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1700 Jahre jüdisches LebenFestakt mit Rivlin und Steinmeier in Kölner Synagoge

Lesezeit 4 Minuten
Steinmeier Synagoge Köln

Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier hält eine Ansprache in Köln beim Festakt zum Auftakt des Festjahres

Köln – Ein Festakt im Gürzenich mit dem israelischen Staatspräsidenten, dem deutschen Bundespräsidenten, großen Teilen des Bundeskabinetts, Regierungsoberhäuptern aus vielen Ländern: Der Festakt „1700 Jahre jüdisches Leben in Deutschland“ wäre als besonderer Tag in die Geschichte der Stadt Köln eingegangen. Geplant war eine Veranstaltung, deren Politprominenz seit dem G-7-Gipfel 1999 in Köln kaum mehr erreicht worden war. Die Corona-Pandemie hat dieses Szenario wie so viele andere in einen Konjunktiv verwandelt.

Mehr als 1000 Veranstaltungen

Mehr als 1000 Veranstaltungen sind dem Virus zum Trotz im Rahmen des Festjahres in Deutschland geplant, über 40 Projekte allein in Köln. „Wir haben in den vergangenen Monaten gelernt, die Digitalisierung als Chance zu sehen – wir werden mit einer Mischung aus digitalen und bald hoffentlich auch normalen Veranstaltungen sehr viele Begegnungen mit jüdischem Leben ermöglichen“, sagt Andrei Kovacs, Geschäftsführer des 1700-Jahre-Vereins, von dem das Festjahr organisiert wird.

Fokus bewusst nicht auf der Schoah

Der virtuelle Festakt am Sonntagnachmittag, der von der ARD und der Deutschen Welle ausgestrahlt wurde, gab einen Ausblick. Der Fokus liegt bewusst nicht auf der Schoah, dem Holocaust, auf dessen Perspektive sich Juden in Deutschland oft reduziert fühlen. Bettina Levy vom Vorstand der Kölner Synagogengemeinde spricht in einem Einspieler aus, was viele denken: „Wir möchten als jüdisch gesehen werden, das soll aber nichts Besonderes sein.“ Die Schauspielerin Susan Sideropoulos erinnert daran, dass ihre Kinder in dem Bewusstsein aufwachsen, dass Polizeischutz für Schulen etwas Normales sei.

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Junge Juden fühlen sich nicht wohl in Deutschland

Gewalt gegen Juden und antisemitische Anfeindungen sorgen bei dem Schauspieler Alexander Wertmann, der in dem grandiosen Film „Masel Tov Cocktail“ einen wütenden Juden spielt, der einen jungen deutschen Rechten niederschlägt, für das Gefühl: „Nein, ich fühle mich nicht wohl in Deutschland. Es geht mir auf die Nerven, zu sagen: Alles ist gut.“ Der Rapper Ben Salomo fragt sich: „Wie lange noch?“ Und ruft wütend: „Nie wieder lassen wir uns verjagen!“

Israelischer Staatspräsident und Bundespräsident sprechen

Der Ton der jungen deutschen Juden ist ein anderer als jener der Funktionäre. „Die Bundesrepublik Deutschland ist nur vollkommen bei sich, wenn Juden sich hier vollkommen zu Hause fühlen“, sagt Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier in seiner Festrede. Er erinnert an das Edikt des römischen Kaisers Konstantin aus dem Jahr 321 in Köln, an „Demütigung, Ausgrenzung und Entrechtung“, aber auch an das „unermessliche Glück für unser Land, dass es wieder jüdisches Leben gibt“, dass es „sogar neu aufgeblüht ist dank derer, die zurückgekehrt sind, und dank der Zuwanderer aus den Staaten der früheren Sowjetunion“.

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Der israelische Staatspräsident Reuven Rivlin spannt einen Bogen von der Verbreitung des Judentums in Deutschland über antisemitische Verfolgungen bis zur Schoah, der Wiederbelebung des jüdischen Lebens und des „Anstiegs alter und neuer Formen des Antisemitismus“.

Auf die Möglichkeit, „ein breites Publikum mit der jüdischen Kultur und Tradition vertraut zu machen“, freut sich Josef Schuster, Präsident des Zentralrats der Juden in Deutschland. Schuster erwähnt die „MiQua“ in Köln, die bald als Museum „vom aufblühenden jüdischen Leben ebenso wie von Ausgrenzung und Vertreibung im Mittelalter“ erzählen wird, erwähnt die Tora-Rolle, die von einem katholischen Geistlichen in der Pogromnacht 1938 aus der brennenden Synagoge in der Glockengasse gerettet und bis heute im Gottesdienst verwendet wird, das NS-Dokumentationszentrum in der früheren Kölner Gestapo-Zentrale und die Vorurteile, die bis heute weit verbreitet sind.

Laschet fordert zum Kennenlernen auf

Dass mit dem Festjahr „ein klarer Kontrapunkt zu antisemitischen Vorfällen, antijüdischen Verschwörungstheorien, zu antisemitischer Hetze im Netz und auf der Straße gesetzt wird“, hofft NRW-Ministerpräsident Armin Laschet. „Nutzen wir dieses besondere Jahr, um uns besser kennenzulernen“, fordert er. Abraham Lehrer, Vorstand der Kölner Synagogengemeinde, dankt den Würdenträgern für ihre Worte – und hofft, dass sie trotz Pandemie mit Leben gefüllt werden.

Dafür tritt auch Kölns Oberbürgermeisterin Henriette Reker ein, die in einem Film während des Festakts das jüdische Leben in Köln von der MiQua bis zum Karnevalsverein Kölsche Kippa Köpp vorstellt, darüber nachdenkt, dass ihre Eltern zu den „Ermöglichern des Holocausts gehört haben, weil sie nicht die Kraft hatten, etwas zu sagen“ und schließt: „Ohne jüdisches Leben wäre Köln nicht so vielfältig, wie es ist, und es wäre gar nicht denkbar.“