Der Mensch gehört zu den wenigen Säugetieren, die ihr Fell verloren haben. Wissenschaftler versuchen herauszufinden, wie es dazu kam.
UrgeschichteWarum der Mensch das Fell verloren hat
Die Antwort kommt von Manuel Will vom Institut für Ältere Urgeschichte und Quartärökologie der Universität Tübingen.
Wir Menschen gehören neben Nacktmullen und Meeressäugern zu den wenigen Säugetieren, die im Laufe der Evolution ihr Fell verloren haben. Bei unseren nächsten Verwandten, den Schimpansen, blieben alle Haare erhalten. Evolutionär gesehen trennten sich unsere Wege vor etwa sechs bis sieben Millionen Jahren. Wir können also den Zeitpunkt des Fellverlustes einigermaßen eingrenzen.
Einen exakten Startpunkt dafür auszumachen, ist allerdings genauso schwer, wie die Frage nach dem Warum zu beantworten. Von den verschiedenen Urmenschenarten fanden wir bisher keine Hautabdrücke. Und die Spuren von Kleidung oder der Nutzung von Feuer sind deutlich jünger. Es bleibt also nur die indirekte Herleitung.
Eine wichtige Funktion des Fells ist die Thermoregulation. Der Homo erectus lebt vor zwei Millionen Jahren in Afrika und wird mit 1,80 Meter deutlich größer als seine Vorfahren. Auch seine Beine sind länger und besser an den aufrechten Gang angepasst. Auf dem afrikanischen Kontinent herrscht keine Eiszeit, das Klima ist sehr trocken. Wälder gehen zurück, es bilden sich Savannen. Darin bewegt sich der Urmensch, verfolgt Beutetiere und ist der Sonne stärker ausgesetzt. Ein Fell wäre nun gefährlich. Der Körper und das größer werdende Gehirn könnten überhitzen. Die Schimpansen bleiben dagegen im Wald.
Zudem schützt weniger Fell vor Ungeziefer. Fällt das Lausen weg, bliebe mehr Zeit für die Jagd. Gleichzeitig liefert das Auftreten von Filzläusen im Schambereich vor knapp drei Millionen Jahren einen Hinweis darauf, dass unsere Vorfahren damals schon haarloser waren. Der frühe Homo sapiens und der Neandertaler dürften nicht viel behaarter gewesen sein als manch Freibadbesucher.
Auch sexuelle Selektion könnte eine Rolle gespielt haben. Charles Darwin vermutet im Verlust der Haare einen sexuellen Vorteil. Auch wenn seine Theorie inzwischen als überholt gilt, könnte die menschliche Sexualität zu dieser Entwicklung beigetragen haben. So haben wir noch immer Haar im Intimbereich, auf dem Kopf oder im Gesicht. Das könnte zur sexuellen Unterscheidbarkeit dienen und Attribute wie Stärke oder Vitalität signalisieren.
Einen spannenden Ansatz, um den Zeitpunkt des Fellverlusts zu begrenzen, könnte die Paläogenetik liefern. Schimpansen haben eine rosafarbene Haut. Die Haut der haarlosen Urmenschen musste viel stärker pigmentiert sein. Nun könnte man nach dem Ursprung von dunkler Haut suchen – durch Rückdatierung in unseren Genen oder in fossilem Urmenschenerbgut in Afrika, das wir hoffentlich in Zukunft entdecken werden. (RND)
Protokoll: Birk Grüling
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