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Einsatz vor SonnenaufgangFeuerwehr Alfter übt Rehkitzrettung mit Drohne

Lesezeit 6 Minuten
A_Kitzretter_3a Marc Schumann

In Gras eingepackt hält Thomas Brunner ein von Marc Schumann aufgespürtes Kitz hoch.

Alfter – Das Kitz hängt wie gelähmt in einem Grasbüschel. Thomas Brunner hat es darin eingepackt, damit das junge Tier später nicht nach ihm riecht und deshalb von der Mutter verstoßen wird. „Kitzretter*in Jägerschaft Bonn“ steht auf der gelben Weste, die der Mann trägt, auch sein Jagdgenosse Marc Schumann hat eine an.

Die beiden haben sich der Rettung von jungen Rehen verschrieben, damit diese nicht ihrem Instinkt gehorchend still kauernd im Feld ausharren, wenn die Mähmaschine anrollt. Bilder von jungen Wildtieren, die von Mähfahrzeugen zerfetzt wurden, mag niemand mehr sehen. Maschinenführer können die Kitze aber nicht erkennen, da ihre Mütter sie gut im Gras verstecken und ohne den Nachwuchs flüchten.

Pilotprojekt des Bundes

Schumann hat an diesem Tag bereits die neue Feuerwehrdrohne aus einem Pilotprojekt des Bundes mitgebracht, da deren Kamera der Jäger-Drohne deutlich überlegen ist. „Die Kameras der Feuerwehr haben eine deutlich höhere Auflösung als die Drohne der Jägerschaft“, erklärt Schumann, der in Alfter auch stellvertretender Wehrleiter ist.

Ein Dreierteam ist für die Kitzrettung am besten, findet Schumann: „Einer fliegt, einer achtet aufs Display, einer betritt die Wiese.“ Notfalls geht es auch zu zweit. Die fliegenden Kameras ersparen also Suchpersonal, wenn ein Feld kurz vor der Ernte durchstreift werden muss.

Feuerwehr testet Drohnen für den Bund

Pilotprojekt

Als Pilotprojekt des Bundesamtes für Bevölkerungsschutz und Katastrophenhilfe (BBK) erproben zwei Feuerwehren im Rhein-Sieg-Kreis den Einsatz von Drohnen. Im Linksrheinischen ist das die Feuerwehr Alfter, im Rechtsrheinischen die Feuerwehr Königswinter. Sie arbeiten mit der Bundesakademie für Bevölkerungsschutz und Zivile Verteidigung (BABZ) in Ahrweiler zusammen. (mfr)

17-köpfige Drohneneinheit

Ziel des Projekts ist der Gewinn von Erfahrung, denn die Behörde regelt die Drohnenausbildung bei Behörden und Organisationen mit Sicherheitsaufgaben (BOS).

17 Mitglieder hat die Drohneneinheit der Feuerwehr Alfter momentan. Sie ist am Feuerwehrstandort der Löschgruppe Gielsdorf angesiedelt. Christoph Hannemann und Michael Beßmann sind die Koordinatoren vor Ort. (mfr)

Schnell einen Überblick gewinnen

Haupteinsatzzweck der Drohnen bei der Feuerwehr ist die Erkundung der Lage – je früher und klarer die Feuerwehr bei einem Einsatz einen Überblick über das Geschehen gewinnen kann, desto besser für die Koordination der Einsatzkräfte.

Bei Bränden liefert vor allem die eingebaute Wärmebildkamera mit ihren 640 mal 512 Pixeln Hinweise auf den genauen Brandort und Glutnester. Speziell bei Bränden im Wald, auf Gelände mit hohen Pflanzen und von Dachstühlen liefern die Wärmebilder Orientierungshilfen. (mfr)

Personensuche bei Nacht

Zur Personensuche können die fliegenden Kameras erheblich beitragen. In einem Radius von fünf Kilometern lassen sich die Pilotkameras einsetzen und ermöglichen auch die Suche in der Nacht. An die Drohne lässt sich auch ein Suchscheinwerfer anschließen, der dank LED-Technik wenig Strom verbraucht, ein Suchgebiet aber 30 Meter weit hell ausleuchten oder Einsatzkräfte zu einem Ziel leiten kann. Auch Lautsprecherdurchsagen sind von der Drohne aus mit 100 Dezibel möglich.

Schwer zugängliches Gelände lässt sich mit Drohnen in vergleichsweise kurzer Zeit erkunden. Die Luftbilder erleichtern auch die Dokumentation von Einsätzen. Die Sichtkamera hat 48 Megapixel und einen Vierfachzoom. (mfr)

Kein Einsatz bei Regen

Flugbedingung ist Trockenheit, also kein Regen. Von minus 10 bis 40 Grad Celsius fliegen die Drohnen sicher bis Windstärke fünf – tags wie nachts. Die Drohne erreicht eine Geschwindigkeit von etwas weniger als 70 Stundenkilometer. Jeder Akku reicht für eine Flugzeit von 20 bis 30 Minuten. Zur Ausrüstung der Projekt-Drohne gehören sechs Akkus und ein so kräftiges Ladegerät, dass im Dauerbetrieb immer einer der Akkus geladen sein sollte.

Die Übertragung der Daten erfolgt live. So sieht der Bediener von Tablet und Laptop, die mit der Drohne verbunden sind, am Boden, was die Kameraoptik gerade erfasst. Jederzeit kann von der Sichtkamera auf Wärmebild umgeschaltet werden. (mfr)

Brunner und Schumann gehören zur Kreisjägerschaft Bonn, die auch für den linksrheinischen Rhein-Sieg-Kreis zuständig ist und dort eine eigene Kitzrettergruppe zusammengestellt hat. Anderthalb Dutzend Freiwillige gibt es laut Lutz Schorn, dem Sprecher der Gruppe. Wer weiß, wie vielen Jungtieren die Helfer bereits das Leben gerettet haben.

Einsatz spontan auf Anruf eines Landwirts

Die Kitzretter der Jägerschaft Bonn sind per WhatsApp-Gruppe vernetzt. Einsatzmöglichkeiten ergeben sich laut Schorn meist recht spontan: „Dann ruft ein Landwirt abends an, dass er am nächsten Morgen seine Wiese mähen will.“ Schumacher findet, es wäre besser, wenn die Landwirte sich früher entschließen könnten. Doch Wetterumschwünge und die Verfügbarkeit von Lohnarbeitern gäben meist den Zeitplan vor.

Nur im Dunkeln helfen Wärmebildkameras

„Gegen 4 Uhr muss es dann losgehen, denn wenn die Sonne rauskommt, bringen die Wärmebildkameras nichts mehr“, sagt Schumann. Schon gegen 7 Uhr seien die Grashalme an den Spitzen so warm, dass sie auf dem Wärmebild einen roten Schleier bildeten.

„Maulwurfshügel sehen dann schnell wie ein warmer Fleck von einem Tierkörper aus, wenn die Sonne darauf scheint. Mittags brauchen die Kitzretter jedenfalls nicht mehr die Kamera auszupacken, denn dann sieht jeder Stein auf dem Wärmebild rot aus, und mit dem Klarbild ist auch aus der Luft kaum ein Kitz zu erkennen.

Der Flug vor Sonnenaufgang oder gar in der Nacht gehört mit zum Übungsszenario der Feuerwehr und ist im üblichen Drohnenführerschein nicht vorgesehen – ein wichtiger Aspekt, der bei der Auswertung des Pilotprojekts der Feuerwehr ganz sicher Einfluss auf die Gestaltung des Behörden-Drohnenflugscheins nehmen wird.

A_kitz Marc Schumann

Das Kitz im Gras ist nur im Wärmebild (l.) zu sehen, nicht in Klarsicht

Auf Knopfdruck wechselt während des Flugs die Ansicht im Display von Wärmebild auf das reale Bild. Im Dunkeln ist real aber nichts zu sehen, und im tiefen Gras oder unter den Halmen von Getreide kann eine normale Optik auch nichts sichtbar machen.

Die Kitzretter schauen in der Regel aus etwa 30 Meter Höhe auf die Felder. „Wenn man etwas erkennt, geht es auf zehn Meter runter“, sagt Schorn. Ihre ersten Flugkameras kaufte die Jägerschaft vor drei Jahren mit Spendengeldern.

Im vorigen Jahr erlaubte aber eine Bundesförderung von 80 Prozent die Anschaffung einer technisch besseren Drohne. Auch ein paar neue Akkus wurden besorgt, um nicht alle paar Minuten landen zu müssen.

Zwei Drohnenflieger sind zu wenig

Die ersten beiden Drohnenflieger hätten schnell erkannt, dass sie es alleine nicht schaffen, spontan auf die Einsatzwünsche der Landwirte zu reagieren. So entstand die Kitzretter-Gruppe.

Der Hegering Bad Godesberg fliegt laut Schorn auch in Wachtberg. Landwirte seien inzwischen per Gesetz verpflichtet, Sorge zu tragen, dass keine Tiere bei ihren Arbeiten zu Schaden kämen.

Im Alfterer Revier von Heinz Langen fand letztlich die Feuerwehrübung statt. Kitze, die aus dem Feld geholt werden, streben instinktiv an den alten Platz zurück. In umgestülpten Wäschekörben hielten die Feuerwehrleute die Tiere deshalb bis nach den Mäharbeiten fest. „Das geht nicht beliebig lange, und darum können wir nicht morgens suchen, wenn erst nachmittags gemäht wird“, erklärte Schumann.

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Er kann die Flugroute auf dem Display nachvollziehen und erkennen, ob die Kamera Stellen nicht überflogen hat. Zehn bis 20 Meter breit sieht er das Feld je nach Flughöhe. Alle zehn Minuten ist Akkuwechsel. Ein etwas größeres Kitz setzten die Helfer erfolgreich im Wald aus. Wenn es zeitlich gar nicht anders gehe, müsse wie früher ein Feld mit vielen Helfern abgegangen werden.