Wie geht es weiter mit der Finanzierung der Bundeswehr? Der Bundeswehrverband warnt vor schwerem Schaden bei einem unklaren Kurs.
Streit um VerteidigungsfragenBundeswehrverband will „Machtwort“ von Olaf Scholz
Der Vorsitzende des Bundeswehrverbandes, Oberst André Wüstner, hat ein „Machtwort“ von Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) im Streit um die weitere Finanzierung der Bundeswehr gefordert.
„Wenn für unsere Regierung Worte wie Verteidigungsfähigkeit, Schutz oder Wehrhaftigkeit nicht bloße Worthülsen sein sollen, muss Bundeskanzler Scholz seine Richtlinienkompetenz wahrnehmen und ein Machtwort sprechen. Tut der das nicht, muss die Zeitenwende zumindest in der Bundeswehr für beendet erklärt werden“, sagte Wüstner der Deutschen Presse-Agentur in Berlin.
Konkret warnte er auch davor, dass die deutsche Rüstungsindustrie den dringend nötigen Ausbau ihrer Kapazitäten nicht fortsetzen werde, wenn das sogenannte Sonderververmögen Ende dieses Jahres verplant sei, ohne dass der weitere Kurs erkennbar sei. Die Bundesregierung hat als Reaktion auf den russischen Angriffskrieg gegen die Ukraine eine militärische Zeitenwende ausgerufen.
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„Zeitenwende“: Boris Pistorius (SPD) will Bundeswehr „kriegstüchtig“ machen
Erklärtes Ziel von Verteidigungsminister Boris Pistorius (SPD) ist es, die Bundeswehr „kriegstüchtig“ zu machen. Die Bundesregierung hat zudem zugesagt, dass Deutschland den in der Nato vorgesehenen Mindestanteil am Bruttoinlandsprodukt (BIP) - das sogenannte Zwei-Prozent-Ziel - erreichen wird, erstmals wieder im laufenden Jahr. Mittel dazu ist der 100-Milliarden-Euro umfassende und kreditfinanzierte Sondertopf für die Bundeswehr.
Derzeit sind laut Verteidigungsministerium rund 80 Prozent des Sondervermögens „gebunden“. Dieser Begriff umfasst verbindliche Entscheidungen, wie Verträge, verbindliche Aufträge oder auch politische Festlegungen. Bis Ende dieses Jahres werden den Planungen nach 100 Prozent so gebunden sein.
Dann können keine neuen Vorhaben aus dem Sondervermögen finanziert werden, allerdings sehr wohl aus dem mehr als 50 Milliarden Euro umfassenden Verteidigungsetat („Einzelplan 14“). Ende des Jahres 2027 ist dann das Sondervermögen dem Stand der Planungen nach „verausgabt“. Das Geld ist dann abgeflossen oder für Restzahlungen geblockt.
Bericht: Sondervermögen ist praktisch „schon weg“
„Gut, dass mittlerweile viele in der Regierungskoalition und auch in der Opposition davon sprechen, den Verteidigungsetat zu erhöhen. Besser wäre, sie würden es tatsächlich tun!“, forderte Wüstner. „Ohne eine entsprechende Erhöhung des Verteidigungsetats nämlich - der Verteidigungsminister hat einen Mehrbedarf von rund 6,7 Milliarden Euro formuliert - würde Deutschland den gerade erst angelaufenen, schwierigen Prozess des Kapazitätsaufbaus in der Rüstungsindustrie abwürgen.“ Sein Sorge zielt darauf ab, dass der Kuchen aus Sicht der Industrie dann gewissermaßen verteilt sein könnte.
Die „Frankfurter Allgemeine Zeitung“ hatte zuletzt berichtet, das Sondervermögen sei praktisch „schon weg“. „Das 100 Milliarden Euro schwere Sondervermögen für die Bundeswehr reicht nicht“, stellte die Zeitung fest. Unklar ist aber vor allem, wie es nach dem Jahr 2027 weitergehen soll. Wüstner warnt nun vor der Folgen einer Unklarheit.
„Wir würden weiterhin eine nur bedingt verteidigungsfähige Bundeswehr unterhalten und wie schon nach den Gipfel-Beschlüssen von Wales 2014 und Warschau 2016 erneut als wenig zuverlässiger Verbündeter innerhalb der Nato dastehe“, sagte er der dpa. „Angesichts der russischen Aggression mit ihrer Bedrohung auch für unseren Frieden in Freiheit und vor dem Hintergrund der bevorstehenden US-Präsidentschaftswahl wäre es gleich doppelt verantwortungslos, Zweifel an der Einhaltung unserer Zusagen zuzulassen.“
Wüstner: zwei Prozent sind lediglich die Untergrenze
Er warnte auch davor, die deutschen Verteidigungsausgaben schön zu rechnen. Wüstner sagte: „Aktuell nennt die Bundesregierung für den Haushalt 2024 einen Wert von 2,1 Prozent vom BIP für die Verteidigung, doch es ist hinlänglich bekannt, dass dazu auch 15 Milliarden Euro aus anderen Etats gerechnet werden, sogar fünf Milliarden Euro Zinslast für das Sondervermögen werden mitgezählt.“
Zudem seien die zwei Prozent lediglich eine Untergrenze angesichts des notwendigen Fähigkeitsaufbaus in der gesamtstaatlichen Sicherheitsvorsorge. „Schon in diesem Jahr müssen steigenden Betriebskosten aus dem Sondervermögen bestritten werden, weil seinerzeit die Forderung des Verteidigungsministers nach mindestens 10 Milliarden Euro extra nicht erfüllt wurde. Das wird man in Zukunft nicht mehr machen können“, sagte Wüstner. Und: „Die von Boris Pistorius angestrebte Reform der Bundeswehr ist nun ebenso gefährdet wie die Stationierung der Brigade Litauen oder die Erfüllung der Nato-Zusagen ab 2025.“ (dpa)