Gastronomen zahlen bis zu 30 Prozent an die Auslieferer und sind mittlerweile auf sie angewiesen. Manche Küchen existieren bereits ohne Restaurant.
Macht der Lieferdienste in KölnEssen von Lieferando und Co. kommt manchmal aus einer Ghost Kitchen
Es ist ja so praktisch. Ein paar Klicks in die App und kurze Zeit später wird einem das Essen direkt bis in die Wohnung geliefert. Kein Einkaufen, Kochen oder Rausgehen nötig. Jetzt im Winter sind Lieferdienste, die Gerichte von Restaurants nach Hause bringen, besonders beliebt. Für die Gastronomen bringt dieser Dienst zwar mehr Umsatz, sie müssen aber auch bis zu 30 Prozent Gebühr für die Auslieferung zahlen. Das dürfte nicht jedem klar sein, der sich Essen bis ans Sofa kommen lässt.
In Köln sind die Fahrerinnen und Fahrer von Lieferando, Wolt und Uber Eats auf den Straßen unterwegs. Lieferando ist der älteste und bekannteste Dienst. Die Firma wurde 2009 gegründet und gehört seit 2014 zur Mutterfirma „Just Eat Takeaway“ aus den Niederlanden, die 2019 Delivery Hero (hierzulande Lieferheld) und die dazugehörigen Marken Foodora und Pizza.de gekauft hat. Wolt und Uber Eats gibt es seit 2021 in Köln. Ganz neu hinzugekommen ist der Dienst Circus. Der liefert allerdings kein Essen von angeschlossenen Restaurants aus, sondern kocht selbst.
30 Prozent Liefergebühr
Als ältester Anbieter am Markt scheint Lieferando die Konditionen zu diktieren. Nach Angaben eines Firmensprechers gibt es klare Regeln für die Provision: „Wir berechnen 14 Prozent für selbst ausliefernde Restaurants und 30 Prozent für Restaurants, die durch den Logistik-Service von Lieferando ausliefern lassen. Die Provision richtet sich ausschließlich nach dem Umsatz, andere Gebühren sind nicht enthalten.“ Wer Lieferando lediglich als Bestellannahme-Tool nutzt und eigene Fahrer hat, zahlt also 14 Prozent pro verkauftem Gericht an Lieferando, wer auch deren Fahrer nutzt, stolze 30 Prozent, also fast ein Drittel.
Maike Block hat die Erfahrung gemacht, dass die Gastronomen meist individuell mit Lieferando verhandeln, wie viel Provision sie für die Auslieferung zahlen müssen. Sie ist hauptamtliche Geschäftsführerin der IG Gastro, dem Zusammenschluss des Großteils der Kölner Gastronomiebetriebe, und hat lange Zeit selbst im Gastronomie-Management gearbeitet, zum Beispiel bei der „Fetten Kuh“. Früher seien die Provisionen günstiger und flexibler verhandelbar gewesen als jetzt. „Lieferando war bereit, einem sehr entgegenzukommen. Mittlerweile fordern sie mit breiter Brust 30 Prozent. Das hat sicher auch etwas mit der Corona-Pandemie zu tun und damit, dass allgemein viel mehr Menschen Essen bestellen“, erzählt sie.
Benedikt Lammers, Mitinhaber der Trapas-Restaurants am Rathenauplatz und im Agnesviertel weiß zudem, dass größere Restaurants oder solche mit mehreren Filialen bessere Vertragsbedingungen erhalten. Auch die anderen Lieferdienste nehmen Gebühren für die Auslieferung. Wie viel, wird individuell verhandelt, die Summe bewegt sich aber zunehmend in einem ähnlichen Preisrahmen wie bei Lieferando. Am Anfang sei das laut Lammers noch nicht der Fall gewesen.
Gastronomen kommen nicht gegen Lieferando an
Nach Maike Blocks Erfahrung sind die Restaurants auf die Lieferdienste angewiesen: „Ich glaube, dass viele Restaurants heutzutage nicht ohne das Liefergeschäft bestehen können. Die Gastronomen versuchen, alle Umsatzpotentiale zu nutzen, die man nutzen kann. Weil der Personalmangel so groß ist und die Dienste viel besseres Marketing und gut programmierte Apps haben, hat man als Gastronom sowieso den Eindruck, dass man das selbst gar nicht stemmen könnte. Man hat also gar keine andere Wahl.“ Auch Benedikt Lammers sagt: „Jeder Gastronom alleine kommt nicht gegen Lieferando an. Der Liefermarkt wächst schneller als der Inhouse-Markt. Wenn man daran mitverdienen will, muss man wohl oder übel mitmachen. Immerhin gibt es mittlerweile noch andere Anbieter am Markt. Das begrüße ich.“
Er glaubt, dass die meisten Kunden gar nicht wissen, dass für Restaurants Gebühren anfallen, wenn über Lieferando oder die anderen Dienste bestellt wird: „Die meisten wollen einfach möglichst unkompliziert Essen bestellen. Aber wem das bewusst ist, der sollte lieber beim Restaurant direkt ordern oder einfach hingehen.“
Um möglichst viel Umsatz zu generieren, seien die meisten Restaurants bei allen Lieferdiensten gelistet. Nach Einschätzung von Maike Block hat sich Wolt auf dem Kölner Markt ebenbürtig neben Lieferando etabliert – wohl auch deshalb, weil der Dienst den Gastronomen stärker entgegengekommen ist als Lieferando. „Die mussten sich teuer einkaufen, um mit Lieferando Schritt zu halten. Also sind sie auf die Restaurants zugegangen und haben ihnen günstige Angebote gemacht, wenn sie komplett zu ihnen wechseln. Oder es wurden Umsatzgarantien gegeben. Da liefen die verrücktesten Deals“, weiß Benedikt Lammers.
Ghost Kitchen statt richtige Restaurants
Einige Restaurants haben die Umsatzmöglichkeiten mit den Lieferdiensten sogar noch weiter ausgereizt. Manche bereiten in ihrer Küche Gerichte zu, die ausschließlich ausgeliefert werden und die Gäste im Restaurant nicht bestellen können. Das sieht dann zum Beispiel so aus: Ein Restaurant bietet drinnen japanische Küche an, kocht aber für den Lieferdienst auch noch koreanische und thailändische Gerichte. Für die Menschen im Restaurant gibt es dann nur die japanische Karte, für die Lieferdienste zusätzlich eine thailändische oder koreanische. Einige Restaurants haben dafür eine zweite, extra und ausschließlich für den Lieferdienst eingerichtete Küche, andere bereiten alles in einer Küche zu. Benedikt Lammers findet das nachvollziehbar: „Bei den Zutaten gibt es große Schnittmengen, für den Gast im Restaurant wären so viele unterschiedliche Angebote aber eine Reizüberflutung. Außerdem leidet meist die Qualität, wenn zu viel auf der Karte steht.“
Es gibt in Köln aber auch Küchen, die einzig und allein für die Lieferdienste existieren und zu denen kein Restaurant gehört. Kunden können über die Portale bei ihnen Essen bestellen, aber es ist nicht möglich, das Restaurant zu besuchen und dort zu speisen. Dieses Prinzip nennt sich Ghost Kitchen, also „Geisterküchen“. Für die Betreiber kann sich das lohnen, weil sie so Miete und Personalkosten sparen.
Speisen vorwiegend außer Haus zu verkaufen, lohnt sich auch deshalb, weil der Mehrwertsteuersatz dann nur sieben Prozent beträgt. Auf Speisen, die im Restaurant verzehrt werden, werden normalerweise 19 Prozent aufgeschlagen. Im Zuge der Corona-Pandemie war dieser Satz auf sieben Prozent gesenkt worden, um den Restaurants unter die Arme zu greifen. Ab Januar 2024 wird aber wieder der alte Satz mit 19 Prozent gelten.
Mehrere Ghost Kitchen in Köln
In Köln gibt es mehrere Ghost Kitchen, zum Beispiel „Ghost Kitchen Korean Style“, „Loco Chicken“ und „Birdie Birdie“. Es ist nicht immer eindeutig ersichtlich, dass es sich hier nicht um richtige Restaurants handelt, die man auch besuchen könnte. Ghost Kitchen Korean Style trägt das Konzept zwar im Namen, ist aber laut der eigenen Homepage derzeit geschlossen. Eine Adresse in der Severinstraße ist aber angegeben.
Auf der Seite von Wolt wird es deutlich transparenter. In den Adresszeilen steht dort sowohl bei der Ghost Kitchen Korean Style als auch bei Loco Chicken und Birdie Birdie, dass es sich um ein virtuelles Restaurant handelt. Auf der Lieferando-Seite ist das nicht zu erkennen. Zu Loco Chicken und Birdie Birdie, die beide in der Kölner Südstadt sind, tauchen nur Berliner Adressen auf. Ghost Kitchen Korean Style ist korrekt in der Kölner Severinstraße verortet. Bei Uber Eats wird für Birdie Birdie die Elsaßstraße 52 als Adresse angegeben. Die Küche befindet sich im Innenhof, draußen weist ein Firmenschild darauf hin. Ein Restaurant gibt es ganz klar zu erkennen nicht. Loco Chicken hat die Bonner Straße 65 als Adresse. Hier ist das Lokal des Take-Away-Imbiss' „Pizza Mann“, der außer Pizza auch Gyros, Chicken Wings und Baguettes anbietet. Ghost Kitchen Korean Style ist bei Uber Eats nicht gelistet.