Brorhilker widerspricht Aussagen des Ministers vor dem Rechtsausschuss des Landtags. Das Schreiben liegt dem „Kölner Stadt-Anzeiger“ vor.
Internes Schreiben widerspricht LimbachKölner Cum-Ex-Fahnderin holt zum Gegenschlag gegen Justizminister aus
Im Streit um die Neuaufstellung der Cum-Ex-Hauptabteilung der Kölner Staatsanwaltschaft hat deren Leiterin, Oberstaatsanwältin Anne Brorhilker, gegen NRW-Justizminister Benjamin Limbach zum Gegenschlag ausgeholt. Der Grünen-Politiker will die bundesweit führende Abteilung im Kampf gegen die milliardenschweren Steuer-Betrügereien teilen und einen zweiten Hauptabteilungsleiter aus dem Ministerium nach Köln abordnen. Von einer Entmachtung Brorhilkers wird hinter vorgehaltener Hand gesprochen.
Detailliert widerlegt Brorhilker Aussagen des Ministers
In einer internen „Stellungnahme“, die seit Tagen in der Kölner Justiz kursiert und dieser Zeitung vorliegt, widerspricht die Anklägerin jetzt den Aussagen des Ministers vor dem Rechtsausschuss des Landtags im August. Das Papier, an den Hauptstaatsanwaltsrat adressiert, unterstellt Limbach „grobe Verzerrungen“, „irreführende“ oder „nicht zutreffende“ Darstellungen des Sachverhalts. Detailliert versucht Brorhilker in dem Schreiben die Aussagen des Ministers zur Herausgabe der Ermittlungsakten an den hanseatischen Untersuchungsausschuss zu widerlegen.
Limbach hatte die Staatsanwaltschaft Köln scharf kritisiert, weil die Behörde die Herausgabe der Ermittlungsakten zu Verfahren in Hamburg an den parlamentarischen Untersuchungsausschuss an der Alster unnötig verzögert habe. Ein Ministerialer soll die Unterlagen im Juli schließlich in Köln via Datenträger bei Brorhilker eingesammelt haben. Einzig durch diese Aktion habe man eine drohende Klage der Parlamentarier aus Hamburg abwenden können, beteuerte der Minister.
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Unterlagen sollen Frage nach Rolle von Olaf Scholz klären
In den Hamburger Fällen geht es zum einen um die Ermittlungen gegen die Privatbank M.M. Warburg und ihren Mehrheitsgesellschafter Christian Olearius. Der einstige Chefbanker muss sich vor dem Bonner Landgericht verantworten, weil er den Staat um 280 Millionen Euro betrogen haben soll. Olearius bestreitet die Vorwürfe.
In der Kölner Anklage tauchte gleich mehrfach der Name von Bundeskanzler Olaf Scholz auf. Als das Hamburger Finanzamt im Jahr 2016 von der Warburg Bank 47 Millionen Euro Steuererstattungen zurückverlangte, wandte sich Olearius an den damaligen Ersten Bürgermeister der Freien Hansestadt, Olaf Scholz (SPD), um einen Erlass der Forderung zu erreichen. Der Hamburger Fiskus verzichtete überraschend auf die Rückforderung. Eine politische Einflussnahme hat Scholz stets bestritten. Konfiszierte Unterlagen der Kölner Staatsanwaltschaft sollten den Hamburger Parlamentariern helfen, mehr Licht ins Dunkel zu bringen. Laut Brorhilker gingen die angeforderten Ermittlungsakten bereits vor zwei Jahren an den hanseatischen Untersuchungsausschuss.
Der zweite Komplex behandelt die Nachforschungen gegen mutmaßliche Warburg-Helfer aus dem politischen Raum und die Finanzbeamtin, die das dubiose Steuergeschenk zugunsten der Privatbank absegnete. Die Verfahrensakten aus Köln, so Brorhilker, seien zwischen dem 9. März und dem 9. Mai 2023 an das Ministerium gesandt worden. Warum man diese in Düsseldorf nicht zeitnah nach Hamburg schickte, sei ihr ein Rätsel.
Der dritte Komplex richtet sich gegen die Cum-Ex-Geschäfte der staatsnahen HSH-Nordbank. Auch hier habe man im März und Mai die Akten ans Justizministerium übermittelt, so Brorhilker. Doch die Unterlagen gelangten demnach von dort nicht an die Alster.
Erst kehrte Ruhe ein, dann kam ein Sondergesandter
Längere Zeit sei dann Ruhe eingekehrt – ehe im Juni die Hamburger Druck machten wegen fehlender Unterlagen und dem Minister mit einer Klage drohten. Die Kölner Behörde sollte so schnell wie möglich liefern. Am 4. Juli schickte der Minister schließlich seinen Sondergesandten ins Kölner Justizzentrum. Es ging um die Unterlagen zur HSH-Nordbank.
Im Rechtsausschuss rechtfertigte Limbach diesen völlig ungewöhnlichen Akt einen Monat später damit, dass „mein Haus sich gehalten sah, einen Mitarbeiter zur Staatsanwaltschaft Köln zu schicken, um dort Akten zu beschaffen, deren Vorlage der Untersuchungsausschuss der Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg bereits seit Monaten erbeten hatte“. Glaubt man der Cum-Ex-Chefanklägerin Brorhilker, war das Gegenteil der Fall.
Den Schilderungen zufolge wies die Hauptabteilungsleiterin den Emissär Marc Sotelsek darauf hin, dass sein Haus doch längst alle Akten verteilt auf zwei Datenträger besitze. Sotelsek habe dies zwar bestätigt, dennoch habe er Brorhilker dazu aufgefordert, ihm das Material auf einen „einheitlichen Datenträger“ zu überspielen, „da man dem Untersuchungsausschuss nicht mehrere übergeben“ könne. Der Einwand Borhilkers, dass sie angesichts der Datenfülle nicht die Vollständigkeit der Übertragung garantieren könne, habe nicht verfangen. Sotelsek habe dennoch darauf bestanden. „Man fragt sich, warum der Minister einen solchen Rauch wegen nichts veranstaltete?“, sagt eine Person aus Justizkreisen.
Insgesamt befindet Chefanklägerin Brorhilker die Vorwürfe Limbachs als „nicht nachvollziehbar“. So seien entgegen der Erklärung des Ministers alle durch Hamburg angeforderten Akten und beschlagnahmten Asservate frühzeitig nach Düsseldorf transferiert worden.
Ein Sprecher des Ministeriums verwies auf Anfrage des „Kölner Stadt-Anzeiger“ auf die Aussagen in der Rede des Ministers im fraglichen Rechtsausschuss.
Der CDU-Obmann im Cum-Ex-Untersuchungsausschuss, Richard Seelmaecker, fordert vom NRW-Justizminister sämtliche Unterlagen, um zu klären, wer tatsächlich die Herausgabe der Hamburger Cum-Ex-Akten behindert hat. „Bisher hat die Zusammenarbeit mit dem NRW-Justizministerium schlecht funktioniert. Ich hoffe, dass sich dies bald ändert“, sagte Seelmaecker dem „Kölner Stadt-Anzeiger“.