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Exklusiv

CDU-Politiker unter Verdacht
Ex-Landrat Werner Stump soll in ein Schleuser-Netzwerk verstrickt sein

Lesezeit 5 Minuten
Der ehemalige Landrat Werner Stump (CDU) unterhält sich während einer Veranstaltung mit einem Bekannten. Er steht im Visier der Staatsanwaltschaft Düsseldorf.

Der ehemalige Landrat Werner Stump (CDU) steht im Visier der Staatsanwaltschaft Düsseldorf.

Die Staatsanwaltschaft geht dem Verdacht nach, ob Stump die Menschenschleuser unterstützt hat.

Es ist eine Art Brandbrief, den Werner Stump im September 2017 an die deutsche Botschaft in China schreibt. Wenn die zuständigen Diplomaten nicht bald zwei beantragte Visa bewilligten, dann seien 20 Arbeitsplätze in Gefahr, mahnt der ehemalige Landtagsabgeordnete der CDU. Die Chinesen seien Investoren der neu gegründeten „Deutsch-Chinesische Trade GmbH“ in Kerpen bei Köln und als solche unverzichtbar in Deutschland. Schließlich solle mithilfe der Firma etwas Fantastisches entstehen: Es sei etwa geplant, Stumps „Villa Sophienhöhe“ – ein zum Hotel umgewandeltes Anwesen in Kerpen – zu einem Zentrum für chinesischen Gesundheitstourismus auszubauen. Mit einem bekannten Mediziner solle an dem Standort sogar „das Schlafzimmer der Zukunft“ entwickelt werden.

Die schleppende Bearbeitung der Botschaft sei umso unverständlicher, da das Kerpener Ausländeramt dem Aufenthalt der Chinesen doch bereits zugestimmt und die zuständige Industrie- und Handelskammer die Wichtigkeit des gemeinsamen Projektes bestätigt habe, so Stump. Und als Ex-Landrat des Rhein-Erft-Kreises, dem er von 1999 bis 2013 vorstand, wisse er, wovon er spreche. In seiner Funktion sei er schließlich auch Leiter der Ausländer- und Polizeibehörde des Kreises gewesen, prahlt der CDU-Politiker und beendet sein Schreiben: „Ich gehe davon aus, dass die notwendigen Visa für die beiden Antragsteller … zeitnah ausgestellt werden.“

„Villa Sophienhöhe“ in Kerpen steht unter Insolvenzverwaltung

Aus den hochfliegenden Plänen aber wurde nichts. Im Gegenteil: Für das Hotel „Villa Sophienhöhe“ bestellte das Amtsgericht Köln vor gut sieben Wochen einen vorläufigen Insolvenzverwalter. Und auch die damalige Zurückhaltung der deutschen Auslandsvertretungen in China, die im Sommer 2017 bei der Visaerteilung für zahlreiche angebliche Investoren deutscher Projekte unter anderem gefälschte Unterlagen entdeckt hatten, war wohl berechtigt. Der ehemalige Landrat jedenfalls ist mittlerweile Mitbeschuldigter in der rheinischen Schleuser-Politikaffäre um den Kölner Rechtsanwalt Claus B., über die der „Kölner Stadt-Anzeiger“ seit Wochen berichtet. Nach Informationen unserer Zeitung ermittelt die Staatsanwaltschaft unter anderem wegen des Verdachtes des gewerbs- und bandenmäßigen Einschleusens von Ausländern gegen den CDU-Politiker.

In Düren, Kerpen, Solingen und dem Rhein-Erft-Kreis soll es der Bande nach den Erkenntnissen der Ermittler gelungen sein, begüterte Zuwanderer aus dem Nahen Osten, Indien und vor allem aus China widerrechtlich nach Deutschland zu holen. Dafür verlangten sie von den mutmaßlichen Schein-Migranten eine „Gebühr“ von bis zu 350.000 Euro. Im Gegenzug sollen die Schleuser für ihre Kunden unter anderem gefälschte Hochschulzeugnisse, Scheinadressen sowie fingierte Investorenmodelle und Arbeitsverträge beschafft haben.

Etliche Politiker sollen dem Schleuserchef geholfen haben

Nach Recherchen dieser Zeitung sollen etliche Politiker dem mutmaßlichen Schleuserchef geholfen haben. Ob sie von den mutmaßlich rechtswidrigen Praktiken gewusst oder sich lediglich instrumentalisiert haben lassen, muss im Einzelfall noch geklärt werden. Die Vorwürfe gegen Ex-Landrat Stump aber gehen nach Informationen des „Kölner Stadt-Anzeiger“ noch deutlich weiter. Er soll sich den Ermittlungen zufolge tief in das Geschäftssystem der Schleuser verstrickt haben. Nach wie vor geht die Staatsanwaltschaft aber von einem Anfangsverdacht aus. Bis zu einer Verurteilung gilt die Unschuldsvermutung.

Gelbe Blumen stehen vor dem Hotel und Restaurant „Sophienhöhe“ in Kerpen.

Aus den ambitionierten Plänen für das Hotel und Restaurant „Sophienhöhe“ in Kerpen wurde nichts.

Stumps Firmen sollen nach Informationen dieser Zeitung ein Baustein im System des komplizierten Firmengeflechtes gewesen sein, mit dem die Bande ihre Tätigkeiten nach Ansicht der Ermittler verschleiern wollte. Als es immer schwieriger wurde, die Migranten aus Fernost als Investoren nach Deutschland zu bringen, sollen sie zu dringend gesuchten Fachkräften deklariert worden sein. In den deutschen Unternehmen des Netzwerkes, die teilweise nur zum Schein gegründet worden seien, erhielten die Zuwanderer demnach Arbeitsverträge als Führungskräfte, ohne jemals dort tätig zu werden.

Die Kontrakte benötigten die Schein-Migranten, um als angeblich „besonders qualifizierte“ Antragsteller eine Aufenthaltsgenehmigung in Deutschland zu erhalten. Selbst die Gehaltsnachweise, die ebenfalls beim Amt vorgelegt werden mussten, sind den Ermittlungen zufolge nur vorgetäuscht worden. Der monatlich ausgezahlte Lohn für die nicht geleistete Arbeit sei von den Kunden der mutmaßlichen Schleuser-Truppe über einen komplizierten „Konten-Kreislauf“ letztlich wieder an die Bande zurücktransferiert worden.

Gefälschte Arbeitsverträge und Scheinadressen

Auch durch Firmen, in denen Werner Stump etwa als Geschäftsführer tätig war, sollen gefälschte Arbeitsverträge ausgestellt worden sein. Selbst bei der Meldeanschrift, die für einen Aufenthaltstitel zwingend notwendig ist, sei der CDU-Politiker häufig behilflich gewesen, glauben die Ermittler. Die Sophienhöhe sei von zahlreichen der illegalen Zuwanderer als Scheinadresse genutzt worden.

Auf Anfrage des „Kölner Stadt-Anzeiger“ wollte sich der CDU-Politiker nicht zu den Vorwürfen äußern. Er habe zwar „Verständnis dafür, dass Sie mit Ihren Fragen ein öffentliches Interesse verfolgen“, so Stump. Während eines laufenden Ermittlungsverfahrens, dem „allein“ er sich „verpflichtet“ fühle, wolle er sich aber zu allen „Annahmen und Verdächtigungen“ in diesem Zusammenhang nicht äußern.

Schleuser-Firma wollte Hotel kaufen

Seit vielen Jahren sei er in China aktiv, verfüge über zahlreiche Kontakte, ergänzte Stump in einer zweiten Stellungnahme. Seine Aktivitäten hätten ihm in der 20-Millionen-Einwohnerstadt Chengdu sogar „eine Gastprofessur an einer dortigen Universität eingebracht“. Bei seinen unternehmerischen Tätigkeiten in Kerpen sei es ihm angesichts „der geopolitischen Pläne der Chinesen“ mit der so genannten „Neuen Seidenstraße“ vor allem darum gegangen, „einen Beitrag zur Gestaltung eines Ankerpunktes“ einer deutsch-chinesischen Zusammenarbeit im Rheinland zu leisten.

Die Schein-Migranten jedenfalls, für die beim Ausländeramt Kerpen eine Aufenthaltsgenehmigung beantragt wurde, zahlten den Ermittlungen zufolge gut 2,3 Millionen Euro auf die Konten der mutmaßlichen Schleuser. Die Einnahmen seien dann an die „Deutsch-Chinesische Trade OHG" und von da aus an die 2017 gegründete ,,Villa Sophienhöhe Hotelgesellschaft mbH" überwiesen worden, deren einziger vertretungsberechtigter Geschäftsführer damals Werner Stump gewesen sei. Unter anderem sollte die OHG mit dem mutmaßlichen Schlepper-Geld das Hotel kaufen, das Stump und seiner Frau gehörte. Als Kaufpreis seien damals 2,5 Millionen Euro vereinbart worden, von denen den Ermittlungen zufolge bisher etwa 1,5 Millionen Euro geflossen sind.