DiskussionWas taugen Dating-Regeln?

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Wir haben Literatur und Chats durchforstet, Single-Freunde und Single-Fremde in Kneipen belauscht – auf der Suche nach vermeintlichen Regeln. Wir haben sie gehortet und von Experten kommentieren lassen. Das (beruhigende) Ergebnis bringt Medienpsychologin Christiane Eichenberg auf den Punkt: „Dating-Regeln sind unangebracht. Weil das Kennenlernen ein komplexer Prozess ist und unbewusste Vorgänge darüber entscheiden, wer wen anziehend findet oder nicht – und sich das durch einen Verhaltenskodex nicht steuern oder erzwingen lässt. Und weil die Dynamik zwischen Menschen so individuell ist, dass Feinfühligkeit für die jeweiligen Bedürfnisse zentraler ist als Vorgaben.“
VOR DEM ERSTEN DATE – DEN ANFANG MACHEN
1. Ich sollte nur dann aufs Herz klicken, also Interesse zeigen, wenn mir das Foto gefällt, wir gemeinsame Interessen habenEric Hegmann: Grundsätzlich ein schöner Ansatz, da Gemeinsamkeiten, wie gemeinsame Freunde, vertrauensfördernd wirken.Patrick Salmen: Das stimmt. In der Theorie. Sollten Sie als Mann allerdings ungewöhnliche Interessen haben und sich beispielsweise regelmäßig bei Live-Rollenspielen als Ork verkleiden oder als Ausdruckstänzer bei einer sakral-experimentellen Bratschenkapelle arbeiten, behalten Sie es lieber erst einmal für sich. Das vergrößert die Chancen.
2. Es gibt ein Match: Er macht den ersten Schritt, beziehungsweise schreibt den ersten SatzProf. Franz J. Neyer: Initiative ist nicht an ein Geschlecht gebunden, sondern an die Persönlichkeit. Wer Kontrolle übernehmen, Dominanz ausstrahlen und den Takt vorgeben will, ist der Erste, der ein Date vorschlägt.Barbara Ruscher: Gibt's ja nicht. Offensichtlich dürfen wir trotz Emanzipation, Baumarkt-Partys und Grill-Seminaren für Frauen immer noch nicht zu forsch sein und mit der Tür ins Haus fallen – Männer bleiben beim ersten Date gerne konservativ. Dafür müssen wir nicht mehr im Damensattel reiten. Toll!
3. Der erste Satz ist entscheidend – keine Floskeln, keine Smileys und keine Komplimente für das FotoPamela Moucha: Selbstverständlich ist der erste Satz entscheidend – es ist der erste Eindruck. Wer die gleichen, abgedroschenen Formeln wie Hunderte anderer Nebenbuhler herunterbetet, hat es schwerer, herauszustechen. Guter Humor jenseits der üblichen Floskeln und plumpen Komplimente ist ein Alleinstellungsmerkmal in der Selbstvermarktung. Auch gut: Wenn der erste Satz eine Frage und einen persönlichen Bezug enthält, der eine Gemeinsamkeit mit dem Dating-Partner anspricht. Das erleichtert die Antwort und erhöht den Rücklauf. Patrick Salmen: Das ist korrekt. Vermeiden Sie Ansprachen wie „Ja, Kuckuck. Wer ist denn da?“ oder „Scheiß die Wand an! Watt ne Granate!“ Ein paar Small-Talk-Floskeln sind okay. Man möchte ja nicht direkt mit der Tür ins Haus fallen und seine skurrilen Marotten offenbaren. Verzichten sollte man allerdings auf Dialoge wie „Hey.“ „Hallo.“ „Wie geht´s?“ „Gut. Und dir?“ „Auch gut.“ „Und sonst so?“ „Ja, muss. Und du?“ „Muss auch. Schlechten Menschen geht´s immer gut. Kannste nicht reingucken. Da beißt die Maus keinen Faden ab.“Barbara Ruscher: All das – und: Keine abgedroschenen Anmachsprüche. „Dein Vater muss ein Dieb gewesen sein. Er hat die Sterne vom Himmel geholt und in deine Augen gesetzt.“ Meine Herren: Bei sowas fängt eine Frau direkt an zu brechen!
4. Nicht direkt beim ersten Online-Kontakt ein Date ausmachen – Frauen schon gar nicht. Selbstbewusste Frauen ziehen bedürftige Softies anPamela Moucha: Es gibt kein starres Regelwerk beim Online-Dating, dafür sind die Flirt- und Partnersucheportale und das, was dort angesagt ist, zu unterschiedlich – und die Singles sind es auch! Den Mann mit klassischem Rollenverständnis wird es vielleicht irritieren, wenn die Frau zu schnell in die Offensive geht. Ein hipper Mittzwanziger dagegen wird denken: „Kann ich knicken“, wenn sie sich allzu zögerlich zeigt. Singles kommen beim Online-Dating nicht umhin, ein Gespür dafür zu entwickeln, welcher Gang von Fall zu Fall der passende ist.Barbara Ruscher: Goethe hat seinerzeit beinahe 2000 Briefe an Charlotte von Stein geschrieben. Ohne einen einzigen Rechtschreibfehler! Das dürfte in Zeiten unseres Bildungssystems keiner mehr schaffen. Also lieber kurz fassen und nicht zu lange mit dem ersten Treffen warten. Patrick Salmen: Das zeigt sich beim ersten Gespräch. Wenn beide spontan und interessiert sind, steht dem nichts im Wege. Das sollte man vom Bauchgefühl abhängig machen. Suggerieren Sie allerdings nicht, dass Sie sehr verzweifelt sind. Es sei denn, Sie sind sehr verzweifelt.
5. Wenn, dann schlägt selbstverständlich der Mann als erster ein Date vor...Eric Hegmann: Viele Frauen erwarten das, auch als Test, ob der Mann kreativ genug ist, etwas anderes als ein Café oder Restaurant vorzuschlagen. Ein Gentleman wird hier die Initiative ergreifen – und die Frau das in der Regel auch honorieren. Aus der Situation heraus darf aber auch sie einen Vorschlag machen à la: „Ich bin gerade um die Ecke. Wollen wir uns in einer halben Stunde treffen?“ Patrick Salmen: Da sollte man von den Geschlechter-Klischees absehen. Wenn es nach den „Generation-Dingsbums-“Artikeln im Feuilleton geht, scheinen doch ohnehin alle Männer Softies zu sein. Selbst die vermeintlich härtesten Holzfällerburschen sitzen abends mit einer Sektschorle vorm Kamin, schreiben Liebesgedichte und hören traurige Klaviermusik. Und irgendwie ist das doch schön.
6. ...und den Ort: Der darf nicht zu privat sein – aber auch nicht zu öffentlichEric Hegmann: Die Mehrheit der Singles trifft sich leider zu Hause. Das ist ein Sicherheitsrisiko. Selbst wenn es klar um Sex geht: Immer an einem neutralen Ort treffen und dann eventuell weiterziehen. Barbara Ruscher: Das bedeutet konkret: Nicht zu Hause und nicht auf der Domplatte – besser: im Sauerland. Bei Rodeln und Glühwein kommt man sich unverfänglich näher und hat was zu tun. Danach ist man für intensivere Nähe zu kaputt, so dass man gar nicht in die Versuchung kommt, beim ersten Date gleich alle Hüllen fallen zu lassen. Wozu das Sauerland doch gut ist!Patrick Salmen: Schöne Anekdote: Ein Mann, der einmal eine Show von mir besucht hat, erzählte mir später, dass er bei dieser Lesung tatsächlich sein erstes Date hatte. Und es hat funktioniert. Viel erzählt können sie sich an dem Abend nicht haben, aber scheinbar hat der gemeinsame Humor sie verbunden. Mittlerweile sind die beiden verheiratet. Meiner Meinung nach sind Spaziergänge, Konzertbesuche oder Ähnliches ideal für ein Date. Dieses „Gemeinsam-einen-Kaffee-trinken-gehen-Ding“ ist oft so gezwungen.
7. Das Date niemals sofort zusagen, es darf auch nicht zu kurzfristig sein, also niemals nach Mittwoch ein Date für Samstag annehmen – Verbindlichkeit schreckt ab!Eric Hegmann: Ein Klassiker aus den USA, wo der Samstag traditionell Date-Abend ist. Wer dort zu schnell zusagt, signalisiert, dass er weder Freunde noch Verehrer hat. Außerdem soll vermeintliche Konkurrenz motivierend wirken. Pamela Moucha: Wer sich aus Unsicherheit oder mangelnder Erfahrung an solch normative Vorschriften klammert, der ist geradezu der Musterkandidat für ein Frusterlebnis. Wie im analogen Leben müssen zwei Singles ja auch beim Flirten und Kennenlernen übers Netz herausfinden, ob die Chemie stimmt oder nicht. Und das kann sich schon bei der Frage entscheiden, ob man ein ähnliches Tempo hat. In Fragen der Geschwindigkeit kommt es darauf an, wo und mit welchem Ziel man unterwegs ist: Dating-Apps wie Tinder ticken schnell und flexibel, während man sich bei der Suche nach einer ernsthaften Beziehung durchaus ein bisschen Zeit gönnen kann. Verbindlichkeit im Sinne einer klaren Haltung ist in beiden Fällen begrüßenswert.Patrick Salmen: Bevor Sie anfangen, mit Ihrem alten Solarzellentaschenrechner aus der siebten Klasse Algorithmen auszurechnen – wann der richtige Zeitpunkt für was wäre – handeln Sie lieber intuitiv. Abschreckend wäre allerdings folgendes Szenario: „Wann können wir uns mal sehen?“ „Bin schon da. Mach einfach die Haustüre auf.“
8. Vor dem Date rausputzen, Friseur, Kosmetiker, Maniküre, das ganze Programm und Stunden vor dem Schrank verbringenEric Hegmann: In Umfragen sagen Männer, dass Frauen natürlich (oder was Männer für natürlich halten) besonders sympathisch wirken. Für Männer gilt: Lässig, aber nicht nachlässig. Wer eine Beziehung sucht, sollte nicht zu viel in Styling investieren, das wirkt selbstverliebt.Barbara Ruscher: Warum? Man sucht sich aus dem Kleiderschrank was Schönes raus, damit mansich wohlfühlt. Und wenn der Mann mit neuem Kleid auftaucht, wird das auf jeden Fall ein sehr spezieller Kontakt.Patrick Salmen: Körperpflege ist an sich eine gute Sache. Mit oder ohne Date.
ANGEKOMMEN – VERHALTEN BEIM ERSTEN DATE
9. Niemals zu früh erscheinen, besser einen Tick zu spät. Unpünktlichkeit macht interessant und zeigt GeschäftigkeitEric Hegmann: Vor allem signalisiert das, dass man seine Zeit für wichtiger erachtet als die des anderen. Das ist mehr als ärgerlich!Patrick Salmen: Unsinn. Pünktlichkeit ist Höflichkeit. Unpünktlichkeit suggeriert Gleichgültigkeit. Oh, Gott! Ich klinge wie ein deutscher Finanzbuchhalter im kurzärmeligen Jack-Wolfskin-Hemd. Egal.
10. Sofort ankündigen, dass man nur begrenzt Zeit hat. Nach maximal drei Stunden gehen – und immer vor 24 UhrEric Hegmann: Auch eine Regel aus den USA, wo es normal ist, nach einem Date, meist ein Dinner, noch Freunde zu treffen – da das erste Date ja sowieso nicht im Bett enden darf. Ein erstes Date muss aber noch nicht einmal drei Stunden dauern. 30 Minuten zum Kaffee genügen. Barbara Ruscher: Männer sind da kurios: Zum einen wollen sie angehimmelt werden, zum anderen wird eine Frau sofort uninteressant, sobald sie unbegrenzt für ihn Zeit hat. Also was tun? Männer wünschen sich zwar immer eine Frau, die ihre eigenen Interessen hat und selbstständig ist, wollen dann aber doch der Macker sein. Bin allerdings gespannt auf die plausible Erklärung, was man denn um Mitternacht noch Wichtiges vorhat. „Muss für meine neue sakrale Meditations-CD das Glockengeläut am Dom aufnehmen“; oder: „Der Schlaf vor Mitternacht ist besonders erholsam.“ Was macht man nur, wenn er dann sagt: „Dann lass uns um 1 Uhr treffen. Da bringt Schlafen eh nichts mehr.“Fände ich persönlich eher unangebracht. Wenn man zu einem ersten Date schon nicht viel mitbringen muss, dann doch zumindest Zeit. Wenn der Datingpartner allerdings mit Schlafsack und Tipi-Zelt in der Kneipe auftaucht, ist es Zeit, sich Gedanken zu machen.
KONVERSATION – THEMEN UND TABUS
11. Themen wie gescheiterte Beziehungen und Kinder sind tabu...Eric Hegmann: Man sollte beim ersten Date keine Lebenspläne machen – das wirkt bedürftig. Wer denkt, er bekomme durch die Frage nach Ex-Beziehungen heraus, ob das Gegenüber beziehungsfähig ist, ist besser beraten zu beobachten, ob der Kontakt positiv, lebensbejahend und optimistisch wirkt. Im Zweifel entscheidet doch sowieso: Ist man sich sympathisch – oder nicht.
... und Politik auch!Pamela Moucha: Das Thema ist tatsächlich beim Kennenlernen brisant und bietet eventuell so viel Zündstoff, dass gleich in der ersten Runde die Fetzen fliegen. Und: Während die politische Gesinnung bei einem neuen Lebenspartner ein entscheidendes Kriterium ist, dürfte das bei einem Techtelmechtel eher von sekundärem Belang sein.Patrick Salmen: Was bleibt denn dann an Gesprächsstoff übrig? Das mit den Ex-Partnern macht Sinn. Aber Politik ist ein viel zu spannendes Thema, als dass es außen vorgelassen werden sollte. Sie möchten ja wissen, ob Sie es mit einer gutherzigen Dame oder Lord Voldemort zu tun haben. Mich würde schon interessieren, ob meine potenzielle Partnerin heimlich Flüchtlinge aus Deutschland verjagt. Ob sie Kinder hasst. Oder isst.
12. Ich muss es nicht ansprechen, ich kann am Verhalten des Gegenübers erkennen, ob er oder sie Interesse an einer Beziehung hat – oder nur Spaß haben willProf. Franz J. Neyer: Ob jemand an einer festen Beziehung interessiert ist und auch bereit, darin zu investieren, ist doch eine Frage der Persönlichkeit, der individuellen Lebensziele, den bisherigen Beziehungserfahrungen und vieles, vieles mehr. Das kann niemand auf Anhieb herausfinden. Dazu bedarf es Zeit – die sich jeder und jede nehmen sollte, der oder die einen Partner sucht! Barbara Ruscher: Woran sollte man das erkennen? An der Lederpeitsche auf dem Tisch? An der weißen Stelle am rechten Ringfinger? Oder an dem von ihm gewählten Treffpunkt auf dem Standesamt?13. Niemals zu viel Interesse zeigen, schon gar kein Interesse an einer Beziehung ankündigenProf. Franz J. Neyer: Diese Regel taugt nichts. Interesse zeigen sollte jeder, der etwas will – welche Art von Beziehung suche ich? – und die eigenen Chancen zum Ziel zu kommen, positiv einschätzt. Auch der subjektiv eingeschätzte Wert auf dem Partnermarkt sollte bedacht werden – gibt es attraktive Alternativen für mich?Patrick Salmen: Wenn man generell kein Interesse an anderen Menschen hat, sollte man den Sinn eines Dates womöglich hinterfragen. Mal im Ernst! Wenn man nur eine schöne Nacht haben möchte, dann sollte man mit offenen Karten spielen: „Entschuldigung, ich würde gerne mit dir schlafen, dir morgen früh Kaffee kochen und dann wieder nach Hause gehen.“ Trotzdem wäre man sehr gut beraten, beim ersten Date Sätze wie diesen dringend zu vermeiden: „Ich will dich heiraten. Übermorgen!“Barbara Ruscher: Das ist lustig. Was sagt man denn da zur Tarnung: „Für eine Beziehung hab ich momentan keine Zeit. Ich bin nur hier, um Unterschriften gegen die Vermüllung der Meere durch Plastiktüten zu sammeln – machst du mit?“
14. Komplimente sind tabu – viel zu anbiedernd!Eric Hegmann: Nein. Komplimente dürfen sein, denn sie signalisieren Aufmerksamkeit. Vermutlich hat sich das Gegenüber sehr gut überlegt, genau so zum Date zu erscheinen. Diese Mühe darf doch gerne honoriert werden. Patrick Salmen: Warum? Alles eine Frage des Tons. Sexismus und Anbaggerei – „Hey Olle, geile Brüste!“ – ist da eine Sache, ein ehrliches Kompliment allerdings eine andere: „Schöne Ohrläppchen hast du!“
15. Nicht zu viel von sich erzählen, eher zuhören – immer schön geheimnisvoll bleibenPamela Moucha: Das ist eine Frage des guten Stils, aber keine, die spezifisch für ein Date gilt. Wer von Natur aus Egomane ist, wird eine aufgesetzte Haltung nicht lange durchhalten. Sich für das Gegenüber zu interessieren und aufmerksame Fragen zu stellen, schadet natürlich nicht. Klar: Man sollte nicht gleich alle Intimitäten preisgeben, um dem Gegenüber noch etwas zum Entdecken übrig zu lassen. Übertriebene Geheimniskrämerei kann aber auch als Eitelkeit ausgelegt werden.Barbara Ruscher: Da Männer nicht zuhören können, fällt dieser Part eh der Frau zu. Wobei Männer jaauch nicht gern reden. Die schreiben auch in den Netzwerken lieber Sachen wie „Bin am chillen.“ „Bier ist alle.“ „Gleich ist angrillen.“ Und posten Fotos vom blutigen Rindernackensteak. Auch die Veganer. Vom Zucchini-Sellerie-Bratling. Um zu schweigen und trotzdem Konversation zu betreiben: Einfach die wichtigsten Infos am Tisch per Mail austauschen.
FLIRTEN – DAS SPIEL VON NÄHE UND DISTANZ
15. Männer flirten anders als Frauen, ich sollte die Regeln kennen, um die Signale lesen und aussenden zu könnenProf. Franz J. Neyer: Beim Flirt sollte man sich auf sein Bauchgefühl verlassen und nicht an stereotype Geschlechterrollen glauben. Ob die Chemie stimmt oder nicht, hängt von vielen Faktoren ab, auch vom Zufall – und sicher nicht von irgendwelchen Regeln. Barbara Ruscher: Es heißt ja, Frauen könnten, indem sie sich undurchschaubar geben, das Balzverhalten der Männer steuern. Das erzeugt Verwirrung und macht interessant. Aber Vorsicht: Es kann auch nach hinten losgehen. Wenn man zum Beispiel zwischen den Erläuterungen zu seiner Vorstellung von Beziehung plötzlich auf Angela Merkel und Wladimir Putin zu sprechen kommt, könnte das eine falsche Fährte legen. Mit Sarkozy würde es aber eventuell funktionieren.
16. Männer fühlen sich von Merkmalen angezogen, die Fruchtbarkeit suggerieren – jung und sexy zum BeispielProf. Franz J. Neyer: Viele Studien belegen das, zumindest im Hinblick auf Partnerpräferenzen im jungen Erwachsenenalter. Wie sich das im Laufe des Lebens ändert, weiß niemand. Jung und sexy impliziert übrigens keineswegs alt und unsexy. Patrick Salmen: Generell fühle ich mich von Merkmalen angezogen, die auf emotionale Intelligenz und Humor schließen lassen. Wenn sie dann noch interessant aussieht und fünf Kinder will, gerne doch!
17. Frauen legen Wert auf Merkmale, die auf Durchsetzungsfähigkeit, Selbstbewusstsein und Status schließen lassenProf. Franz J. Neyer: Auch das ist wissenschaftlich belegt. Aber mal im Ernst: Es ist Frauen nicht untersagt, auf die physische Attraktivität von Männern zu achten. Viel wichtiger ist doch die Frage, was eine Frau sucht: Den Partner für die Familiengründung, die ewige Liebe, die Absicherung, einen Lebensabschnitt oder eine Beziehung auf Distanz.Barbara Ruscher: Und Einfühlungsvermögen! Der Rest ohne die drei genannten Eigenschaften wird gerne mal ausgesondert, das haben wir von der Kanzlerin gelernt: Merz: weg. Röttgen: weg. Öttinger: weg. Guttenberg: weg. Wulff: weg.
18. Nicht anfassen!Richard Lemke: Das kann für eine gewisse Zeit und auf eine angenehme Art Spannung aufbauen. Die Frage ist, wie lange das Date geht – und wie lange man es durchhält. Patrick Salmen: Wäre gut. Erst einmal. Und Free-Hugs-Hippies aufgepasst: Generell sollte man im Alltag darauf verzichten, fremde Menschen anzufassen – schlimmer noch, zu bützen!
DER ABSCHLUSS – KÜSSEN ODER NICHT?
19. Der Mann zahlt die Rechnung!Eric Hegmann: Auf jede Frau, die gerne eingeladen werden möchte, weil sie das für ein Zeichen von Großzügigkeit und Fürsorge deutet, kommt eine Frau, die dem Mann auf keinen Fall etwas schuldig sein möchte. Hier hilft nur: Absprechen. Weil Geiz eben nicht geil ist, darf der Mann schon großzügig sein, vor allem wenn es nur um einen Drink geht. Beim Essen ist das etwas anderes. Da kann man – nach Absprache – die Rechnung auch mal teilen. Patrick Salmen: Man sollte dann zahlen, wenn man es gerne macht und nicht aus irgendwelchen gesellschaftlichen Zwängen heraus.
20. Der Mann fragt nach der TelefonnummerDirk Schulz: In Sexualitäts- und Romantikfragen setzt sich seit Jahrtausenden mehrheitlich das geschlechtsstereotype Verhalten durch. Zwar haben sich Frauen im gesellschaftlichen Bereich Rechte, Teilnahmechancen und Machtpositionen erstritten. Sexualität und Romantik aber beruhen weiterhin auf einer als natürlich angenommenen Gegensätzlichkeit – und Ergänzung – der Geschlechter. Die wiederum fußt auf dem scheinbaren Naturprinzip von aktiver Männlichkeit und passiver Weiblichkeit. Wenn also der Mann die Rechnung zahlt, nach der Telefonnummer fragt oder anderweitig Initiative zeigt, soll sich so wieder ordnen können, was durch soziale Umbrüche in anderen Bereichen durcheinander gebracht worden ist.Barbara Ruscher: Lassen Sie sich seine geben, und geben Sie ihm die vom Papst. Falls er katholisch ist. Ein Erstgespräch über das unnötige karnickelartige Vermehren von Katholiken kann sicher nicht schaden. Und Sie wissen so ziemlich schnell, ob er Humor hat. Oder Kaninchenzüchter ist – und damit sowas von sauer.
21. Sex im Anschluss, also noch in der gleichen Nacht, ist tabu. Richard Lemke: Ich halte von der vermeintlich amerikanischen Regel „Wer in der ersten Nacht Sex will, hat kein Interesse an einer Beziehung“ überhaupt nichts. Ich wüsste nicht, warum man damit glücklicher werden sollte. Sie stammt aus einer Blickrichtung, aus der die Anzahl der Sexualpartner eine kritische normative Größe ist – im Sinne von: je mehr, desto unmoralischer. Das wird häufig vermeintlich rational damit erklärt, dass mit der Anzahl der Sexualpartner das Risiko für ungewollte Schwangerschaften und Geschlechtskrankheiten steigt. Inzwischen leben wir in einer Zeit, in der es eine große Rolle spielt, ob zwei Partner sexuell kompatibel sind. Das wird ja beim Online-Dating häufig schon im Vorfeld ausgehandelt. Außerdem: Dass es bei Tinder-Dates vorrangig um Sex geht, bedeutet doch nicht, dass daraus keine Beziehung entstehen könnte. Wichtig und fair ist allerdings, vorher klarzustellen, was das vordergründige Ziel des Dates ist: Sucht man etwas Romantisches oder „erstmal nichts Festes“.Barbara Ruscher: Mit sich selber sicherlich in Ordnung. Irgendwo müssen die Emotionen ja hin. Ansonsten beim ersten Date eher vorsichtig sein. Es sei denn, man hat nurnoch eine Nacht zu leben. Da würde ich ein Auge zudrücken.
NACH DEM ERSTEN DATE – WARTEN AUF GODOT
22. Kein Interesse am zweiten Date? Einfach nicht auf Nachrichten antwortenPamela Moucha: Wer schon ein persönliches Treffen mit einem Flirt-Kontakt hatte, sollte so viel Größe haben, dem anderen mit einer persönlichen Absage zu antworten. Eine solche Nachricht kann kurz, sollte aber verbindlich sein. Patrick Salmen: Kann man so machen. Wenn man ein Arschloch ist.
23. Bei Interesse an einem zweiten Treffen signalisiert das der Mann, aber erst nach drei TagenEric Hegmann: Das ist Quatsch. Diese Regel stammt aus den USA, wo Männer von Frauen bei der Kontaktaufnahme die Telefonnummer bekommen haben – und nun ihr Interesse durch Engagement belegen müssen. Nach einem Date ist das ja längst erledigt. Wer Interesse hat, sollte das auch zeigen. Ohne bedürftig zu wirken. Barbara Ruscher: Das ist doch Kindergartenkram. Ich würde ihm raten, vom Prepaid-Handy zu einer Handy-Flatrate zu wechseln.
24. Niemals am gleichen Tag auf Nachrichten antworten – Hinhalten, zeitlich und inhaltlich. Es heißt doch: Männer wollen jagenProf. Christiane Eichenberg: Das ist Unsinn! Sensibel zu sein für das Wechselspiel zwischen langsamer Annäherung und wieder auf Distanz gehen im Kennenlern- und Annäherungsprozess ist da sicherlich viel hilfreicher.Patrick Salmen: Ich würde dringend raten, auf zu viel Taktieren zu verzichten und den inneren Matthias Sammer im Käfig zu lassen.
25. Homosexuelle Singles müssen sich diese lästigen Fragen sicher nicht stellenRichard Lemke: Natürlich stellen sich manche von ihnen dieselben Fragen – auch wenn gerade schwule Männer geübter sind in Sachen Online-Dating. Schließlich kann man sagen, dass sie Online-Dating erfunden haben. Schon immer brauchten Schwule als sexuelle Minderheit bestimmte Räume, um sich gegenseitig zu finden. Spätestens mit dem Start der deutschsprachigen Plattform Planet Romeo im Jahr 2002 haben sich diese Räume hierzulande ins Internet verlegt. Außerdem verabreden homosexuelle Menschen ihre Sexualität stärker als heterosexuelle – um zu klären, wer welche Rolle einnimmt. In der Szene gab es schon immer optische Codes, wie speziell farbige Tücher in der rechten oder linken Hosentasche – um zu demonstrieren, wer den passiven und wer den aktiven Part übernimmt. In Zeiten von Online-Dating wird das immer unbedeutender, weil das Netz ein idealer Ort ist, sexuelle Präferenzen im Vorfeld eines realen Treffens auszuhandeln. Im Vergleich zu schwulen Männern, die in der Regel unbedarfter mit flüchtigen Begegnungen umgehen, spielen bei lesbischen Frauen romantische und Geborgenheits-Sehnsüchte eine wesentlich größere Rolle. Und die können in tiefen Enttäuschungen münden – was zu Verunsicherung führen kann. Man kann das noch nicht abschließend sagen, aber was Tinder angeht ist mein Eindruck: Frauen sind etwas stärker von Selbstwertängsten betroffen als Männer, denen meist einmal mehr egal ist, ob ein Date erfolgreich endet und zu einem Wiedersehen führt – oder nicht. Patrick Salmen: Warum sollten sie das nicht tun?Barbara Ruscher: Wieso sollte das bei Homosexuellen anders ablaufen? Wo leben wir, dass diese Frage überhaupt gestellt wird?
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