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„Nose to tail“Wertschätzung fürs Tier – was das für einen Kölner Fleischer bedeutet

Lesezeit 7 Minuten
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Sabine und Werner Eckart im Kühlraum ihrer Fleischerei.

Köln – Sonntags nachts um kurz vor Mitternacht kommen die Schweine frisch vom Schlachter. Der Transporter hält auf der Dürener Straße und fünf Schweine werden in den Kühlraum der Fleischerei Eckart gebracht. Am nächsten Morgen um 6 Uhr beginnen Metzgermeister Werner Eckart und seine Kollegen Patrick Boll und Sascha Bauer damit, die Tiere zu zerlegen, was im wahrsten Sinne des Wortes Knochenarbeit ist.

Die Hände geschützt von Kettenhandschuhen, sägen, schneiden und ziehen die Männer das Fleisch von den Knochen und sortieren es in verschiedene Wannen, je nachdem, was daraus gemacht werden soll.

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Die Metzger schützen ihre Hand mit Eisenhandschuhen, wenn sie ein Tier zerlegen. 

Jeden Dienstag wird ein Rind zerlegt, das in der Nacht geliefert worden ist. Lamm und Kalb sind jeden Mittwoch dran. Bei allen Tieren werden sämtliche Teile verwertet. Reste gibt es nicht. „Nose to tail“ ist das Motto der Fleischerei Eckart, von der Nase bis zum Schwanz wird alles zerlegt, verwurstet, gekocht und im Geschäft verkauft. „Wir sehen das ganze Tier als Edelstück - ohne Reste“, erklärt Sabine Eckart den Ansatz.

Die Deutschen essen weniger Fleisch

Dass ein Tier diese Wertschätzung erhält, ist nicht selbstverständlich. Fleisch ist in Verruf geraten. Zu viele Skandale in den Fleischfabriken und zum Teil quälerische Haltungsbedingungen bringen immer mehr Konsumenten dazu, Fleisch zu reduzieren oder ganz darauf zu verzichten.

Auch aus dem Umweltaspekt heraus verbietet sich für viele Verbraucher mittlerweile ein gedankenloser Verzehr von Würstchen, Schnitzeln und Koteletts. Der weltweite Fleischkonsum gilt als ein Treiber des Klimawandels – vor allem wegen des enormen Flächenverbrauchs für die Massentierhaltung und den damit verbundenen Emissionen, unter anderem von Methan.

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"Früher wurde nicht gezeigt, wie Wurst gemacht wird", sagt Sabine Eckart. Sie möchte das ändern, zum Beispiel mit einem eigenen Instagram-Kanal. 

Dieses veränderte Bewusstsein spiegelt sich auch in den Zahlen wider: Der Konsum von Fleisch ist in Deutschland seit einiger Zeit leicht rückläufig. Doch er geht viel langsamer zurück als man aufgrund der Fleischskandale und der Appelle, bewusster zu konsumieren, denken könnte: Der geschätzte Pro-Kopf-Verzehr lag 2020 bei 57,3 Kilogramm pro Kopf und damit um 1,3 Prozent unter dem Wert des Vorjahres. Davon sind rund 32,8 Kilogramm Schweinefleisch, etwa 13 Kilogramm Geflügel und 10 Kilogramm Kalb- und Rindfleisch. Der Rest setzt sich aus anderen Sorten zusammen.

Stark verändert hat sich auch das Bewusstsein über die Herkunft. Einfach im Supermarkt eine Packung Fleisch aus dem Kühlregal zu nehmen, reicht vielen nicht mehr. Wenn schon Fleisch gegessen wird, will man wenigstens wissen, wie das Tier gelebt hat. Ebenso ist der Wunsch nach guter Qualität hoch – zumindest bei denen, die es sich leisten können. „Fleisch wird gezielter nachgefragt und wir werden gezielter gesucht. Viele Jüngere sind sehr interessiert, fragen viel und haben Lust, mal wieder etwas zu kochen“, erzählt Sabine Eckart.

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Werner Eckart (von links), Patrick Boll und Sascha Bauer zerlegen ein Rind. 

Mit ihrem Mann Werner führt sie schon viele Jahre lang die Fleischerei Eckart in der Dürener Straße 233 in Lindenthal. Das Geschäft ist ein Familienbetrieb: Werner Eckarts Eltern Christel und Hans-Peter gründeten 1965 die erste Filiale in Poll, später kamen weitere in der Innenstadt und in Lindenthal hinzu. Der Laden an der Dürener Straße ist mittlerweile das Hauptgeschäft, einige der 15 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter sind schon seit 30 Jahren dabei. Vor zwei Jahren haben Sabine und Werner Eckart den Laden offiziell von den Eltern übernommen. In der Innenstadt-Filiale, die es heute nicht mehr gibt, haben die beiden sich kennengelernt. „Ich habe damals im Laden in der Breite Straße gejobbt und bin dann darauf hängen geblieben. Das ist 22 Jahre her“, erzählt Sabine Eckart.

Genuss-Botschafterin für gutes Fleisch

Ursprünglich ist sie Fremdsprachenassistentin, jetzt hat sie sich zur Fleisch-Sommelière ausbilden lassen, spezialisiert auf Reifung, Rassen und Herkunft. „Ich sehe mich als Genuss-Botschafterin für gutes Fleisch“, sagt sie. Herkunft und Verarbeitung sind ihr besonders wichtig. Außerdem möchte sie so viel Transparenz wie möglich schaffen. „Früher wurde nicht gezeigt, wie Wurst gemacht wird. Mein Traum wäre eine gläserne Metzgerei“, so Eckart. Mit einem eigenen Instagram-Kanal gewährt sie viel Einblick in die Wurstküche. „Manchmal gehe ich den Jungs mit meinen Fotos auf die Nerven“, erzählt sie lachend.

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Patrick Boll und Sascha Bauer bei der Arbeit. 

„Die Jungs“ arbeiten derweil im Kühlraum neben dem Laden und zerlegen ein Rind. Werner Eckart trennt die Kalbsoberschale ab, aus der später Schnitzel entstehen. Kalbskotelette, die Keule mit Rücken und die Kalbspistole werden zerkleinert und in Folie verschweißt. Fettes und mageres Fleisch wird vorsortiert und später zum Beispiel zu Ragout weiter verarbeitet. Einige Teile wandern direkt in die Ladentheke, aus manchen wird Wurst gemacht, wieder andere verwertet der Koch für das aktuelle Mittagsangebot, manches wird eingeweckt. Rumpsteak, Clubsteak, Rib-Eye-Kotelett, Rib-Eye-Steak, T-Bone- und Tomahawk-Steak reifen mindestens drei Wochen am Knochen nach. Auch das Kotelett vom Schwein reift weiter, bevor es verkauft wird.

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Sascha Bauer im Kühlraum

Das Tier, das die Männer an diesem Tag zerlegen, ist ein Sauerländer Bio-Kalb vom Tiggeshof in Arnsberg. Der Betrieb hat das Geschwisterkalb-Projekt ins Leben gerufen. Normalerweise werden einige Kälber ins Ausland verkauft, weil es zu teuer wäre, alle selbst aufzuziehen. Der Tiggeshof macht es anders, behält alle Tiere und zieht sie nach Bio-Standards auf. Für den Hof ist das eine hohe finanzielle Belastung, weil die Kälbchen die Milch der Kühe trinken, die sonst verkauft werden würde. „Ein tolles Projekt, das wir gerne unterstützen“, sagt Eckart.

„Wir reden ohne Ende mit unseren Kunden“

Außer Fleisch und Wurst bieten die Eckarts auch einen Mittagstisch und verschiedene Salate an, die alle selbst gemacht werden. Zudem verkaufen sie Kaffee, Fisch, Wein und Honig aus handwerklicher Herstellung. „Seit Corona sind wir ein richtiger Supermarkt geworden“, sagt Sabine Eckart. Ein Supermarkt, bei dem die Mitarbeiter jedes Produkt mit Namen kennen und von jedem Stück Fleisch wissen, wo und wie das Tier aufgewachsen ist.

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„Wir reden ohne Ende mit unseren Kunden“, erzählt Sabine Eckart. Weil sie alle Landwirte persönlich kennt, bei denen die verwendeten Tiere aufwachsen, kann sie so gut wie alle Fragen beantworten. „Das schafft nicht nur für uns Vertrauen, sondern auch für die Kunden, weil ich ihnen etwas über die Herkunft erzählen kann“, sagt sie.

Tiere aus Freilandhaltung in der Region

Die Höfe für Schweine, Rinder, Lämmer und Geflügel hat sie bewusst ausgesucht und auf der Homepage dokumentiert. Besonders stolz sind die Eckarts auf die Ruhrtaler Freilandschweine, die in Essen auf dem Hof von Alexander im Brahm und Theresa Ostermeier leben und das ganze Jahr über draußen gehalten werden. Auch die anderen Tiere wachsen unter freiem Himmel auf. Die Weiderinder stammen von kleinen Höfen im Münsterland, das Geflügel vom Meierhof in Gütersloh, Lamm und Kaninchen vom Pützhof in der Eifel, Wagyu-Rinder aus dem Sauerland.

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Sascha Bauer beim Zerlegen

Dass die Tiere aus der Region sind und im Freien aufwachsen, kommt bei den Kunden gut an. Wenn schon Fleisch, dann soll das Tier wenigstens ein gutes Leben gehabt haben und nicht um die halbe Welt gefahren werden müssen. Werner Eckart, seit 30 Jahren Metzger, hat außerdem festgestellt, dass die Menschen sich wieder mehr für das Metzger-Handwerk interessieren: „Früher wurde unser Beruf nicht besonders anerkannt. Jetzt gibt es ein anderes Bewusstsein. Vielleicht liegt es auch daran, dass es nur noch wenige Metzgereien sind und wir zu einer Art Nische geworden sind. Früher gab es in Köln 400 Metzgereien, jetzt sind es nur noch 34. Schade, dass Metzger nicht mehr Teil des Stadtviertels sind.“

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Sabine und Werner Eckart hinter der Ladentheke. Viele Kunden kommen seit Jahren zu ihnen. 

Insgesamt habe sich die Lebensmittelproduktion zu sehr vom Verbraucher entfernt. Es ist eben auch einfacher, fertige Burger und Würstchen im Supermarkt zu kaufen und nicht so genau hinzusehen, wie sie hergestellt werden. Denn das möchten die meisten Menschen nicht gerne.Die Eckarts versuchen, mit größtmöglicher Transparenz über Tierhaltung und Verwertung dagegen zu steuern. Vielleicht wird er ja eines Tages noch wahr, der Traum von der gläsernen Metzgerei. Das würde dann aber bedeuten, dass man als Kunde auch hinschaut, wenn das tote Tier mit Beil und Messer zerlegt wird. Zuschaut, wofür welche Teile verwendet werden oder wie Wurst gemacht wird. Das mag zwar blutig aussehen, aber interessant ist es auf alle Fälle. Und man weiß ganz genau, was man auf dem Teller vor sich liegen hat.