen Wetterbedingungen, drei Tage ohne zu trinken und drei Wochen ohne zu essen. Das ist allerdings nur eine stark vereinfachte Faustformel, die sich nicht auf alle Situationen übertragen lässt.

Wie lange ein Mensch tatsächlich ohne Nahrung überleben kann, lässt sich zwar nicht in klinischen Studien untersuchen, es gibt aber Erkenntnisse von Hungersnöten und Hungerstreiks. Laut medizinischen Lehrbüchern kann ein gut genährter Mann mit einem Körpergewicht von 70 Kilogramm zwischen einem und drei Monate ohne Nahrung überleben. Menschen, die sich freiwillig in einen Hungerstreik begeben haben, sind einer Veröffentlichung zufolge meist nach spätestens zwei Monaten gestorben. Der indische Unabhängigkeitskämpfer Bhagat Singh hingegen soll überlebt haben, obwohl er 1929 während eines Hungerstreiks ganze 116 Tage nichts gegessen hatte.

Schildkröten lieferten Vitamin-C

Ohne Nahrung baut der Körper zunächst seine Fettreserven ab, danach auch Muskelmasse, um Energie zu gewinnen. Das ist gefährlich, weil dabei auch der Herzmuskel und andere Organe angegriffen werden. Der Puls wird immer niedriger und es droht ein Herzversagen. Mehrere Monate bei reduzierter Nahrungszufuhr zu überleben ist hingegen gut möglich.

Ein gesunder Erwachsener muss außerdem etwa 1,5 Liter pro Tag trinken. Ohne Wasser kann ein Mensch nur etwa drei bis vier Tage lang überleben. Bei Hitze allerdings geht durch das Schwitzen viel Flüssigkeit verloren und der Bedarf ist entsprechend höher. Auch salzige Lebensmittel steigern den Wasserbedarf, während zum Beispiel Früchte zur Versorgung mit Flüssigkeit beitragen.

Dass Überleben selbst mehr als ein Jahr lang unter den extremsten Bedingungen möglich ist, zeigt die Geschichte von Salvador Alvarenga. Der damals 35 Jahre alte Fischer aus El Salvador erlitt 2012 vor der Küste Mexikos Schiffbruch. In einem Sturm wurde sein Boot beschädigt und ließ sich nicht mehr steuern.

Sein Begleiter starb, doch Alvarenga hielt sich selbst stolze 438 Tage lang am Leben, bis er etwa 10.000 Kilometer entfernt an den Marshall Islands an Land getrieben wurde. Über diese Erfahrung hat Alvarenga später ein Buch geschrieben. Darin schildert er, wie er seinen eigenen Urin trank, wenn es an Regenwasser mangelte, und das Blut von Seevögeln. Von den Vögeln habe er sich auch ernährt, außerdem von Meeresschildkröten, kleinen Haien und Algen.

Während einige Medien damals Zweifel an Alvarengas Geschichte äußerten, hielten es Ozeanographen für sehr gut möglich, dass ein treibendes Boot eine solche Strecke zurücklegt. Auch ein Medizinprofessor und Experte zum Thema Überleben in extremen Situation hatte damals bestätigt, dass es möglich wäre, auf die von Alvarenga geschilderte Weise zu überleben. Die frischen Innereien der Meeresvögel und Schildkröten könnten Alvarenga mit lebenswichtigem Vitamin C versorgt haben, so der Experte. (RND)


Dieser Text gehört zur Wochenend-Edition auf ksta.de. Entdecken Sie weitere spannende Artikel auf www.ksta.de/wochenende.