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Zuhause mit 26 SchlangenEin Kölner gewährt Blicke ins Terrarium

Lesezeit 8 Minuten
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Peter Schmitz hält 26 Schlangen in seiner Wohnung

  1. Peter Schmitz findet es schade, dass sich viele nur für Schlangen interessieren, wenn wieder irgendwo in Deutschland eine ausbüxt.
  2. Auch die Deutsche Gesellschaft für Terrarienkunde sagt: „Ein Pferd auf der Autobahn ist viel gefährlicher.“ Außerdem seien private Halter für den Arterhalt notwendig.
  3. Ein Problem gibt es dennoch: Fehlende, einheitliche Regelungen, besonders für die Haltung von Gefahrtieren.

Köln – Nach seinem Liebling gefragt, muss Peter Schmitz nur eine Millisekunde überlegen und zeigt in das quadratische Fach links oben. Er schiebt die durchsichtige Plastikscheibe zur Seite und holt die weiße Kiefernnatter mit der ockerfarbenen Maserung heraus. Sie ist etwa 40 Zentimeter lang, hat an ihrer dicksten Stelle etwa fünf Zentimeter Durchmesser, liegt locker in Schmitz’ Hand, bewegt den Kopf suchend hin und her, windet sich um seinen Arm, der in einem rotkarierten Hemd steckt. „Die mögen die Körperwärme“, sagt Schmitz beinahe zärtlich. Deckenhoch ist die selbstgebaute Spanplattenkonstruktion in diesem schmalen Zimmer in der geräumigen Wohnung nahe den Kölner Ringen, scherzhaft das Kinderzimmer genannt.

Schmitz findet es ärgerlich, dass sich viele Menschen nur für Schlangen interessieren, wenn mal wieder irgendwo eine ausgebüxt ist. Wobei, eigentlich ärgert er sich viel mehr über die Besitzer, die auf ihre gefährlichen Gifttiere nicht richtig achtgeben. Sie bringen ihn und andere sachkundige Schlangenhalter in Verruf. Und obwohl keine von Schmitz’ 26 Schlangen – auch nicht die zwei Meter lange Madagaskar-Boa – gefährlich ist, soll in der Zeitung nicht sein richtiger Name stehen. Um die Nachbarn nicht zu beunruhigen. Ihm ist schließlich auch schon einmal eine Schlange aus dem Terrarium entkommen. Eine kleine Natter, fünf bis sechs Zentimeter lang, harmlos. Sie hat er einige Tage später langgestreckt auf der oberen Kante seiner Küchenfliesen wiedergefunden.

Keine Meldepflicht für Gefahrtiere

Besonders die sechs Tage lange Suche nach der hochgiftigen, eigentlich in Asien heimischen Monokelkobra in Herne lenkte die Aufmerksamkeit auf die Terrarien der Republik. 30 Nachbarn mussten Ende August ihre Wohnungen tagelang verlassen, nachdem die etwa 1,60 Meter lange Schlange im Hausflur gesichtet und schließlich auch gesichert wurde. Wer die Kosten für die aufwendige Suchaktion der Feuerwehr trägt – laut Stadtsprecher ein mittlerer fünfstelliger Betrag –, ist Monate später immer noch unklar. Der mutmaßliche Besitzer verleugnet die entflohene Schlange, obwohl die Behörden in seiner Wohnung 22 Artgenossen sicherstellten. Der SPD-Landtagsabgeordnete aus Herne forderte sogleich ein Haltungsverbot für potenziell tödliche Tiere wie Giftschlangen, Skorpione oder Krokodile.

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„So ein Fall ist für uns furchtbar“, sagt Axel Kwet, Geschäftsführer der Deutschen Gesellschaft für Herpetologie und Terrarienkunde (DGHT), einem Verein für Terrarianer, Wissenschaftler und Biologen mit 5500 Mitgliedern. Die pauschalen Verbotsforderungen für Giftschlangen sind aus seiner Sicht unreflektiert und übertrieben. „In den letzten 15 Jahren gab es in Deutschland keinen mir bekannten Unfall mit einer Giftschlange. Ein Pferd auf der Autobahn ist viel gefährlicher.“ Dass es allerdings keine bundesweit einheitliche Regelung im Umgang mit gefährlichen Tieren gibt, kritisiert Kwet durchaus. Gefahrtiere wie Giftschlangen müssen in Nordrhein-Westfalen und Baden-Württemberg nicht einmal gemeldet werden. In Thüringen und Hessen sind sie hingegen seit Jahren verboten. Hier weiß der DGHT-Geschäftsführer von einem florierenden Schwarzmarkt: „Die Halter lassen sich ihre Schlangen eben nicht verbieten, durch sinnvolle Regelungen ließe sich das besser kontrollieren.“

Nur Tiere, die nach dem Washingtoner Artenschutzabkommen vom Aussterben bedroht sind, unterliegen in Deutschland einer Meldepflicht. Ein Großteil der weltweiten Reptilien- und Amphibienarten wird im so genannten CITES-Abkommen (kurz für: Convention of International Trade in Endangered Species of Wild Fauna and Flora) aber trotz Artenschwund gar nicht aufgeführt. Tierschützer beklagen, dass die Bestände sehr stark dezimiert sein müssen, bis sie auf der Liste landen – und Frösche und Echsen neben „klassischen“ Safari-Tieren wie Nashörnern und Giraffen schnell übersehen werden. In Köln ist für Privathalter von geschützten Wirbeltieren die Untere Naturschutzbehörde zuständig. Laut Angaben der Stadt sind aktuell 16000 Tiere gemeldet.

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Eine Königsboa

Artgerechte Haltung kaum geprüft

Die tatsächliche Zahl dürfte niedriger sein, weil nicht alle Besitzer die Tiere nach ihrem Ableben wieder aus dem Register streichen lassen. Angeführt wird die Liste von 3400 Griechischen Landschildkröten und 1400 Graupapageien. Eher nicht von der angsteinflößenden Sorte. Deutschlandweit sollen laut Schätzungen 700 000 Terrarien in Haushalten stehen.

Auch bei Schmitz kamen die Beamten schon einmal vorbei und haben die Papiere seiner Tiere mit der Wirklichkeit abgeglichen. Mögliche Meldevergehen gelten als Ordnungswidrigkeit und werden mit einer Geldstrafe geahndet. Die artgerechte Haltung spielt bei den Kontrollen der Behörde eher eine untergeordnete Rolle, diese wird nur nach Hinweisen und nach vorheriger Anmeldung überprüft. Schlangen seien aber ohnehin genügsam, sagt Schmitz: „Es ist eine falsche Vorstellung, dass Schlangen Auslauf brauchen. Sie sind meist zusammengerollt, bewegen sich auch in der freien Natur oft über Stunden nicht. Futter brauchen sie etwa alle drei bis vier Wochen.“

Ein Kubikmeter reicht aus

Vergleiche man das Bewegungsbedürfnis der Schlange mit dem eines Kanarienvogels, dann müsste man den Vogel in einem Flugzeughangar halten. Etwa ein Kubikmeter simulierte Tropen mit einer mit Wasser gefüllten Plastikschüssel, einem Ast und etwas Grün reichen den Tieren. Eine Zeitschaltuhr steuert das Licht und simuliert kürzere Tage, damit die Schlangen sich in Sichtweite zum Dom am Äquator wähnen. Was den Schlangen laut ihrem fachkundigen Halter wichtiger ist als Bewegungsfreiheit: Ruhe. Sie wollen nicht im Wohnzimmer leben, wo ständig jemand vorbeiläuft und der Fernseher lärmt.

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Peter Schmitz hat nicht nur ein Faible für echte Schlangen.

„Die pauschale Äußerung, dass eine Schlange nicht artgerecht gehalten werden kann, stimmt einfach nicht“, sagt auch Kwet als promovierter Biologe. Im Gegenteil: Bei der überwiegenden Anzahl der Reptilien könne man die Lebensbedingungen im Terrarium sehr gut nachempfinden. Sie würden um ein Vielfaches älter als in der Natur, haben keine Feinde – außer dem Menschen, würde ein Tierschützer jetzt wohl einwerfen –, Krankheiten werden behandelt. „Wir leben ja auch lieber in der Stadt und schlagen uns nicht im Urwald durch, wo wir mit 20 Jahren an einem eitrigen Zahn sterben.“

Ein Leben in Gefangenschaft, dafür sicher und bequem. Das Dilemma des Tierhalters: Wie sehr wird man den Ansprüchen eines Tieres in einer Drei-Zimmer-Wohnung mitten in der städtischen Betonwüste gerecht? Ist es okay, einen Hund zehn Stunden am Tag alleine zu lassen, um ihn dann am Abend 15 Minuten auf der Hundewiese laufen zu lassen? Oder einer Wohnungskatze selbst diese Viertelstunde Gras unter den Füßen zu verwehren? Wo hört Tierliebe auf und fängt Selbstliebe an? Wieso ist die Haltung eines domestizierten Verwandten des Wolfs okay und die von Schlangen verpönt? „Tierhaltung ist immer ein Kompromiss“, findet Schmitz.

Arterhalt durch private Zucht

DGHT-Geschäftsführer Kwet hält die private Haltung nicht nur für legitim, sondern sogar für notwendig, um gefährdete Arten zu erhalten. Von den rund 10000 Reptilien seien laut einer Schätzungen weltweit etwa ein Drittel in ihrem Bestand bedroht. Kwet sagt: „Die meisten Arten sterben nicht aus, weil sie für Terrarien eingefangen werden, sondern weil ihr Lebensraum zerstört wird.“

Der DGHT finanziert wissenschaftliche Projekte in Brasilien und Bolivien, unterstützt Nachzuchtprojekte, arbeitet mit den genetischen Datenbanken von Zoos zusammen. Denn diese können die Artenvielfalt der Erde nicht alleine bewahren. Zu viele Arten bedroht der Mensch durch seinen Lebensstil. Experten schätzen, dass täglich zwischen 50 und 150 Pflanzen- und Tierarten von der Erde verschwinden. Fachkundige Privathalter haben im Zweifel mehr Zeit, mehr Geld und mehr Muße, zum Erhalt ihrer bevorzugten Rasse beizutragen.

Das bestätigt das Bundesamt für Naturschutz. „Legale Nachzuchten durch verantwortungsbewusste und sachkundige Halter können dazu beitragen, die bestehende Nachfrage an Reptilien und Amphibien zu decken“, heißt es vorsichtig formuliert aus dem Ministerium. Als Beispiel wird „Citizen Conservation“ (CC) genannt, eine recht neue Initiative, die Wissenschaftler und kundige Halter zusammenbringt, um Erhaltungszuchtprogramme zu koordinieren. Statistiken zeigen, dass die Importe exotischer Tiere deutlich zurückgehen, weil hauptsächlich Nachzuchten aus dem Inland gehandelt werden.

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Eine Kornnatter

„Das ist doch Augenwischerei“, schimpft Peter Höffken von der Tierschutzorganisation PETA. „Erst die private Haltung generiert die hohe Nachfrage nach Wildtieren, die langfristig den Arterhalt zerstört.“ Die Vorstellung, dass Reptilien aus deutschen Wohnzimmern irgendwann wieder in ihr natürliches Habitat ausgewildert werden können, sei illusorisch. PETA spricht sich entschieden gegen die private Haltung und Zucht von exotischen Tieren aus: Laut Studien liege die Sterblichkeit der Reptilien auf einigen Handelswegen bei 70 Prozent. Großhändler würden diese von vornerein miteinkalkulieren. „Das Leid hört im Wohnzimmer aber nicht auf“, ist sich der Tierschützer sicher. Rund die Hälfte der Tiere dort habe gesundheitliche Probleme in Folge von Haltungsschäden, zitiert Höffken eine Fallstudie der Universität Leipzig aus dem Jahr 2008.

Tierärzte warnen vor Verboten

Tierärztliche Verbände hingegen plädieren eher für Aufklärung und Information statt Verbote. Der Präsident der Landestierärztekammer Baden-Württemberg sprach sich jüngst für einen Sachkundenachweis aus. Eine Kriminalisierung der Besitzer würde nur dazu führen, dass sie mit erkrankten Tieren nicht mehr zum Tierarzt gehen – und den Tieren am Ende mehr schaden.

Für Schmitz sind die Verbotsdiskussionen hinfällig. Er ist fasziniert von seinen Schlangen, beobachtet gerne ihre eleganten, geschmeidigen Bewegungen und die schimmernde Maserung ihrer schuppigen Haut. Schon als Kind habe er sich in der Stadtbibliothek Bücher über Schlangen ausgeliehen. „Die erste habe ich mir dann vor etwa 40 Jahren mit der ersten eigenen Wohnung angeschafft.“ Zwischenzeitlich hat der Rentner auch die Futtertiere Mäuse selbst gezüchtet, in einem schmalen Regal neben seinen Terrarien. Mittlerweile ist er auf Tiefkühlkost umgestiegen, die er über das Internet bestellt. Schmitz ist auch im Kölner Verein für Aquarien- und Terrarienkunde (VAT) aktiv, gewissermaßen dem lokalen Ableger des DGHT. Hier kommen Echsen-, Frosch- und Schlangen-Freunde monatlich zusammen, tauschen sich über ihre Tiere aus, laden fachkundige Gastredner ein.

Tiere werden zu Wegwerfartikeln

Gemeinsam besuchen die Vereinsmitglieder auch Reptilienmessen wie die Terraristika in Hamm. Über 500 Aussteller kommen zwei Mal im Jahr auf der weltweit größten Messe für Terrarientiere zusammen – ein Mekka für Exotenfans. Aber auch ein Ort, wo Schmitz die negativen Seiten seines Hobbys allzu deutlich vor Augen geführt werden: „Da findet man alles. Da gibt es kleine Giftschlangen ab zehn Euro zu kaufen.“

Die gemeine Puffotter sei ein gutes Beispiel, hochgiftig, heimisch im südlichen Afrika, kriegt oft dutzendfach Nachwuchs – und ist deshalb günstig. „Solche Tiere werden schnell zu Wegwerfartikeln. Wenn eine Schlange stirbt, kauft sich der Halter einfach eine neue.“ Ähnlich läuft es in Zoohandlungen oder Internetforen. Wo jeder ohne Nachweis von Sachverstand ein giftiges Tier kaufen kann. Das unter Umständen irgendwann in den Lokalnachrichten landet. Und Schmitz und das Kinderzimmer in Verruf bringt.