Online-DatingDigital suchen, analog zweifeln

Profile ohne Ende, aber welche ist die Richtige?
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Und wo habt ihr euch kennengelernt?“ „Im Internet.“ Stille, eine Augenbraue wandert Richtung Stirn, geräuschvolles Ausatmen. Man wird das Gefühl einfach nicht los, dass an dieser Antwort Verzweiflung klebt. Und Einsamkeit. Mit Rotweinflecken und Katzenstreu. Nur beziehungsunfähige, kauzige Eigenbrötler, die im realen Leben eh keine Chance auf gesellschaftlichen Anschluss hätten, treiben sich nachts in schummrigen Online-Chats rum und schreiben sich anzügliche Halbsätze unter skurrilen Nicknames wie Kuschelbär69 und Sweety_0815. Hinter jedem brauchbaren Profil steckt im besten Fall ein übergewichtiger Fernfahrer, Mitte - Ende 50, aus Hintertupfingen. Oder, im schlechtesten Fall, ein Serienmörder. Mit ernsthafter Partnersuche hat das nichts zu tun, es geht ja doch nur um Gelegenheitssex, Schmuddelkram. Das beschreibt in etwa die öffentliche Meinung über Online-Dating – vor zehn Jahren.
Laut Statistischem Bundesamt wurden im Jahr 2013 373655 Ehen geschlossen. 16,4 Prozent davon (das sind 61279 Paare) entstanden aus Online-Bekanntschaften. Und das ist nur der Teil, der das offen zugibt und kein pseudo-romantisches Szenario à la „Unsere Blicke trafen sich über der Wursttheke“ vorschiebt. Die tatsächliche Zahl dürfte also wesentlich höher liegen.
Online-Dating ist längst keine gesellschaftliche Randerscheinung mehr. Das in Köln ansässige Unternehmen „Metaflake“ führt seit zehn Jahren Erhebungen zu diesem Thema durch. Aus der jüngsten Studie geht hervor, dass in Deutschland monatlich über acht Millionen User auf Online-Dating-Portalen aktiv sind. Das umfasst die Kategorien Social-Dating, Kontaktanzeigen und Partnervermittlungen. Social-Dating bezeichnet die Netzwerke, die Menschen nutzen, die nicht spezifisch nach einem Lebenspartner suchen, sondern „Leute kennenlernen“ möchten. Dieser Sektor ist mit 4,2 Millionen Nutzern der größte Bereich. Die übrigen User verteilen sich auf klassische Kontaktanzeigen-Portale (3,1 Millionen) und Online-Partnervermittlungen (1,7 Millionen). Weitere 3,5 Millionen Nutzer suchen monatlich explizit nach erotischen Kontakten, das sogenannte Adult- oder Casual-Dating.
Die digitale Partnersuche ist aus den Gesellschaften der westlichen Welt nicht mehr wegzudenken. Eine Langzeitstudie aus dem Jahr 2011 des „Oxford Internet Institute“ belegt, dass über 30 Prozent aller Internetnutzer in Europa ihren Partner online finden. Online meint in diesem Zusammenhang: Über den stationären PC oder Laptop, aber auch per mobilem Dating via Handy, Smartphone oder Tablet-PC. Die beiden Begriffe sind mittlerweile kaum von einander zu trennen. Über 50 Prozent der Log-ins bei Dating-Portalen erfolgen heute auf mobilen Endgeräten.
Mit der Suche nach der Liebe wird eine Menge Geld verdient. Insgesamt gelang es 2013 einer relativ kleinen Gruppe von Anbietern in Deutschland, mehr als 15 Millionen Euro Umsatz zu erwirtschaften. Den größten Marktanteil haben die Online-Partnervermittlungen. Der Mitgliederbeitrag hat in diesem Sektor eindeutig eine Türsteher-Funktion. Singles, die auf der Suche nach einer seriösen Partnerschaft sind, grenzen sich durch den relativ hohen Abo-Preis von den Singles ab, die lediglich auf der Suche nach flüchtigen Bekanntschaften sind. Die finden sich auf anderen Plattformen für deutlich weniger Geld.
Damit wäre schon mal geklärt, wo sich die einsamen Herzen im Netz entdecken. Die Partnersuche ist weitestgehend digitalisiert. Die Zweifel, die mit dem Prozess des Kennenlernens einhergehen, bleiben analog. Wer springt zuerst über seinen virtuellen Schatten und bekundet sein Interesse? Bei der Dating-App „Tinder“ wurde dieser Schritt vereinfacht. Zwei Nutzer können nur miteinander kommunizieren, wenn beide das jeweilige Profil des anderen „geliked“, also das Herz angeklickt haben, und ein „Match“ bilden. Das mindert die Angst vor Zurückweisung. Theoretisch zu mindest.
Die programmierte Kehrseite von „Tinder“ ist die Unverbindlichkeit. Einerseits braucht der User wesentlich weniger Mut für die Kontaktaufnahme, andererseits hat er nichts anderes gesagt als „Mir gefällt dein Foto“. Von einer Verabredung oder gar Exklusivität ist man meilenweit entfernt. Es gibt nicht wenige Singles, die der Meinung sind, dass „Tinder“ die niederen Instinkte im Menschen weckt. Aus dem schüchternen Typen von nebenan wird plötzlich der große Schürzenjäger. Das übergroße Angebot an Mitgliedern sorgt für unverbindliches Fließband-Dating. Bloß nicht konkret werden, es könnte ja noch ein hübscherer Fisch im Becken schwimmen – Bekanntschaften sind lediglich oberflächlich und flüchtig. Kommunikationswissenschaftler haben eine andere These. Das Durchblättern von Profilen ist vergleichbar mit einem Gang durch die Fußgängerzone. Auch dort spielt Selektion über optische Reize eine große Rolle und von hundert Begegnungen interessiert uns lediglich eine kleine Auswahl. Bei der virtuellen Suche findet allerdings eine deutlich intensivere Kommunikation statt als in jeder Kneipe oder eben Fußgängerzone. Menschen, die sich online kennengelernt haben und sich zum ersten Mal treffen, wissen in der Regel viel mehr übereinander als Menschen, die sich in einer Bar begegnen.
Aktuelle Studien belegen diese Entwicklung. Auf Platz Eins der Orte, an denen sich Paare kennenlernen, steht immer noch der Arbeitsplatz, gefolgt vom Freundeskreis. Platz Drei ist mittlerweile das Internet. Auf dem vierten Rang folgen Clubs und Bars. Über Online-Dating werden den Studien zufolge mehr Menschen mit Partnern versorgt.
Die erste Kontaktaufnahmen fällt also etwas leichter, aber was ist mit der ersten Verabredung? Wer fragt zuerst? Wo trifft man sich? Wer zahlt die Rechnung? Jemanden kennenzulernen ist, trotz virtueller Beschnupperung, immer noch mit Verunsicherung verbunden. Man entscheidet schließlich, ob man jemanden in sein Leben lässt und offenbart möglicherweise Schwächen. In den USA sind gewisse Dating-Regeln allgegenwärtig. Es gibt klare Codes, wann sich wer zu melden hat.
Wir haben uns die Frage gestellt, was dran ist an diesen ungeschriebenen Gesetzen. Was ist die Antwort auf die große Verunsicherung? Dafür haben wir Sozialwissenschaftler und Online-Dating- Experten eingeladen, sich mit uns durch das vermeintliche Regelwerk zu schlagen und die größten Missverständnisse zu beleuchten.
Hauptquelle und weitere Informationen singleboersen-vergleich.de
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