Der 16. März 2015 ist auch für Routiniers, die schon viele Jahre „We Will Rock You“ auf dem Buckel haben, ein besonderer Abend. Als letzte deutsche Großstadt ist nun Hamburg an der Reihe, das Queen-Musical feiert Premiere im Mehr-Theater am Großmarkt. Was die Show von vielen anderen unterscheidet, ist die Anwesenheit von Brian May. Der Queen-Musiker spaziert zum Ende des letzten Songs „Bohemian Rhapsody“ aus der Kulisse und spielt das finale Gitarrensolo.
Albino-Perücke und Sonnenbrille
Am Tag danach, nach einer langen Premierenfeier und nur zwei Stunden Schlaf, kippt Martin Berger seinen Kaffee herunter wie Limonade. Der Wiener gehört seit vielen Jahren zum „We Will Rock You“-Inventar, seine Rolle ist Khashoggi, der Geheimdienstchef der sinistren „Killer Queen“, mit Albino-Perücke und Sonnenbrille optisch eine Mischung aus Andy Warhol und der Comicfigur Max Headroom. Vom Vorabend ist Berger ein Detail in Erinnerung geblieben: „Habt ihr das gesehen bei »Bohemian Rhapsody«?“, sprudelt es aus ihm heraus. „Als Brian auf die Bühne kam, sind alle aufgestanden, haben ihre Smartphones gezückt und gefilmt oder fotografiert.“ Die vielen Smartphone-Kameras als Glühwürmchen in einem Konzertsaal gab es noch nicht, als „We Will Rock“ seines Siegeszug 2002 im Dominion Theater in London begann und es dort in zwölf Jahren auf 4600 ausverkaufte Vorstellungen brachte. Nach der Deutschland-Premiere im Dezember 2004 war das Stück fast vier Jahre lang in Köln zu sehen, etwa zwei Millionen Besucher kamen in den Musical Dome. Dorthin kehrt es nun im Sommer für ein fünfwöchiges Gastspiel zurück.
Auf die Frage, ob „We Will Rock You“ 2015 noch die gleiche Produktion sei wie 2004, antwortet Berger sinngemäß: Nicht das Musical habe sich verändert, sondern die Welt. „Es hat sich inzwischen vieles bewahrheitet, was ursprünglich als Science-Fiction-Satire gedacht war.“ Denn Youtube und Facebook, iPhones und iPads gab es noch nicht, als Autor und Regisseur Ben Elton 2001 die Story des Musicals konzipierte, angeblich bei einem Spaziergang im Regent’s Park.
„We Will Rock You“ spielt im Jahr 2304. Die „Killer Queen“ steht dem „Globalsoft“-Konzern vor, der mit Hilfe technologisch ausgefeilter Volksverdummung die Erde beherrscht. Die Firma beschickt auch die globalen Charts, herkömmliche Musikinstrumente sind verboten, nur ein paar Aufständische, die „Bohemians“, pflegen die inzwischen nur noch bruchstückhafte Erinnerung an das goldene Zeitalter des Rock. So ist die mit 21 Queen-Hits gespickte Handlung ein bisschen futuristisch, ein bisschen märchenhaft (immerhin gibt es eine böse Königin), und die Artus-Sage kommt auch vor, denn am Ende der Geschichte wird eine vergrabene Gitarre ausgebuddelt, als wäre es der Heilige Gral.
In einem weiteren Punkt hat sich die Wirklichkeit 2015 inzwischen den Ben-Elton-Prognosen für das 24. Jahrhundert angenähert, glauben die Sänger. Die Stichworte sind schnell genannt: Konformitätsdruck, Cyber-Mobbing, Marken-Wahnsinn. Auf den XXL-Einkaufstüten der gleichförmig gestylten Jugendlichen im Globalsoft-Universum steht zwar „Gaga Goods“, doch es könnte genauso gut „Primark“ sein. „Die beste Art, sich heute ins soziale Abseits zu begeben, ist abweichende Kleidung“, sagt dazu Hauptdarstellerin Jeannine Michèle Wacker. Im Musical ist sie Scaramouche, das Punkmädchen mit den Secondhand-Klamotten. Martin Berger, Sohn einer Schneiderin, kennt das bereits aus seiner Schulzeit. Die Mutter kaufte den Kindern keine Jeans, sondern nähte sie selbst. „Da wurdest du schon komisch angeguckt.“
Berger ist 2004 auf den „We Will Rock You“-Zug aufgesprungen, er erinnert sich an das Vorsingen in der alten Bundesbahndirektion am Kölner Rheinufer („einschüchternde Architektur“). Was der nervöse Sänger nicht erwartet hatte, war ein tiefenentspannter, sehr freundlicher Brian May, der ihn namentlich begrüßte. Was bedeutet: Der Gitarrist muss vorab die Bewerbungsvideos gesichtet haben.
Das lebhafte Interesse der Band an „We Will Rock You“ ist seither ungebrochen. Immer noch obliegt May und Schlagzeuger Roger Taylor die musikalische Supervision, das heißt, sie haben beim Casting der Sänger und der Band das letzte Wort. Berger schwärmt: „Das ist etwa so, als ob Leonard Bernstein zu seinen Lebzeiten jede »West Side Story« irgendwo auf der Welt einstudiert hätte.“
Queen und Playback, das geht nicht
Irgendwie passt das zum Perfektionismus, für den Queen in den 70er- und 80er-Jahren berühmt waren. Die Musiker wollen mit ihrem Namen nicht für etwas bürgen, das sie nicht unter Kontrolle haben. Dazu fällt Martin Berger diese Geschichte ein: 2004 traten Brian May, Roger Taylor und das Kölner Ensemble bei „Wetten, dass“ auf – und zwar live, darauf hatten Brian und Roger bestanden. Zum Erstaunen des Senders kamen zwei eigene Soundmixer mit: „Dem ZDF vertrauen wir nicht“, hieß es zur Begründung.
„We Will Rock You“ läuft vom 9. Juli bis 16. August im Kölner Musical Dome. Der Montag ist spielfrei, am Samstag zwei Vorstellungen. Karten kosten zwischen 27 und 90 Euro. Kinder und Jugendliche bis 16 Jahren zahlen die Hälfte.